§. 56. Da man die Algeber besonders als ein Mu- ster zur allgemeinen Zeichenkunst, oder besser zu sagen, zur allgemeinen Verbindungskunst der Zeichen (§. 39.) angiebt, so können wir noch anmerken, daß die Regel falsi die Erfindung der Algeber scheint veranlaßt zu ha- ben, oder wenigstens nothwendig hätte veranlassen kön- nen. Wir haben diese Regel in der Dianoiologie (§. 555.) als ein Beyspiel von Hypothesen angegeben, und (§. 558. l. cit.) gezeigt, wie man überhaupt die Hy- pothesen nach dem Muster der Regel falsi einrichten soll, und wie fern dieses angeht. Da nun die Algeber un- gleich weiter geht, als diese Regel, so läßt sich leicht der Schluß machen, was man von der allgemeinen Ver- bindungskunst der Zeichen in dieser Absicht zu erwarten habe. Man kann nämlich die Analogie machen: Wie sich die Regel falsi zur Algeber verhält, so verhält sich unsere dermalige Art mit Hypothesen umzugehen, zu ei- nem vierten Begriffe x, welcher der Anwendung der allgemeinen Verbindungskunst der Zeichen auf die Fäl- le, wo wir sonst Hypothesen gebrauchen, entspricht.
§. 57. Bey den wissenschaftlichen Zeichen geht im- mer eine gedoppelte Uebersetzung vor. Denn diese Zei- chen machen eine besondere Sprache aus, in welche je- der vorkommende Fall dadurch übersetzet wird, daß man denselben zeichnet, oder durch Zeichen vorstellet, um das, so mit der Sache selbst hätte sollen vorgenommen wer- den, schlechthin nur mit den Zeichen vorzunehmen. Jst dieses geschehen, so geben die Zeichen den Erfolg an, und dieser muß sodann wiederum in die gemeine Spra- che übersetzet werden.
§. 58. Von diesen Uebersetzungen giebt sich die er- ste von selbst, wenn die Sache oder der vorkom- mende Fall durch solche Worte ausgedrücket wird, oder ausgedrücket werden kann, deren buchstäblicher Verstand die Zeichen, der meta-
phorische
I. Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen
§. 56. Da man die Algeber beſonders als ein Mu- ſter zur allgemeinen Zeichenkunſt, oder beſſer zu ſagen, zur allgemeinen Verbindungskunſt der Zeichen (§. 39.) angiebt, ſo koͤnnen wir noch anmerken, daß die Regel falſi die Erfindung der Algeber ſcheint veranlaßt zu ha- ben, oder wenigſtens nothwendig haͤtte veranlaſſen koͤn- nen. Wir haben dieſe Regel in der Dianoiologie (§. 555.) als ein Beyſpiel von Hypotheſen angegeben, und (§. 558. l. cit.) gezeigt, wie man uͤberhaupt die Hy- potheſen nach dem Muſter der Regel falſi einrichten ſoll, und wie fern dieſes angeht. Da nun die Algeber un- gleich weiter geht, als dieſe Regel, ſo laͤßt ſich leicht der Schluß machen, was man von der allgemeinen Ver- bindungskunſt der Zeichen in dieſer Abſicht zu erwarten habe. Man kann naͤmlich die Analogie machen: Wie ſich die Regel falſi zur Algeber verhaͤlt, ſo verhaͤlt ſich unſere dermalige Art mit Hypotheſen umzugehen, zu ei- nem vierten Begriffe x, welcher der Anwendung der allgemeinen Verbindungskunſt der Zeichen auf die Faͤl- le, wo wir ſonſt Hypotheſen gebrauchen, entſpricht.
§. 57. Bey den wiſſenſchaftlichen Zeichen geht im- mer eine gedoppelte Ueberſetzung vor. Denn dieſe Zei- chen machen eine beſondere Sprache aus, in welche je- der vorkommende Fall dadurch uͤberſetzet wird, daß man denſelben zeichnet, oder durch Zeichen vorſtellet, um das, ſo mit der Sache ſelbſt haͤtte ſollen vorgenommen wer- den, ſchlechthin nur mit den Zeichen vorzunehmen. Jſt dieſes geſchehen, ſo geben die Zeichen den Erfolg an, und dieſer muß ſodann wiederum in die gemeine Spra- che uͤberſetzet werden.
§. 58. Von dieſen Ueberſetzungen giebt ſich die er- ſte von ſelbſt, wenn die Sache oder der vorkom- mende Fall durch ſolche Worte ausgedruͤcket wird, oder ausgedruͤcket werden kann, deren buchſtaͤblicher Verſtand die Zeichen, der meta-
phoriſche
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I. Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen
§. 56. Da man die Algeber beſonders als ein Mu-
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zur allgemeinen Verbindungskunſt der Zeichen (§. 39.)
angiebt, ſo koͤnnen wir noch anmerken, daß die Regel
falſi die Erfindung der Algeber ſcheint veranlaßt zu ha-
ben, oder wenigſtens nothwendig haͤtte veranlaſſen koͤn-
nen. Wir haben dieſe Regel in der Dianoiologie
(§. 555.) als ein Beyſpiel von Hypotheſen angegeben,
und (§. 558. l. cit.) gezeigt, wie man uͤberhaupt die Hy-
potheſen nach dem Muſter der Regel falſi einrichten ſoll,
und wie fern dieſes angeht. Da nun die Algeber un-
gleich weiter geht, als dieſe Regel, ſo laͤßt ſich leicht der
Schluß machen, was man von der allgemeinen Ver-
bindungskunſt der Zeichen in dieſer Abſicht zu erwarten
habe. Man kann naͤmlich die Analogie machen: Wie
ſich die Regel falſi zur Algeber verhaͤlt, ſo verhaͤlt ſich
unſere dermalige Art mit Hypotheſen umzugehen, zu ei-
nem vierten Begriffe x, welcher der Anwendung der
allgemeinen Verbindungskunſt der Zeichen auf die Faͤl-
le, wo wir ſonſt Hypotheſen gebrauchen, entſpricht.
§. 57. Bey den wiſſenſchaftlichen Zeichen geht im-
mer eine gedoppelte Ueberſetzung vor. Denn dieſe Zei-
chen machen eine beſondere Sprache aus, in welche je-
der vorkommende Fall dadurch uͤberſetzet wird, daß man
denſelben zeichnet, oder durch Zeichen vorſtellet, um das,
ſo mit der Sache ſelbſt haͤtte ſollen vorgenommen wer-
den, ſchlechthin nur mit den Zeichen vorzunehmen. Jſt
dieſes geſchehen, ſo geben die Zeichen den Erfolg an,
und dieſer muß ſodann wiederum in die gemeine Spra-
che uͤberſetzet werden.
§. 58. Von dieſen Ueberſetzungen giebt ſich die er-
ſte von ſelbſt, wenn die Sache oder der vorkom-
mende Fall durch ſolche Worte ausgedruͤcket
wird, oder ausgedruͤcket werden kann, deren
buchſtaͤblicher Verſtand die Zeichen, der meta-
phoriſche
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/42>, abgerufen am 23.11.2024.
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