thun. So wie hingegen die durch Uebung er- langte Erkenntniß in einer gewissen Art Sachen, sie in Ansehung derselben vermehren kann.
3. Die Glaubwürdigkeit in einem besondern Fall. Hier muß man noch zu beyden erstern Bestimmungsstücken noch die Jndividualien mit- nehmen, die der Fall selbst und seine Verhältniß zu dem Erzählenden anbeut, sowohl in Absicht auf die Möglichkeit, sich den Fall richtig vorzustellen, als in Absicht auf die Beweggründe, ihn aufrichtig oder verstellt zu erzählen.
§. 236. Die beyden ersten von diesen drey Arten der Glaubwürdigkeit, auch wenn ihre Grade bey einem Menschen bestimmt wären, würden nur eine vermischte Wahrscheinlichkeit geben, weil sie aus einer Summe von einzelnen Glaubwürdigkeiten bestehen, deren jede einen verschiedenen Grad hat. Sie sind demnach ei- gentlich nur das Mittel aus allen, und wenn man es dabey wollte bewenden lassen, so würde jede auf bloßen Nachrichten beruhende historische Erkenntniß nur einen sehr mittelmäßigen Grad der Wahrscheinlichkeit haben. Wir haben das Fehlerhafte von solchen Vermengungen bereits oben (§. 219.) angezeigt. Nun sucht man zwar solche geringer scheinende Grade der Wahrscheinlichkeit durch die Aufhäufung einzelner Zeugen zu vermehren, und man kann allerdings nicht in Abrede seyn, daß wenn auch solche Aufhäufung ohne Auswahl geschieht, jeder von dem andern unabhängige Zeuge als ein beson- deres und von den übrigen unabhängiges Argument könne angesehen werden, wenn sie nämlich in der Aus- sage übereinstimmen, und so ferne sie übereinstimmen. Wir wollen aber die Berechnungsart vollständiger an- geben.
§. 237. Man setze zween Zeugen, die einerley aus- sagen. Des ersten Glaubwürdigkeit sey so beschaffen,
daß
V. Hauptſtuͤck.
thun. So wie hingegen die durch Uebung er- langte Erkenntniß in einer gewiſſen Art Sachen, ſie in Anſehung derſelben vermehren kann.
3. Die Glaubwuͤrdigkeit in einem beſondern Fall. Hier muß man noch zu beyden erſtern Beſtimmungsſtuͤcken noch die Jndividualien mit- nehmen, die der Fall ſelbſt und ſeine Verhaͤltniß zu dem Erzaͤhlenden anbeut, ſowohl in Abſicht auf die Moͤglichkeit, ſich den Fall richtig vorzuſtellen, als in Abſicht auf die Beweggruͤnde, ihn aufrichtig oder verſtellt zu erzaͤhlen.
§. 236. Die beyden erſten von dieſen drey Arten der Glaubwuͤrdigkeit, auch wenn ihre Grade bey einem Menſchen beſtimmt waͤren, wuͤrden nur eine vermiſchte Wahrſcheinlichkeit geben, weil ſie aus einer Summe von einzelnen Glaubwuͤrdigkeiten beſtehen, deren jede einen verſchiedenen Grad hat. Sie ſind demnach ei- gentlich nur das Mittel aus allen, und wenn man es dabey wollte bewenden laſſen, ſo wuͤrde jede auf bloßen Nachrichten beruhende hiſtoriſche Erkenntniß nur einen ſehr mittelmaͤßigen Grad der Wahrſcheinlichkeit haben. Wir haben das Fehlerhafte von ſolchen Vermengungen bereits oben (§. 219.) angezeigt. Nun ſucht man zwar ſolche geringer ſcheinende Grade der Wahrſcheinlichkeit durch die Aufhaͤufung einzelner Zeugen zu vermehren, und man kann allerdings nicht in Abrede ſeyn, daß wenn auch ſolche Aufhaͤufung ohne Auswahl geſchieht, jeder von dem andern unabhaͤngige Zeuge als ein beſon- deres und von den uͤbrigen unabhaͤngiges Argument koͤnne angeſehen werden, wenn ſie naͤmlich in der Aus- ſage uͤbereinſtimmen, und ſo ferne ſie uͤbereinſtimmen. Wir wollen aber die Berechnungsart vollſtaͤndiger an- geben.
§. 237. Man ſetze zween Zeugen, die einerley aus- ſagen. Des erſten Glaubwuͤrdigkeit ſey ſo beſchaffen,
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V. Hauptſtuͤck.
thun. So wie hingegen die durch Uebung er-
langte Erkenntniß in einer gewiſſen Art Sachen,
ſie in Anſehung derſelben vermehren kann.
3. Die Glaubwuͤrdigkeit in einem beſondern
Fall. Hier muß man noch zu beyden erſtern
Beſtimmungsſtuͤcken noch die Jndividualien mit-
nehmen, die der Fall ſelbſt und ſeine Verhaͤltniß
zu dem Erzaͤhlenden anbeut, ſowohl in Abſicht auf
die Moͤglichkeit, ſich den Fall richtig vorzuſtellen,
als in Abſicht auf die Beweggruͤnde, ihn aufrichtig
oder verſtellt zu erzaͤhlen.
§. 236. Die beyden erſten von dieſen drey Arten der
Glaubwuͤrdigkeit, auch wenn ihre Grade bey einem
Menſchen beſtimmt waͤren, wuͤrden nur eine vermiſchte
Wahrſcheinlichkeit geben, weil ſie aus einer Summe
von einzelnen Glaubwuͤrdigkeiten beſtehen, deren jede
einen verſchiedenen Grad hat. Sie ſind demnach ei-
gentlich nur das Mittel aus allen, und wenn man es
dabey wollte bewenden laſſen, ſo wuͤrde jede auf bloßen
Nachrichten beruhende hiſtoriſche Erkenntniß nur einen
ſehr mittelmaͤßigen Grad der Wahrſcheinlichkeit haben.
Wir haben das Fehlerhafte von ſolchen Vermengungen
bereits oben (§. 219.) angezeigt. Nun ſucht man zwar
ſolche geringer ſcheinende Grade der Wahrſcheinlichkeit
durch die Aufhaͤufung einzelner Zeugen zu vermehren,
und man kann allerdings nicht in Abrede ſeyn, daß
wenn auch ſolche Aufhaͤufung ohne Auswahl geſchieht,
jeder von dem andern unabhaͤngige Zeuge als ein beſon-
deres und von den uͤbrigen unabhaͤngiges Argument
koͤnne angeſehen werden, wenn ſie naͤmlich in der Aus-
ſage uͤbereinſtimmen, und ſo ferne ſie uͤbereinſtimmen.
Wir wollen aber die Berechnungsart vollſtaͤndiger an-
geben.
§. 237. Man ſetze zween Zeugen, die einerley aus-
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daß
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/404>, abgerufen am 17.07.2024.
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