lative an. Denn an sich konnte das erstemal das Zim- mer wärmer, oder der Leib kälter gewesen seyn, als das andere mal, oder es kann beydes zugetroffen haben. So ist auch überhaupt jede Empfindung schwächer, es mag nun der Sinn stumpfer oder der Eindruck vom Object in der That schwächer, oder beydes zugleich seyn. Die Aenderung in der Empfindung giebt nur das Relati- ve in der Sache an. Was demnach jede Ursache für sich beyträgt, muß aus andern Gründen gefunden werden.
§. 56. Hiezu dient nun der oben schon angeführte Satz, daß die Aenderung in dem subjectiven Theile des Scheins sich weiter ausbreite, und einenIsochronismummit sich bringe, das will sagen, sich zugleich auf mehrere Objecte ausdehne. So ist man in der Astronomie nun schon daran ge- wöhnt, jede Bewegung, die zugleich das ganze Firma- ment betreffen müßte, als viel natürlicher der Erde zu- zuschreiben. Die tägliche Umwälzung des Himmels, die jährlichen Anomalien der Planeten, die Aberration des Lichtes etc. sind Beyspiele davon. Die Aenderung in dem scheinbaren Ort der Dinge, welche bloß von der geänderten Stelle des Zuschauers herrührt, wird die Parallaxe genennt. Und wenn wir diesen Begriff all- gemeiner machen wollen, so werden wir durch Parallaxe überhaupt den subjectiven Theil des Scheins verstehen können. Sie dehnt sich auf jede Dinge aus, die wir mit geändertem Sinne empfinden, und besteht in dem Unterschied der Empfindung, so fern er von der Ver- änderung des Sinnes und seiner Lage herrührt.
§. 57. Wenn diese Veränderung des Sinnes und seiner Lage nicht an sich uns bekannt ist, so ist erster- wähnter Isochronismus in dem veränderten Schein je- der Objecte, so wir mit dem Sinne empfinden, das ein- zige Mittel, denselben zu entdecken, ungeacht der Schluß
nicht
II. Hauptſtuͤck.
lative an. Denn an ſich konnte das erſtemal das Zim- mer waͤrmer, oder der Leib kaͤlter geweſen ſeyn, als das andere mal, oder es kann beydes zugetroffen haben. So iſt auch uͤberhaupt jede Empfindung ſchwaͤcher, es mag nun der Sinn ſtumpfer oder der Eindruck vom Object in der That ſchwaͤcher, oder beydes zugleich ſeyn. Die Aenderung in der Empfindung giebt nur das Relati- ve in der Sache an. Was demnach jede Urſache fuͤr ſich beytraͤgt, muß aus andern Gruͤnden gefunden werden.
§. 56. Hiezu dient nun der oben ſchon angefuͤhrte Satz, daß die Aenderung in dem ſubjectiven Theile des Scheins ſich weiter ausbreite, und einenIſochroniſmummit ſich bringe, das will ſagen, ſich zugleich auf mehrere Objecte ausdehne. So iſt man in der Aſtronomie nun ſchon daran ge- woͤhnt, jede Bewegung, die zugleich das ganze Firma- ment betreffen muͤßte, als viel natuͤrlicher der Erde zu- zuſchreiben. Die taͤgliche Umwaͤlzung des Himmels, die jaͤhrlichen Anomalien der Planeten, die Aberration des Lichtes ꝛc. ſind Beyſpiele davon. Die Aenderung in dem ſcheinbaren Ort der Dinge, welche bloß von der geaͤnderten Stelle des Zuſchauers herruͤhrt, wird die Parallaxe genennt. Und wenn wir dieſen Begriff all- gemeiner machen wollen, ſo werden wir durch Parallaxe uͤberhaupt den ſubjectiven Theil des Scheins verſtehen koͤnnen. Sie dehnt ſich auf jede Dinge aus, die wir mit geaͤndertem Sinne empfinden, und beſteht in dem Unterſchied der Empfindung, ſo fern er von der Ver- aͤnderung des Sinnes und ſeiner Lage herruͤhrt.
§. 57. Wenn dieſe Veraͤnderung des Sinnes und ſeiner Lage nicht an ſich uns bekannt iſt, ſo iſt erſter- waͤhnter Iſochroniſmus in dem veraͤnderten Schein je- der Objecte, ſo wir mit dem Sinne empfinden, das ein- zige Mittel, denſelben zu entdecken, ungeacht der Schluß
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II. Hauptſtuͤck.
lative an. Denn an ſich konnte das erſtemal das Zim-
mer waͤrmer, oder der Leib kaͤlter geweſen ſeyn, als das
andere mal, oder es kann beydes zugetroffen haben. So
iſt auch uͤberhaupt jede Empfindung ſchwaͤcher, es mag
nun der Sinn ſtumpfer oder der Eindruck vom Object
in der That ſchwaͤcher, oder beydes zugleich ſeyn. Die
Aenderung in der Empfindung giebt nur das Relati-
ve in der Sache an. Was demnach jede Urſache fuͤr
ſich beytraͤgt, muß aus andern Gruͤnden gefunden
werden.
§. 56. Hiezu dient nun der oben ſchon angefuͤhrte
Satz, daß die Aenderung in dem ſubjectiven
Theile des Scheins ſich weiter ausbreite, und
einen Iſochroniſmum mit ſich bringe, das will
ſagen, ſich zugleich auf mehrere Objecte ausdehne.
So iſt man in der Aſtronomie nun ſchon daran ge-
woͤhnt, jede Bewegung, die zugleich das ganze Firma-
ment betreffen muͤßte, als viel natuͤrlicher der Erde zu-
zuſchreiben. Die taͤgliche Umwaͤlzung des Himmels,
die jaͤhrlichen Anomalien der Planeten, die Aberration
des Lichtes ꝛc. ſind Beyſpiele davon. Die Aenderung
in dem ſcheinbaren Ort der Dinge, welche bloß von der
geaͤnderten Stelle des Zuſchauers herruͤhrt, wird die
Parallaxe genennt. Und wenn wir dieſen Begriff all-
gemeiner machen wollen, ſo werden wir durch Parallaxe
uͤberhaupt den ſubjectiven Theil des Scheins verſtehen
koͤnnen. Sie dehnt ſich auf jede Dinge aus, die wir
mit geaͤndertem Sinne empfinden, und beſteht in dem
Unterſchied der Empfindung, ſo fern er von der Ver-
aͤnderung des Sinnes und ſeiner Lage herruͤhrt.
§. 57. Wenn dieſe Veraͤnderung des Sinnes und
ſeiner Lage nicht an ſich uns bekannt iſt, ſo iſt erſter-
waͤhnter Iſochroniſmus in dem veraͤnderten Schein je-
der Objecte, ſo wir mit dem Sinne empfinden, das ein-
zige Mittel, denſelben zu entdecken, ungeacht der Schluß
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/256>, abgerufen am 16.06.2024.
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