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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von den unveränderlichen Redetheilen.

§. 220. Jn so ferne die Sprache als en Behält-
niß der Wahrheiten, und als ein Mittel zu ihrer Ent-
deckung angesehen wird, kommen die Zwischenwörter
wenig oder gar nicht in Betrachtung. Die Untersu-
chung der Wahrheit fordert eine Stille des Gemüthes,
welche bey Affecten nicht statt findet, und selbst die Lie-
be zur Wahrheit muß in so weit gemäßigt seyn, daß
man dabey die Möglichkeit zu irren nicht vergesse. Die
Figuren der Redener bleiben dabey mit der Jnterje-
ctionen weg, weil die Wahrheit für den, der sie sucht,
ohne solche Nebenzierrathen am kenntlichsten und schön-
sten ist. Man wird daher in geometrischen Schriften,
dergleichen die Euclidischen sind, von solchen Ausdrük-
ken nichts finden, und Pythagoras und Archimedes, so
sehr sie ihre Entdeckungen in der Meßkunst freueten,
haben sie dessen uneracht in ihrer einfachen Gestalt
nicht als etwas Erfreuliches, sondern als Wahrheit
vorgetragen. Hingegen wird in andern Wissenschaf-
ten sehr oft das, was an dem Vollständigen der Wahr-
heit und an ihren Beweisen fehlt, durch rednerische Fi-
guren, durch Affecten und Anathemata ersetzt.

§. 221. Da die Jnterjectionen theils Wirkungen,
theils Ausdrücke der Affecten sind, so haben sie unstrei-
tig auch ihre Grade. Diese aber werden mehr in der
Aussprache und den damit verbundenen Geberden als
in den Worten angezeigt. Die Wiederholung der
Jnterjection wird am natürlichsten und gewöhnlichsten
dazu gebraucht, weil sie theils die Stärke, theils das
Anhalten des Affectes anzeigt, und auch größtentheils
eine Wirkung davon ist. Man hat daher in den wirk-
lichen Sprachen keinen Comparatiuum oder Superla-
tiuum
für die Jnterjectionen, die nicht von abgeleiteter
Bedeutung sind; hingegen kommen die denselben bey-
gefügten Beywörter desto häufiger im Superlatiuo zu

stehen,
J 2
Von den unveraͤnderlichen Redetheilen.

§. 220. Jn ſo ferne die Sprache als en Behaͤlt-
niß der Wahrheiten, und als ein Mittel zu ihrer Ent-
deckung angeſehen wird, kommen die Zwiſchenwoͤrter
wenig oder gar nicht in Betrachtung. Die Unterſu-
chung der Wahrheit fordert eine Stille des Gemuͤthes,
welche bey Affecten nicht ſtatt findet, und ſelbſt die Lie-
be zur Wahrheit muß in ſo weit gemaͤßigt ſeyn, daß
man dabey die Moͤglichkeit zu irren nicht vergeſſe. Die
Figuren der Redener bleiben dabey mit der Jnterje-
ctionen weg, weil die Wahrheit fuͤr den, der ſie ſucht,
ohne ſolche Nebenzierrathen am kenntlichſten und ſchoͤn-
ſten iſt. Man wird daher in geometriſchen Schriften,
dergleichen die Euclidiſchen ſind, von ſolchen Ausdruͤk-
ken nichts finden, und Pythagoras und Archimedes, ſo
ſehr ſie ihre Entdeckungen in der Meßkunſt freueten,
haben ſie deſſen uneracht in ihrer einfachen Geſtalt
nicht als etwas Erfreuliches, ſondern als Wahrheit
vorgetragen. Hingegen wird in andern Wiſſenſchaf-
ten ſehr oft das, was an dem Vollſtaͤndigen der Wahr-
heit und an ihren Beweiſen fehlt, durch redneriſche Fi-
guren, durch Affecten und Anathemata erſetzt.

§. 221. Da die Jnterjectionen theils Wirkungen,
theils Ausdruͤcke der Affecten ſind, ſo haben ſie unſtrei-
tig auch ihre Grade. Dieſe aber werden mehr in der
Ausſprache und den damit verbundenen Geberden als
in den Worten angezeigt. Die Wiederholung der
Jnterjection wird am natuͤrlichſten und gewoͤhnlichſten
dazu gebraucht, weil ſie theils die Staͤrke, theils das
Anhalten des Affectes anzeigt, und auch groͤßtentheils
eine Wirkung davon iſt. Man hat daher in den wirk-
lichen Sprachen keinen Comparatiuum oder Superla-
tiuum
fuͤr die Jnterjectionen, die nicht von abgeleiteter
Bedeutung ſind; hingegen kommen die denſelben bey-
gefuͤgten Beywoͤrter deſto haͤufiger im Superlatiuo zu

ſtehen,
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[131/0137] Von den unveraͤnderlichen Redetheilen. §. 220. Jn ſo ferne die Sprache als en Behaͤlt- niß der Wahrheiten, und als ein Mittel zu ihrer Ent- deckung angeſehen wird, kommen die Zwiſchenwoͤrter wenig oder gar nicht in Betrachtung. Die Unterſu- chung der Wahrheit fordert eine Stille des Gemuͤthes, welche bey Affecten nicht ſtatt findet, und ſelbſt die Lie- be zur Wahrheit muß in ſo weit gemaͤßigt ſeyn, daß man dabey die Moͤglichkeit zu irren nicht vergeſſe. Die Figuren der Redener bleiben dabey mit der Jnterje- ctionen weg, weil die Wahrheit fuͤr den, der ſie ſucht, ohne ſolche Nebenzierrathen am kenntlichſten und ſchoͤn- ſten iſt. Man wird daher in geometriſchen Schriften, dergleichen die Euclidiſchen ſind, von ſolchen Ausdruͤk- ken nichts finden, und Pythagoras und Archimedes, ſo ſehr ſie ihre Entdeckungen in der Meßkunſt freueten, haben ſie deſſen uneracht in ihrer einfachen Geſtalt nicht als etwas Erfreuliches, ſondern als Wahrheit vorgetragen. Hingegen wird in andern Wiſſenſchaf- ten ſehr oft das, was an dem Vollſtaͤndigen der Wahr- heit und an ihren Beweiſen fehlt, durch redneriſche Fi- guren, durch Affecten und Anathemata erſetzt. §. 221. Da die Jnterjectionen theils Wirkungen, theils Ausdruͤcke der Affecten ſind, ſo haben ſie unſtrei- tig auch ihre Grade. Dieſe aber werden mehr in der Ausſprache und den damit verbundenen Geberden als in den Worten angezeigt. Die Wiederholung der Jnterjection wird am natuͤrlichſten und gewoͤhnlichſten dazu gebraucht, weil ſie theils die Staͤrke, theils das Anhalten des Affectes anzeigt, und auch groͤßtentheils eine Wirkung davon iſt. Man hat daher in den wirk- lichen Sprachen keinen Comparatiuum oder Superla- tiuum fuͤr die Jnterjectionen, die nicht von abgeleiteter Bedeutung ſind; hingegen kommen die denſelben bey- gefuͤgten Beywoͤrter deſto haͤufiger im Superlatiuo zu ſtehen, J 2

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/137>, abgerufen am 28.11.2024.