überhaupt die Wörter als Abkürzungen weitläuftiger Vorstellungen gebrauchen, so wird auch dazu, daß wir den einzeln Dingen Namen geben, weiter nichts erfor- dert, als daß es im Reden ost vorkomme. Auf diese Art haben in Städten jede Gassen, Plätze, Gegenden etc. ihre eigene Namen,nomina propria.
§. 177. Die Nennwörter sind in den Sprachen nicht ohne Abänderungen geblieben, wodurch man die besondern Umstände und Bestimmungen der dadurch vorgestellten Dinge ausdrückt. Jndessen haben sie un- gleich weniger, als die Zeitwörter, weil die Dinge und ihre Eigenschaften nur theils als für sich, theils in gewissen Verhältnissen betrachtet werden. Da man sie als fortdaurend ansieht, so fällt die Bestimmung der Zeit weg, welche sich bey dem Begriff der Hand- lungen immer mit einmengt. Aus gleichem Grunde bleibt auch die Bestimmung des Thuns und Leidens weg, weil man die Dinge gleichsam als im Behar- rungsstande betrachtet, und das, so man mit denselben vornimmt, in das Zeitwort und dessen Nebenbestim- mungen einschiebt. Hingegen bleibt die Zahl, und zwar um desto nothwendiger, weil sie das Unterschei- dungsstück der Hauptwörter ist (§. 176.), und seldst die Zeitwörter die Bestimmung der Zahl daher ent- lehnen.
§. 178. Es sind aber in den Sprachen die Casus oder Fallendungen bey den Nennwörtern eingeführt worden, die, überhaupt betrachtet, etwas Metaphysi- sches an sich haben, jedoch nicht so, daß nicht viel Will- kührliches zugleich mit unterliese. So viel sieht man wohl, daß diese Fallendungen die Dinge in gewissen Verhältnissen vorstellen, und folglich diese Verhältnisse anzeigen und unterscheiden sollten. Und dieses erhellet auch aus den Fragen: Wer? Wessen? Wem? Wen? etc. auf welche man in den vier ersten Fallen-
dungen
V. Hauptſtuͤck.
uͤberhaupt die Woͤrter als Abkuͤrzungen weitlaͤuftiger Vorſtellungen gebrauchen, ſo wird auch dazu, daß wir den einzeln Dingen Namen geben, weiter nichts erfor- dert, als daß es im Reden oſt vorkomme. Auf dieſe Art haben in Staͤdten jede Gaſſen, Plaͤtze, Gegenden ꝛc. ihre eigene Namen,nomina propria.
§. 177. Die Nennwoͤrter ſind in den Sprachen nicht ohne Abaͤnderungen geblieben, wodurch man die beſondern Umſtaͤnde und Beſtimmungen der dadurch vorgeſtellten Dinge ausdruͤckt. Jndeſſen haben ſie un- gleich weniger, als die Zeitwoͤrter, weil die Dinge und ihre Eigenſchaften nur theils als fuͤr ſich, theils in gewiſſen Verhaͤltniſſen betrachtet werden. Da man ſie als fortdaurend anſieht, ſo faͤllt die Beſtimmung der Zeit weg, welche ſich bey dem Begriff der Hand- lungen immer mit einmengt. Aus gleichem Grunde bleibt auch die Beſtimmung des Thuns und Leidens weg, weil man die Dinge gleichſam als im Behar- rungsſtande betrachtet, und das, ſo man mit denſelben vornimmt, in das Zeitwort und deſſen Nebenbeſtim- mungen einſchiebt. Hingegen bleibt die Zahl, und zwar um deſto nothwendiger, weil ſie das Unterſchei- dungsſtuͤck der Hauptwoͤrter iſt (§. 176.), und ſeldſt die Zeitwoͤrter die Beſtimmung der Zahl daher ent- lehnen.
§. 178. Es ſind aber in den Sprachen die Caſus oder Fallendungen bey den Nennwoͤrtern eingefuͤhrt worden, die, uͤberhaupt betrachtet, etwas Metaphyſi- ſches an ſich haben, jedoch nicht ſo, daß nicht viel Will- kuͤhrliches zugleich mit unterlieſe. So viel ſieht man wohl, daß dieſe Fallendungen die Dinge in gewiſſen Verhaͤltniſſen vorſtellen, und folglich dieſe Verhaͤltniſſe anzeigen und unterſcheiden ſollten. Und dieſes erhellet auch aus den Fragen: Wer? Weſſen? Wem? Wen? ꝛc. auf welche man in den vier erſten Fallen-
dungen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0110"n="104"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">V.</hi> Hauptſtuͤck.</hi></fw><lb/>
uͤberhaupt die Woͤrter als Abkuͤrzungen weitlaͤuftiger<lb/>
Vorſtellungen gebrauchen, ſo wird auch dazu, daß wir<lb/>
den einzeln Dingen Namen geben, weiter nichts erfor-<lb/>
dert, als daß es im Reden oſt vorkomme. Auf dieſe<lb/>
Art haben in Staͤdten jede Gaſſen, Plaͤtze, Gegenden ꝛc.<lb/>
ihre <hirendition="#fr">eigene Namen,</hi><hirendition="#aq">nomina propria.</hi></p><lb/><p>§. 177. Die Nennwoͤrter ſind in den Sprachen<lb/>
nicht ohne Abaͤnderungen geblieben, wodurch man die<lb/>
beſondern Umſtaͤnde und Beſtimmungen der dadurch<lb/>
vorgeſtellten Dinge ausdruͤckt. Jndeſſen haben ſie un-<lb/>
gleich weniger, als die Zeitwoͤrter, weil die <hirendition="#fr">Dinge</hi> und<lb/>
ihre <hirendition="#fr">Eigenſchaften</hi> nur theils als <hirendition="#fr">fuͤr ſich,</hi> theils in<lb/>
gewiſſen <hirendition="#fr">Verhaͤltniſſen</hi> betrachtet werden. Da man<lb/>ſie als fortdaurend anſieht, ſo faͤllt die Beſtimmung<lb/>
der <hirendition="#fr">Zeit</hi> weg, welche ſich bey dem Begriff der Hand-<lb/>
lungen immer mit einmengt. Aus gleichem Grunde<lb/>
bleibt auch die Beſtimmung des <hirendition="#fr">Thuns</hi> und <hirendition="#fr">Leidens</hi><lb/>
weg, weil man die Dinge gleichſam als im Behar-<lb/>
rungsſtande betrachtet, und das, ſo man mit denſelben<lb/>
vornimmt, in das Zeitwort und deſſen Nebenbeſtim-<lb/>
mungen einſchiebt. Hingegen bleibt die <hirendition="#fr">Zahl,</hi> und<lb/>
zwar um deſto nothwendiger, weil ſie das Unterſchei-<lb/>
dungsſtuͤck der Hauptwoͤrter iſt (§. 176.), und ſeldſt<lb/>
die Zeitwoͤrter die Beſtimmung der Zahl daher ent-<lb/>
lehnen.</p><lb/><p>§. 178. Es ſind aber in den Sprachen die <hirendition="#aq">Caſus</hi><lb/>
oder <hirendition="#fr">Fallendungen</hi> bey den Nennwoͤrtern eingefuͤhrt<lb/>
worden, die, uͤberhaupt betrachtet, etwas Metaphyſi-<lb/>ſches an ſich haben, jedoch nicht ſo, daß nicht viel Will-<lb/>
kuͤhrliches zugleich mit unterlieſe. So viel ſieht man<lb/>
wohl, daß dieſe Fallendungen die Dinge in gewiſſen<lb/>
Verhaͤltniſſen vorſtellen, und folglich dieſe Verhaͤltniſſe<lb/>
anzeigen und unterſcheiden ſollten. Und dieſes erhellet<lb/>
auch aus den Fragen: <hirendition="#fr">Wer? Weſſen? Wem?<lb/>
Wen?</hi>ꝛc. auf welche man in den vier erſten Fallen-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dungen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[104/0110]
V. Hauptſtuͤck.
uͤberhaupt die Woͤrter als Abkuͤrzungen weitlaͤuftiger
Vorſtellungen gebrauchen, ſo wird auch dazu, daß wir
den einzeln Dingen Namen geben, weiter nichts erfor-
dert, als daß es im Reden oſt vorkomme. Auf dieſe
Art haben in Staͤdten jede Gaſſen, Plaͤtze, Gegenden ꝛc.
ihre eigene Namen, nomina propria.
§. 177. Die Nennwoͤrter ſind in den Sprachen
nicht ohne Abaͤnderungen geblieben, wodurch man die
beſondern Umſtaͤnde und Beſtimmungen der dadurch
vorgeſtellten Dinge ausdruͤckt. Jndeſſen haben ſie un-
gleich weniger, als die Zeitwoͤrter, weil die Dinge und
ihre Eigenſchaften nur theils als fuͤr ſich, theils in
gewiſſen Verhaͤltniſſen betrachtet werden. Da man
ſie als fortdaurend anſieht, ſo faͤllt die Beſtimmung
der Zeit weg, welche ſich bey dem Begriff der Hand-
lungen immer mit einmengt. Aus gleichem Grunde
bleibt auch die Beſtimmung des Thuns und Leidens
weg, weil man die Dinge gleichſam als im Behar-
rungsſtande betrachtet, und das, ſo man mit denſelben
vornimmt, in das Zeitwort und deſſen Nebenbeſtim-
mungen einſchiebt. Hingegen bleibt die Zahl, und
zwar um deſto nothwendiger, weil ſie das Unterſchei-
dungsſtuͤck der Hauptwoͤrter iſt (§. 176.), und ſeldſt
die Zeitwoͤrter die Beſtimmung der Zahl daher ent-
lehnen.
§. 178. Es ſind aber in den Sprachen die Caſus
oder Fallendungen bey den Nennwoͤrtern eingefuͤhrt
worden, die, uͤberhaupt betrachtet, etwas Metaphyſi-
ſches an ſich haben, jedoch nicht ſo, daß nicht viel Will-
kuͤhrliches zugleich mit unterlieſe. So viel ſieht man
wohl, daß dieſe Fallendungen die Dinge in gewiſſen
Verhaͤltniſſen vorſtellen, und folglich dieſe Verhaͤltniſſe
anzeigen und unterſcheiden ſollten. Und dieſes erhellet
auch aus den Fragen: Wer? Weſſen? Wem?
Wen? ꝛc. auf welche man in den vier erſten Fallen-
dungen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/110>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.