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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von den Arten des Scheins.
betrachten, will sagen, auf die Ursachen, Mittel, Hin-
dernisse, Umstände, Schwierigkeiten, Folgen etc. sehen,
und alles durchgehen, was damit in Verbindung steht,
davon abhängt etc. Jn so vielerley Absichten eine Sa-
che betrachtet werden kann, so viele einzelne Gesichts-
punkte
hat sie auch. Und die Redensart, eine Sa-
che näher betrachten,
zeigt ebenfalls an, daß man
zwischen dem Gesichtspunkt und der Sache sich einen
Abstand gedenkt, welcher desto kleiner ist, je genauer
und umständlicher die Sache in allen Theilen betrachtet
wird. Umstände bemerken und anzeigen, die die Sa-
che aufklären und ihren Zusammenhang enthalten, heißt
Licht und Ordnung über dieselbe ausbreiten,
oder die Sache ins Licht setzen.

§. 28. Da demnach die Seiten der Sachen hier
die Verhältnisse sind, die sie zu andern Sachen hat, so
ist klar, daß jeder einzelne Gesichtspunkt dieselbe auch
nur vermittelst der dazu gehörigen Verhältnisse, und
folglich weder durchaus, noch unmittelbar, wie sie an
sich ist, kenntlich macht, und daher nur die scheinbare
Gestalt derselben zeigt. So sagt man z. E. die Sa-
che von dieser Seite betrachtet, kömmt mir so
vor, daß
etc. Denn allerdings ändert sich die Ge-
stalt, wenn man sie von andern Seiten betrachtet, und
von einer Seite allein läßt sich nicht immer die Sache,
wie sie an sich ist, vollständig erkennen.

§. 29. Die Verhältnisse zwischen der Sache, die
man sich vorstellt, und demjenigen, der sie sich vorstellt,
tragen ebenfalls viel zu dem Bilde oder Begriffe bey,
den er sich davon macht. Der Unterschied, ob sie ihm
neu, oder schon bekannt sey; ob er daran Antheil neh-
me, oder ob sie ihm gleichgültig vorkomme; ob er in sol-
chen Sachen schon Uebung habe, oder darinn noch un-
erfahren sey; ob er mit voreingenommenem oder ruhi-
gem Gemüthe sie betrachte etc. alles dieses ändert an

der
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Von den Arten des Scheins.
betrachten, will ſagen, auf die Urſachen, Mittel, Hin-
derniſſe, Umſtaͤnde, Schwierigkeiten, Folgen ꝛc. ſehen,
und alles durchgehen, was damit in Verbindung ſteht,
davon abhaͤngt ꝛc. Jn ſo vielerley Abſichten eine Sa-
che betrachtet werden kann, ſo viele einzelne Geſichts-
punkte
hat ſie auch. Und die Redensart, eine Sa-
che naͤher betrachten,
zeigt ebenfalls an, daß man
zwiſchen dem Geſichtspunkt und der Sache ſich einen
Abſtand gedenkt, welcher deſto kleiner iſt, je genauer
und umſtaͤndlicher die Sache in allen Theilen betrachtet
wird. Umſtaͤnde bemerken und anzeigen, die die Sa-
che aufklaͤren und ihren Zuſammenhang enthalten, heißt
Licht und Ordnung uͤber dieſelbe ausbreiten,
oder die Sache ins Licht ſetzen.

§. 28. Da demnach die Seiten der Sachen hier
die Verhaͤltniſſe ſind, die ſie zu andern Sachen hat, ſo
iſt klar, daß jeder einzelne Geſichtspunkt dieſelbe auch
nur vermittelſt der dazu gehoͤrigen Verhaͤltniſſe, und
folglich weder durchaus, noch unmittelbar, wie ſie an
ſich iſt, kenntlich macht, und daher nur die ſcheinbare
Geſtalt derſelben zeigt. So ſagt man z. E. die Sa-
che von dieſer Seite betrachtet, koͤmmt mir ſo
vor, daß
ꝛc. Denn allerdings aͤndert ſich die Ge-
ſtalt, wenn man ſie von andern Seiten betrachtet, und
von einer Seite allein laͤßt ſich nicht immer die Sache,
wie ſie an ſich iſt, vollſtaͤndig erkennen.

§. 29. Die Verhaͤltniſſe zwiſchen der Sache, die
man ſich vorſtellt, und demjenigen, der ſie ſich vorſtellt,
tragen ebenfalls viel zu dem Bilde oder Begriffe bey,
den er ſich davon macht. Der Unterſchied, ob ſie ihm
neu, oder ſchon bekannt ſey; ob er daran Antheil neh-
me, oder ob ſie ihm gleichguͤltig vorkomme; ob er in ſol-
chen Sachen ſchon Uebung habe, oder darinn noch un-
erfahren ſey; ob er mit voreingenommenem oder ruhi-
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[233/0239] Von den Arten des Scheins. betrachten, will ſagen, auf die Urſachen, Mittel, Hin- derniſſe, Umſtaͤnde, Schwierigkeiten, Folgen ꝛc. ſehen, und alles durchgehen, was damit in Verbindung ſteht, davon abhaͤngt ꝛc. Jn ſo vielerley Abſichten eine Sa- che betrachtet werden kann, ſo viele einzelne Geſichts- punkte hat ſie auch. Und die Redensart, eine Sa- che naͤher betrachten, zeigt ebenfalls an, daß man zwiſchen dem Geſichtspunkt und der Sache ſich einen Abſtand gedenkt, welcher deſto kleiner iſt, je genauer und umſtaͤndlicher die Sache in allen Theilen betrachtet wird. Umſtaͤnde bemerken und anzeigen, die die Sa- che aufklaͤren und ihren Zuſammenhang enthalten, heißt Licht und Ordnung uͤber dieſelbe ausbreiten, oder die Sache ins Licht ſetzen. §. 28. Da demnach die Seiten der Sachen hier die Verhaͤltniſſe ſind, die ſie zu andern Sachen hat, ſo iſt klar, daß jeder einzelne Geſichtspunkt dieſelbe auch nur vermittelſt der dazu gehoͤrigen Verhaͤltniſſe, und folglich weder durchaus, noch unmittelbar, wie ſie an ſich iſt, kenntlich macht, und daher nur die ſcheinbare Geſtalt derſelben zeigt. So ſagt man z. E. die Sa- che von dieſer Seite betrachtet, koͤmmt mir ſo vor, daß ꝛc. Denn allerdings aͤndert ſich die Ge- ſtalt, wenn man ſie von andern Seiten betrachtet, und von einer Seite allein laͤßt ſich nicht immer die Sache, wie ſie an ſich iſt, vollſtaͤndig erkennen. §. 29. Die Verhaͤltniſſe zwiſchen der Sache, die man ſich vorſtellt, und demjenigen, der ſie ſich vorſtellt, tragen ebenfalls viel zu dem Bilde oder Begriffe bey, den er ſich davon macht. Der Unterſchied, ob ſie ihm neu, oder ſchon bekannt ſey; ob er daran Antheil neh- me, oder ob ſie ihm gleichguͤltig vorkomme; ob er in ſol- chen Sachen ſchon Uebung habe, oder darinn noch un- erfahren ſey; ob er mit voreingenommenem oder ruhi- gem Gemuͤthe ſie betrachte ꝛc. alles dieſes aͤndert an der P 5

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/239>, abgerufen am 23.11.2024.