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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück,
§. 58.

Jn Ansehung dieser haben wir noch anzumerken,
daß, da man zu jeden höhern Gattungen, worunter die
Sache gehört, so viele Bestimmungen hinzusetzen
kann, bis sie den Begriff erschöpfen, den man erklä-
ren will, daß man, sage ich, auf diese Art allerdings
mehrere Erklärungen von einer gleichen Sache machen
kann. Es sind nämlich so viele möglich, auf so viele
Arten man alle Merkmaale der Sache, und zwar ohne
Rücksicht auf die gemeinsamen und eigenen, in Theile
zerfallen, und die für jeden Theil zusammengenom-
menen durch Worte ausdrücken kann. Denn man
sieht leicht, daß es damit nur so weit reicht, als die
Sprache zureichend ist, solche Worte herzugeben,
welche zusammengenommen den Umfang des Be-
griffes bestimmen. Wenn man demnach von einerley
Sache verschiedene Erklärungen in Büchern findet,
so sind sie nicht bloß deswegen zu verwerfen, weil sie
verschieden sind; sondern es kömmt darauf an, ob sie
den wahren Umfang des Begriffes angeben oder nicht.
Jndessen wenn auch alle richtig sind, so kann dennoch
eine der andern vorgezogen werden, wenn man sie zu
besondern Absichten gebrauchen will Denn so kann
z. E. die eine viel unmittelbarer zu dem Beweise eines
Satzes, die andre unmittelbarer zur Ausübung füh-
ren, oder zum Beweise eines andern Satzes bessere
Dienste thun.

§. 59.

Die bisher betrachteten Erklärungen enthalten
noch immer die innern Merkmaale der Sache, und
taugen folglich, in soferne wir im Stande sind, die-
selben einzusehen, und durch Worte auszudrücken. So
weit reicht aber unsre Einsicht nicht allezeit, und viel-
leicht in den wenigsten Fällen. Wir sind daher längst

schon
I. Hauptſtuͤck,
§. 58.

Jn Anſehung dieſer haben wir noch anzumerken,
daß, da man zu jeden hoͤhern Gattungen, worunter die
Sache gehoͤrt, ſo viele Beſtimmungen hinzuſetzen
kann, bis ſie den Begriff erſchoͤpfen, den man erklaͤ-
ren will, daß man, ſage ich, auf dieſe Art allerdings
mehrere Erklaͤrungen von einer gleichen Sache machen
kann. Es ſind naͤmlich ſo viele moͤglich, auf ſo viele
Arten man alle Merkmaale der Sache, und zwar ohne
Ruͤckſicht auf die gemeinſamen und eigenen, in Theile
zerfallen, und die fuͤr jeden Theil zuſammengenom-
menen durch Worte ausdruͤcken kann. Denn man
ſieht leicht, daß es damit nur ſo weit reicht, als die
Sprache zureichend iſt, ſolche Worte herzugeben,
welche zuſammengenommen den Umfang des Be-
griffes beſtimmen. Wenn man demnach von einerley
Sache verſchiedene Erklaͤrungen in Buͤchern findet,
ſo ſind ſie nicht bloß deswegen zu verwerfen, weil ſie
verſchieden ſind; ſondern es koͤmmt darauf an, ob ſie
den wahren Umfang des Begriffes angeben oder nicht.
Jndeſſen wenn auch alle richtig ſind, ſo kann dennoch
eine der andern vorgezogen werden, wenn man ſie zu
beſondern Abſichten gebrauchen will Denn ſo kann
z. E. die eine viel unmittelbarer zu dem Beweiſe eines
Satzes, die andre unmittelbarer zur Ausuͤbung fuͤh-
ren, oder zum Beweiſe eines andern Satzes beſſere
Dienſte thun.

§. 59.

Die bisher betrachteten Erklaͤrungen enthalten
noch immer die innern Merkmaale der Sache, und
taugen folglich, in ſoferne wir im Stande ſind, die-
ſelben einzuſehen, und durch Worte auszudruͤcken. So
weit reicht aber unſre Einſicht nicht allezeit, und viel-
leicht in den wenigſten Faͤllen. Wir ſind daher laͤngſt

ſchon
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[38/0060] I. Hauptſtuͤck, §. 58. Jn Anſehung dieſer haben wir noch anzumerken, daß, da man zu jeden hoͤhern Gattungen, worunter die Sache gehoͤrt, ſo viele Beſtimmungen hinzuſetzen kann, bis ſie den Begriff erſchoͤpfen, den man erklaͤ- ren will, daß man, ſage ich, auf dieſe Art allerdings mehrere Erklaͤrungen von einer gleichen Sache machen kann. Es ſind naͤmlich ſo viele moͤglich, auf ſo viele Arten man alle Merkmaale der Sache, und zwar ohne Ruͤckſicht auf die gemeinſamen und eigenen, in Theile zerfallen, und die fuͤr jeden Theil zuſammengenom- menen durch Worte ausdruͤcken kann. Denn man ſieht leicht, daß es damit nur ſo weit reicht, als die Sprache zureichend iſt, ſolche Worte herzugeben, welche zuſammengenommen den Umfang des Be- griffes beſtimmen. Wenn man demnach von einerley Sache verſchiedene Erklaͤrungen in Buͤchern findet, ſo ſind ſie nicht bloß deswegen zu verwerfen, weil ſie verſchieden ſind; ſondern es koͤmmt darauf an, ob ſie den wahren Umfang des Begriffes angeben oder nicht. Jndeſſen wenn auch alle richtig ſind, ſo kann dennoch eine der andern vorgezogen werden, wenn man ſie zu beſondern Abſichten gebrauchen will Denn ſo kann z. E. die eine viel unmittelbarer zu dem Beweiſe eines Satzes, die andre unmittelbarer zur Ausuͤbung fuͤh- ren, oder zum Beweiſe eines andern Satzes beſſere Dienſte thun. §. 59. Die bisher betrachteten Erklaͤrungen enthalten noch immer die innern Merkmaale der Sache, und taugen folglich, in ſoferne wir im Stande ſind, die- ſelben einzuſehen, und durch Worte auszudruͤcken. So weit reicht aber unſre Einſicht nicht allezeit, und viel- leicht in den wenigſten Faͤllen. Wir ſind daher laͤngſt ſchon

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/60>, abgerufen am 28.03.2024.