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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück.
terkeit im Munde in den Geschmack der Speisen, die
man kostet, und die innere Wärme des Leibes in die
Empfindung der äußern. So ist es auch möglich, daß,
wenn währendem Traum die Glocke läutet, oder ein
ander Geräusch entsteht, die Empfindung desselben sich
in den Traum einmengt.

§. 21. Was die Jdealisten sich in Ansehung der
Sinnen und der ganzen Körperwelt für eine besondere
Art des Scheins vorstellen, haben wir bereits (§. 9.)
angezeigt, und denselben den idealistischen Schein ge-
nennt. Da derselbe mit jeden anderen Arten des Scheins
nichts gemein hat, sondern für sich zu betrachten ist, so
wenden wir uns zu dem Gedankenreiche, und werden
überhaupt jede Bilder der Einbildungskraft, so fern sie
nämlich in Ansehung der oben (§. 16.) angezeigten Er-
fordernisse nicht geprüft noch geläutert sind, unter dem
Namen des psychologischen Scheins begreifen.
Jns besondere aber sind sie unter dem Namen von
Chimären oder Hirngespinster begriffen, wenn nichts
wahres noch reales dabey zum Grunde liegt, so daß
demnach in dem psychologischen Scheine ein ähnlicher
Unterschied anzutreffen, wie der, so zwischen dem phy-
sischen und pathologischen in Ansehung der äußern
Sinnen statt findet, weil Hirngespinster fast immer
Wirkungen einer in so ferne kranken, schwachen oder
ungebändigten Einbildungskraft sind.

§. 22. Den Schein, der von den Leidenschaften her-
rührt, können wir überhaupt den moralischen Schein
nennen, weil der Wille und die Affecten der Gegen-
stand der Moral sind, und die Begriffe des Guten und
Bösen immer dabey mit unterlaufen. Dieser Schein
mengt sich in die vorhergehenden Arten so mit ein, daß
die Leidenschaften den Gesichtspunkt und die Seiten
der Sachen bestimmen, die wir uns ehender, leichter

und

I. Hauptſtuͤck.
terkeit im Munde in den Geſchmack der Speiſen, die
man koſtet, und die innere Waͤrme des Leibes in die
Empfindung der aͤußern. So iſt es auch moͤglich, daß,
wenn waͤhrendem Traum die Glocke laͤutet, oder ein
ander Geraͤuſch entſteht, die Empfindung deſſelben ſich
in den Traum einmengt.

§. 21. Was die Jdealiſten ſich in Anſehung der
Sinnen und der ganzen Koͤrperwelt fuͤr eine beſondere
Art des Scheins vorſtellen, haben wir bereits (§. 9.)
angezeigt, und denſelben den idealiſtiſchen Schein ge-
nennt. Da derſelbe mit jeden anderen Arten des Scheins
nichts gemein hat, ſondern fuͤr ſich zu betrachten iſt, ſo
wenden wir uns zu dem Gedankenreiche, und werden
uͤberhaupt jede Bilder der Einbildungskraft, ſo fern ſie
naͤmlich in Anſehung der oben (§. 16.) angezeigten Er-
forderniſſe nicht gepruͤft noch gelaͤutert ſind, unter dem
Namen des pſychologiſchen Scheins begreifen.
Jns beſondere aber ſind ſie unter dem Namen von
Chimaͤren oder Hirngeſpinſter begriffen, wenn nichts
wahres noch reales dabey zum Grunde liegt, ſo daß
demnach in dem pſychologiſchen Scheine ein aͤhnlicher
Unterſchied anzutreffen, wie der, ſo zwiſchen dem phy-
ſiſchen und pathologiſchen in Anſehung der aͤußern
Sinnen ſtatt findet, weil Hirngeſpinſter faſt immer
Wirkungen einer in ſo ferne kranken, ſchwachen oder
ungebaͤndigten Einbildungskraft ſind.

§. 22. Den Schein, der von den Leidenſchaften her-
ruͤhrt, koͤnnen wir uͤberhaupt den moraliſchen Schein
nennen, weil der Wille und die Affecten der Gegen-
ſtand der Moral ſind, und die Begriffe des Guten und
Boͤſen immer dabey mit unterlaufen. Dieſer Schein
mengt ſich in die vorhergehenden Arten ſo mit ein, daß
die Leidenſchaften den Geſichtspunkt und die Seiten
der Sachen beſtimmen, die wir uns ehender, leichter

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[230/0236] I. Hauptſtuͤck. terkeit im Munde in den Geſchmack der Speiſen, die man koſtet, und die innere Waͤrme des Leibes in die Empfindung der aͤußern. So iſt es auch moͤglich, daß, wenn waͤhrendem Traum die Glocke laͤutet, oder ein ander Geraͤuſch entſteht, die Empfindung deſſelben ſich in den Traum einmengt. §. 21. Was die Jdealiſten ſich in Anſehung der Sinnen und der ganzen Koͤrperwelt fuͤr eine beſondere Art des Scheins vorſtellen, haben wir bereits (§. 9.) angezeigt, und denſelben den idealiſtiſchen Schein ge- nennt. Da derſelbe mit jeden anderen Arten des Scheins nichts gemein hat, ſondern fuͤr ſich zu betrachten iſt, ſo wenden wir uns zu dem Gedankenreiche, und werden uͤberhaupt jede Bilder der Einbildungskraft, ſo fern ſie naͤmlich in Anſehung der oben (§. 16.) angezeigten Er- forderniſſe nicht gepruͤft noch gelaͤutert ſind, unter dem Namen des pſychologiſchen Scheins begreifen. Jns beſondere aber ſind ſie unter dem Namen von Chimaͤren oder Hirngeſpinſter begriffen, wenn nichts wahres noch reales dabey zum Grunde liegt, ſo daß demnach in dem pſychologiſchen Scheine ein aͤhnlicher Unterſchied anzutreffen, wie der, ſo zwiſchen dem phy- ſiſchen und pathologiſchen in Anſehung der aͤußern Sinnen ſtatt findet, weil Hirngeſpinſter faſt immer Wirkungen einer in ſo ferne kranken, ſchwachen oder ungebaͤndigten Einbildungskraft ſind. §. 22. Den Schein, der von den Leidenſchaften her- ruͤhrt, koͤnnen wir uͤberhaupt den moraliſchen Schein nennen, weil der Wille und die Affecten der Gegen- ſtand der Moral ſind, und die Begriffe des Guten und Boͤſen immer dabey mit unterlaufen. Dieſer Schein mengt ſich in die vorhergehenden Arten ſo mit ein, daß die Leidenſchaften den Geſichtspunkt und die Seiten der Sachen beſtimmen, die wir uns ehender, leichter und

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/236>, abgerufen am 23.11.2024.