Der Gegner eines wahren Satzes kann sein Läugnen immer so einrichten, daß er Gründe läugnet, und dadurch bleiben die Folgen da- hin gestellt. Denn 1) will man ihm den Satz durch Schlußreden beweisen, so ist es für sich klar, daß er die Vordersätze und demnach die Gründe läugnen wird, dafern er auf dem Läugnen beharret. 2) Will man aber aus dem Gegentheil des geläugneten Satzes herleiten, daß dadurch andre wahre Sätze müßten umgestoßen werden, (§. 171.) so gebraucht man eben- falls Gründe dazu. Werden demnach diese von dem Gegner geläugnet, so bleibt die Folge, daß nämlich wahre Sätze umgestoßen würden, dahin gestellt, weil er die Gründe, woraus sie fließen würden, nicht einräumt.
§. 261.
Giebt aber der Gegner im letzten Fall die Grün- de zu, und beharret dennoch auf dem Läugnen des ersten Satzes, so ist für sich klar, daß er auch zuge- ben muß, die Sätze, die man durch die Folgen um- stößt, werden dadurch umgestoßen, und läugnet sie folglich ebenfalls. Man sieht demnach hieraus, daß der Gegner eines wahren Satzes in allen drey Fällen noch andre wahre Sätze läugnen müsse, wenn er bey dem Läugnen des ersten beharren will.
§. 262.
Wer einen solchen Geist des Widerspre- chens hat, daß er keinen wahren Satz will wahr seyn lassen, kann immer dahin gebracht werden, daß er sich selbst widerlegt. Man brin- ge einen wahren Satz vor, z. E. AistB, so wird er zufolge der Bedingung behaupten, A sey nicht B. Man nehme ferner ein Mittelglied C, welches weder dem A noch dem B zukomme, (§. 200.) so wird C
nicht
IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
§. 260.
Der Gegner eines wahren Satzes kann ſein Laͤugnen immer ſo einrichten, daß er Gruͤnde laͤugnet, und dadurch bleiben die Folgen da- hin geſtellt. Denn 1) will man ihm den Satz durch Schlußreden beweiſen, ſo iſt es fuͤr ſich klar, daß er die Vorderſaͤtze und demnach die Gruͤnde laͤugnen wird, dafern er auf dem Laͤugnen beharret. 2) Will man aber aus dem Gegentheil des gelaͤugneten Satzes herleiten, daß dadurch andre wahre Saͤtze muͤßten umgeſtoßen werden, (§. 171.) ſo gebraucht man eben- falls Gruͤnde dazu. Werden demnach dieſe von dem Gegner gelaͤugnet, ſo bleibt die Folge, daß naͤmlich wahre Saͤtze umgeſtoßen wuͤrden, dahin geſtellt, weil er die Gruͤnde, woraus ſie fließen wuͤrden, nicht einraͤumt.
§. 261.
Giebt aber der Gegner im letzten Fall die Gruͤn- de zu, und beharret dennoch auf dem Laͤugnen des erſten Satzes, ſo iſt fuͤr ſich klar, daß er auch zuge- ben muß, die Saͤtze, die man durch die Folgen um- ſtoͤßt, werden dadurch umgeſtoßen, und laͤugnet ſie folglich ebenfalls. Man ſieht demnach hieraus, daß der Gegner eines wahren Satzes in allen drey Faͤllen noch andre wahre Saͤtze laͤugnen muͤſſe, wenn er bey dem Laͤugnen des erſten beharren will.
§. 262.
Wer einen ſolchen Geiſt des Widerſpre- chens hat, daß er keinen wahren Satz will wahr ſeyn laſſen, kann immer dahin gebracht werden, daß er ſich ſelbſt widerlegt. Man brin- ge einen wahren Satz vor, z. E. AiſtB, ſo wird er zufolge der Bedingung behaupten, A ſey nicht B. Man nehme ferner ein Mittelglied C, welches weder dem A noch dem B zukomme, (§. 200.) ſo wird C
nicht
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IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
§. 260.
Der Gegner eines wahren Satzes kann ſein
Laͤugnen immer ſo einrichten, daß er Gruͤnde
laͤugnet, und dadurch bleiben die Folgen da-
hin geſtellt. Denn 1) will man ihm den Satz durch
Schlußreden beweiſen, ſo iſt es fuͤr ſich klar, daß er
die Vorderſaͤtze und demnach die Gruͤnde laͤugnen
wird, dafern er auf dem Laͤugnen beharret. 2) Will
man aber aus dem Gegentheil des gelaͤugneten Satzes
herleiten, daß dadurch andre wahre Saͤtze muͤßten
umgeſtoßen werden, (§. 171.) ſo gebraucht man eben-
falls Gruͤnde dazu. Werden demnach dieſe von dem
Gegner gelaͤugnet, ſo bleibt die Folge, daß naͤmlich
wahre Saͤtze umgeſtoßen wuͤrden, dahin geſtellt, weil
er die Gruͤnde, woraus ſie fließen wuͤrden, nicht
einraͤumt.
§. 261.
Giebt aber der Gegner im letzten Fall die Gruͤn-
de zu, und beharret dennoch auf dem Laͤugnen des
erſten Satzes, ſo iſt fuͤr ſich klar, daß er auch zuge-
ben muß, die Saͤtze, die man durch die Folgen um-
ſtoͤßt, werden dadurch umgeſtoßen, und laͤugnet ſie
folglich ebenfalls. Man ſieht demnach hieraus, daß
der Gegner eines wahren Satzes in allen drey Faͤllen
noch andre wahre Saͤtze laͤugnen muͤſſe, wenn er bey
dem Laͤugnen des erſten beharren will.
§. 262.
Wer einen ſolchen Geiſt des Widerſpre-
chens hat, daß er keinen wahren Satz will
wahr ſeyn laſſen, kann immer dahin gebracht
werden, daß er ſich ſelbſt widerlegt. Man brin-
ge einen wahren Satz vor, z. E. A iſt B, ſo wird
er zufolge der Bedingung behaupten, A ſey nicht B.
Man nehme ferner ein Mittelglied C, welches weder
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/608>, abgerufen am 23.11.2024.
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