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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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III. Hauptstück.
können. Es ist für sich klar, daß diese Sätze gemein-
same Glieder haben müssen, um dadurch in Schlußre-
den verbunden werden zu können. Dieses aber voraus-
gesetzt, so ist die ganze Operation gleichsam bloß mecha-
nisch oder semiotisch, weil sich die Schlußreden in For-
meln vorstellen lassen. Uebrigens geht man in der Al-
geber hierinn weiter und sicherer, weil man, so bald eine
Aufgabe in ihre Gleichungen gebracht ist, von der Be-
deutung der Buchstaben ganz abstrahirt, und nur auf
die Stelle und die Zeichen + -- · : sqrt etc. zu sehen hat,
um die Auflösung nach allgemeinen Regeln zu Ende zu
bringen. Hingegen in der Rechenkunst müssen wir uns
der Bedeutung der Ziffern, und in der Sprache der
Bedeutung der Wörter beständig bewußt seyn, zumal
wenn uns die durch die Wörter vorgestellte Begriffe
andere Begriffe zu Sinne bringen sollen, die mit jenen
in Verbindung stehen.

§. 125. Auf die erst angezeigte Art können wir durch
Schlüsse zu sehr allgemeinen und abstracten Begriffen
und deren Verhältnissen gelangen, und so gar uns et-
wan darinn versteigen, das will sagen, auf abstracte
Speculationen gerathen, die entweder gar nicht oder
mühsam brauchbar gemacht werden können. Zu die-
sem Ende merken wir an, daß das Brauchbare immer
wiederum zu dem Jndividualen zurücke führen soll, weil
der eigentliche Gebrauch eines Satzes in jedem Fall
individual ist. Demnach gebraucht ein Satz, der sich
von dem Jnvidualen zu weit entfernt, noch mehrere an-
dere stuffenweise minder abstracte, auf welche er in ei-
ner formlichen Theorie angewandt werden muß, damit
man dadurch dem Jndividualen näher komme, und so
wird nicht der abstracte Satz, sondern die daraus ge-
fundene specialere in vorkommenden Fällen angewandt.

§. 126. Aus den bisherigen Anmerkungen über die
(§. 119.) vorgelegte Frage erhellet nun so viel. 1. Daß

es

III. Hauptſtuͤck.
koͤnnen. Es iſt fuͤr ſich klar, daß dieſe Saͤtze gemein-
ſame Glieder haben muͤſſen, um dadurch in Schlußre-
den verbunden werden zu koͤnnen. Dieſes aber voraus-
geſetzt, ſo iſt die ganze Operation gleichſam bloß mecha-
niſch oder ſemiotiſch, weil ſich die Schlußreden in For-
meln vorſtellen laſſen. Uebrigens geht man in der Al-
geber hierinn weiter und ſicherer, weil man, ſo bald eine
Aufgabe in ihre Gleichungen gebracht iſt, von der Be-
deutung der Buchſtaben ganz abſtrahirt, und nur auf
die Stelle und die Zeichen + — · : √ ꝛc. zu ſehen hat,
um die Aufloͤſung nach allgemeinen Regeln zu Ende zu
bringen. Hingegen in der Rechenkunſt muͤſſen wir uns
der Bedeutung der Ziffern, und in der Sprache der
Bedeutung der Woͤrter beſtaͤndig bewußt ſeyn, zumal
wenn uns die durch die Woͤrter vorgeſtellte Begriffe
andere Begriffe zu Sinne bringen ſollen, die mit jenen
in Verbindung ſtehen.

§. 125. Auf die erſt angezeigte Art koͤnnen wir durch
Schluͤſſe zu ſehr allgemeinen und abſtracten Begriffen
und deren Verhaͤltniſſen gelangen, und ſo gar uns et-
wan darinn verſteigen, das will ſagen, auf abſtracte
Speculationen gerathen, die entweder gar nicht oder
muͤhſam brauchbar gemacht werden koͤnnen. Zu die-
ſem Ende merken wir an, daß das Brauchbare immer
wiederum zu dem Jndividualen zuruͤcke fuͤhren ſoll, weil
der eigentliche Gebrauch eines Satzes in jedem Fall
individual iſt. Demnach gebraucht ein Satz, der ſich
von dem Jnvidualen zu weit entfernt, noch mehrere an-
dere ſtuffenweiſe minder abſtracte, auf welche er in ei-
ner formlichen Theorie angewandt werden muß, damit
man dadurch dem Jndividualen naͤher komme, und ſo
wird nicht der abſtracte Satz, ſondern die daraus ge-
fundene ſpecialere in vorkommenden Faͤllen angewandt.

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(§. 119.) vorgelegte Frage erhellet nun ſo viel. 1. Daß

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[298/0304] III. Hauptſtuͤck. koͤnnen. Es iſt fuͤr ſich klar, daß dieſe Saͤtze gemein- ſame Glieder haben muͤſſen, um dadurch in Schlußre- den verbunden werden zu koͤnnen. Dieſes aber voraus- geſetzt, ſo iſt die ganze Operation gleichſam bloß mecha- niſch oder ſemiotiſch, weil ſich die Schlußreden in For- meln vorſtellen laſſen. Uebrigens geht man in der Al- geber hierinn weiter und ſicherer, weil man, ſo bald eine Aufgabe in ihre Gleichungen gebracht iſt, von der Be- deutung der Buchſtaben ganz abſtrahirt, und nur auf die Stelle und die Zeichen + — · : √ ꝛc. zu ſehen hat, um die Aufloͤſung nach allgemeinen Regeln zu Ende zu bringen. Hingegen in der Rechenkunſt muͤſſen wir uns der Bedeutung der Ziffern, und in der Sprache der Bedeutung der Woͤrter beſtaͤndig bewußt ſeyn, zumal wenn uns die durch die Woͤrter vorgeſtellte Begriffe andere Begriffe zu Sinne bringen ſollen, die mit jenen in Verbindung ſtehen. §. 125. Auf die erſt angezeigte Art koͤnnen wir durch Schluͤſſe zu ſehr allgemeinen und abſtracten Begriffen und deren Verhaͤltniſſen gelangen, und ſo gar uns et- wan darinn verſteigen, das will ſagen, auf abſtracte Speculationen gerathen, die entweder gar nicht oder muͤhſam brauchbar gemacht werden koͤnnen. Zu die- ſem Ende merken wir an, daß das Brauchbare immer wiederum zu dem Jndividualen zuruͤcke fuͤhren ſoll, weil der eigentliche Gebrauch eines Satzes in jedem Fall individual iſt. Demnach gebraucht ein Satz, der ſich von dem Jnvidualen zu weit entfernt, noch mehrere an- dere ſtuffenweiſe minder abſtracte, auf welche er in ei- ner formlichen Theorie angewandt werden muß, damit man dadurch dem Jndividualen naͤher komme, und ſo wird nicht der abſtracte Satz, ſondern die daraus ge- fundene ſpecialere in vorkommenden Faͤllen angewandt. §. 126. Aus den bisherigen Anmerkungen uͤber die (§. 119.) vorgelegte Frage erhellet nun ſo viel. 1. Daß es

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/304>, abgerufen am 23.11.2024.