Eindruck machen. Wir haben daher auch Wörter in der Sprache, die sich auf die Gegenstände mehrerer Sinnen erstrecken, dergleichen z. E. das Wort schön ist, welches Farben, Figur, Gestalt, Ton, Musik, Ge- danken, Geist etc. als ein Beywort zugesetzt wird, und in so ferne transcendent ist.
§. 103. Hierüber können wir anmerken, daß, wo Wörter von so weitläustiger Ausdehnung zu definiren sind, es viel darauf ankomme, ob die Sprache mehr andere Wörter von gleicher Ausdehnung habe? Wo dieses nicht ist, da ist man gleichsam genöthigt, den Be- griff in Classen zu theilen, und jede besonders zu defini- ren. Sodann können wir hier den Begriff der Va- rietät allgemeiner machen, den man bisher in der Kräuterkunde gebraucht hat, um dadurch die Abwechs- lungen anzuzeigen, die bey einer gleichen Art von Pflan- zen vorkommen, dergleichen z. E. die Farben bey den Tulpen, Nelken etc. sind. Dieser Begriff läßt sich eben- falls auf Handlungen ausdehnen, die von ihrer Absicht, Ursache, Wirkung etc. her benennt, und daher, aller übri- gen Unterschiede und Abänderungen ungeacht, in eine Classe gesetzt werden.
§. 104. Das Wahre in den Begriffen kömmt dar- auf an, daß sie möglich seyen, und ein für sich gedenkba- res Ganzes vorstellen. Dieses macht sie richtig und vollständig. Die Merkmale, die man zusammennimmt, müssen sich können zusammennehmen lassen, und es muß keines wegbleiben, das zu den übrigen mit gehört, damit keine Lücke in dem Begriff bleibe. Was hie- bey übersehen oder aus der Acht gelassen wird, das macht den Begriff nur scheinbar, oder dem Schein nach richtig, und es ist ein bloßer Schein, so oft in dem Begriffe noch entweder unbemerkte Widersprüche oder unbemerkte Lücken sind, oder gar beydes vor- kömmt. Jst hingegen der Begriff an sich richtig, aber
wir
III. Hauptſtuͤck.
Eindruck machen. Wir haben daher auch Woͤrter in der Sprache, die ſich auf die Gegenſtaͤnde mehrerer Sinnen erſtrecken, dergleichen z. E. das Wort ſchoͤn iſt, welches Farben, Figur, Geſtalt, Ton, Muſik, Ge- danken, Geiſt ꝛc. als ein Beywort zugeſetzt wird, und in ſo ferne tranſcendent iſt.
§. 103. Hieruͤber koͤnnen wir anmerken, daß, wo Woͤrter von ſo weitlaͤuſtiger Ausdehnung zu definiren ſind, es viel darauf ankomme, ob die Sprache mehr andere Woͤrter von gleicher Ausdehnung habe? Wo dieſes nicht iſt, da iſt man gleichſam genoͤthigt, den Be- griff in Claſſen zu theilen, und jede beſonders zu defini- ren. Sodann koͤnnen wir hier den Begriff der Va- rietaͤt allgemeiner machen, den man bisher in der Kraͤuterkunde gebraucht hat, um dadurch die Abwechs- lungen anzuzeigen, die bey einer gleichen Art von Pflan- zen vorkommen, dergleichen z. E. die Farben bey den Tulpen, Nelken ꝛc. ſind. Dieſer Begriff laͤßt ſich eben- falls auf Handlungen ausdehnen, die von ihrer Abſicht, Urſache, Wirkung ꝛc. her benennt, und daher, aller uͤbri- gen Unterſchiede und Abaͤnderungen ungeacht, in eine Claſſe geſetzt werden.
§. 104. Das Wahre in den Begriffen koͤmmt dar- auf an, daß ſie moͤglich ſeyen, und ein fuͤr ſich gedenkba- res Ganzes vorſtellen. Dieſes macht ſie richtig und vollſtaͤndig. Die Merkmale, die man zuſammennimmt, muͤſſen ſich koͤnnen zuſammennehmen laſſen, und es muß keines wegbleiben, das zu den uͤbrigen mit gehoͤrt, damit keine Luͤcke in dem Begriff bleibe. Was hie- bey uͤberſehen oder aus der Acht gelaſſen wird, das macht den Begriff nur ſcheinbar, oder dem Schein nach richtig, und es iſt ein bloßer Schein, ſo oft in dem Begriffe noch entweder unbemerkte Widerſpruͤche oder unbemerkte Luͤcken ſind, oder gar beydes vor- koͤmmt. Jſt hingegen der Begriff an ſich richtig, aber
wir
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0288"n="282"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">III.</hi> Hauptſtuͤck.</hi></fw><lb/>
Eindruck machen. Wir haben daher auch Woͤrter in<lb/>
der Sprache, die ſich auf die Gegenſtaͤnde mehrerer<lb/>
Sinnen erſtrecken, dergleichen z. E. das Wort <hirendition="#fr">ſchoͤn</hi><lb/>
iſt, welches Farben, Figur, Geſtalt, Ton, Muſik, Ge-<lb/>
danken, Geiſt ꝛc. als ein Beywort zugeſetzt wird, und<lb/>
in ſo ferne tranſcendent iſt.</p><lb/><p>§. 103. Hieruͤber koͤnnen wir anmerken, daß, wo<lb/>
Woͤrter von ſo weitlaͤuſtiger Ausdehnung zu definiren<lb/>ſind, es viel darauf ankomme, ob die Sprache mehr<lb/>
andere Woͤrter von gleicher Ausdehnung habe? Wo<lb/>
dieſes nicht iſt, da iſt man gleichſam genoͤthigt, den Be-<lb/>
griff in Claſſen zu theilen, und jede beſonders zu defini-<lb/>
ren. Sodann koͤnnen wir hier den Begriff der <hirendition="#fr">Va-<lb/>
rietaͤt</hi> allgemeiner machen, den man bisher in der<lb/>
Kraͤuterkunde gebraucht hat, um dadurch die Abwechs-<lb/>
lungen anzuzeigen, die bey einer gleichen Art von Pflan-<lb/>
zen vorkommen, dergleichen z. E. die Farben bey den<lb/>
Tulpen, Nelken ꝛc. ſind. Dieſer Begriff laͤßt ſich eben-<lb/>
falls auf Handlungen ausdehnen, die von ihrer Abſicht,<lb/>
Urſache, Wirkung ꝛc. her benennt, und daher, aller uͤbri-<lb/>
gen Unterſchiede und Abaͤnderungen ungeacht, in eine<lb/>
Claſſe geſetzt werden.</p><lb/><p>§. 104. Das Wahre in den Begriffen koͤmmt dar-<lb/>
auf an, daß ſie moͤglich ſeyen, und ein fuͤr ſich gedenkba-<lb/>
res Ganzes vorſtellen. Dieſes macht ſie richtig und<lb/>
vollſtaͤndig. Die Merkmale, die man zuſammennimmt,<lb/>
muͤſſen ſich koͤnnen zuſammennehmen laſſen, und es<lb/>
muß keines wegbleiben, das zu den uͤbrigen mit gehoͤrt,<lb/>
damit keine <hirendition="#fr">Luͤcke</hi> in dem Begriff bleibe. Was hie-<lb/>
bey uͤberſehen oder aus der Acht gelaſſen wird, das<lb/>
macht den Begriff nur <hirendition="#fr">ſcheinbar,</hi> oder dem <hirendition="#fr">Schein</hi><lb/>
nach richtig, und es iſt ein bloßer Schein, ſo oft in dem<lb/>
Begriffe noch entweder unbemerkte <hirendition="#fr">Widerſpruͤche</hi><lb/>
oder unbemerkte <hirendition="#fr">Luͤcken</hi>ſind, oder gar beydes vor-<lb/>
koͤmmt. Jſt hingegen der Begriff an ſich richtig, aber<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wir</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[282/0288]
III. Hauptſtuͤck.
Eindruck machen. Wir haben daher auch Woͤrter in
der Sprache, die ſich auf die Gegenſtaͤnde mehrerer
Sinnen erſtrecken, dergleichen z. E. das Wort ſchoͤn
iſt, welches Farben, Figur, Geſtalt, Ton, Muſik, Ge-
danken, Geiſt ꝛc. als ein Beywort zugeſetzt wird, und
in ſo ferne tranſcendent iſt.
§. 103. Hieruͤber koͤnnen wir anmerken, daß, wo
Woͤrter von ſo weitlaͤuſtiger Ausdehnung zu definiren
ſind, es viel darauf ankomme, ob die Sprache mehr
andere Woͤrter von gleicher Ausdehnung habe? Wo
dieſes nicht iſt, da iſt man gleichſam genoͤthigt, den Be-
griff in Claſſen zu theilen, und jede beſonders zu defini-
ren. Sodann koͤnnen wir hier den Begriff der Va-
rietaͤt allgemeiner machen, den man bisher in der
Kraͤuterkunde gebraucht hat, um dadurch die Abwechs-
lungen anzuzeigen, die bey einer gleichen Art von Pflan-
zen vorkommen, dergleichen z. E. die Farben bey den
Tulpen, Nelken ꝛc. ſind. Dieſer Begriff laͤßt ſich eben-
falls auf Handlungen ausdehnen, die von ihrer Abſicht,
Urſache, Wirkung ꝛc. her benennt, und daher, aller uͤbri-
gen Unterſchiede und Abaͤnderungen ungeacht, in eine
Claſſe geſetzt werden.
§. 104. Das Wahre in den Begriffen koͤmmt dar-
auf an, daß ſie moͤglich ſeyen, und ein fuͤr ſich gedenkba-
res Ganzes vorſtellen. Dieſes macht ſie richtig und
vollſtaͤndig. Die Merkmale, die man zuſammennimmt,
muͤſſen ſich koͤnnen zuſammennehmen laſſen, und es
muß keines wegbleiben, das zu den uͤbrigen mit gehoͤrt,
damit keine Luͤcke in dem Begriff bleibe. Was hie-
bey uͤberſehen oder aus der Acht gelaſſen wird, das
macht den Begriff nur ſcheinbar, oder dem Schein
nach richtig, und es iſt ein bloßer Schein, ſo oft in dem
Begriffe noch entweder unbemerkte Widerſpruͤche
oder unbemerkte Luͤcken ſind, oder gar beydes vor-
koͤmmt. Jſt hingegen der Begriff an ſich richtig, aber
wir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/288>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.