Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Hauptstück, von dem Unterschiede
haben. Denn so weit wir uns eine Vorstellung als
richtig einbilden, so weit bilden wir uns auch ein,
daß sie gewiß sey.

§. 211.

Da uns aber allerdings mit der bloß eingebildeten
Gewißheit nicht gedient ist, weil man sie sich bey jedem
Wahren und Jrrigen einbilden kann, so hatten wir
allerdings Grund, in den vorhergehenden Sätzen
(§. 206 seqq.) unser Augenmerk auf die wahre und
absolute Gewißheit zu richten, und den oben (§. 72.)
schon angezeigten Maaßstab derselben wieder anzufüh-
ren. (§. 210.) Weil wir jede Gewißheit mit diesem
Maaßstabe vergleichen müssen, wenn sie eben so abso-
lut seyn soll.

§. 212.

Um demnach hierinn weiter zu gehen, werden wir
nach der oben (§. 46 seqq.) gegebenen Anleitung
zween Begriffe aus der Körperwelt auf die Jntelle-
ctualwelt anwenden, die bereits schon darinn vorkom-
men. Es sind die Begriffe einer Lücke und eines
Sprunges. Erstern haben wir schon gebraucht, und
dadurch das mangelnde in einer Vorstellung benennt,
wenn sie entweder nicht durchaus gedenkbar ist, oder
wenn wir sie wenigstens nicht durchaus gedenken.
Die Redensarten: eine Lücke überspringen, oder
etwas überspringen zeigen ungefehr an, was wir
hier durch einen logischen Sprung verstehen. Wir
werden es nun genauer aufklären.

§. 213.

Die Verbindung und der Zusammenhang in einer
Vorstellung soll real und durchgängig seyn. Denn
dieses macht die Einheit derselben complet. (§. 205.)
Weil man die ganze Vorstellung von Anfang bis zu
Ende und Schritt für Schritt durchgehen kann.
Jst nun in der Vorstellung etwas irriges, so geht der

Ein-

IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
haben. Denn ſo weit wir uns eine Vorſtellung als
richtig einbilden, ſo weit bilden wir uns auch ein,
daß ſie gewiß ſey.

§. 211.

Da uns aber allerdings mit der bloß eingebildeten
Gewißheit nicht gedient iſt, weil man ſie ſich bey jedem
Wahren und Jrrigen einbilden kann, ſo hatten wir
allerdings Grund, in den vorhergehenden Saͤtzen
(§. 206 ſeqq.) unſer Augenmerk auf die wahre und
abſolute Gewißheit zu richten, und den oben (§. 72.)
ſchon angezeigten Maaßſtab derſelben wieder anzufuͤh-
ren. (§. 210.) Weil wir jede Gewißheit mit dieſem
Maaßſtabe vergleichen muͤſſen, wenn ſie eben ſo abſo-
lut ſeyn ſoll.

§. 212.

Um demnach hierinn weiter zu gehen, werden wir
nach der oben (§. 46 ſeqq.) gegebenen Anleitung
zween Begriffe aus der Koͤrperwelt auf die Jntelle-
ctualwelt anwenden, die bereits ſchon darinn vorkom-
men. Es ſind die Begriffe einer Luͤcke und eines
Sprunges. Erſtern haben wir ſchon gebraucht, und
dadurch das mangelnde in einer Vorſtellung benennt,
wenn ſie entweder nicht durchaus gedenkbar iſt, oder
wenn wir ſie wenigſtens nicht durchaus gedenken.
Die Redensarten: eine Luͤcke uͤberſpringen, oder
etwas uͤberſpringen zeigen ungefehr an, was wir
hier durch einen logiſchen Sprung verſtehen. Wir
werden es nun genauer aufklaͤren.

§. 213.

Die Verbindung und der Zuſammenhang in einer
Vorſtellung ſoll real und durchgaͤngig ſeyn. Denn
dieſes macht die Einheit derſelben complet. (§. 205.)
Weil man die ganze Vorſtellung von Anfang bis zu
Ende und Schritt fuͤr Schritt durchgehen kann.
Jſt nun in der Vorſtellung etwas irriges, ſo geht der

Ein-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0584" n="562"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck, von dem Unter&#x017F;chiede</hi></fw><lb/>
haben. Denn &#x017F;o weit wir uns eine Vor&#x017F;tellung als<lb/>
richtig einbilden, &#x017F;o weit bilden wir uns auch ein,<lb/>
daß &#x017F;ie gewiß &#x017F;ey.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 211.</head><lb/>
            <p>Da uns aber allerdings mit der bloß eingebildeten<lb/>
Gewißheit nicht gedient i&#x017F;t, weil man &#x017F;ie &#x017F;ich bey jedem<lb/>
Wahren und Jrrigen einbilden kann, &#x017F;o hatten wir<lb/>
allerdings Grund, in den vorhergehenden Sa&#x0364;tzen<lb/>
(§. 206 &#x017F;eqq.) un&#x017F;er Augenmerk auf die wahre und<lb/>
ab&#x017F;olute Gewißheit zu richten, und den oben (§. 72.)<lb/>
&#x017F;chon angezeigten Maaß&#x017F;tab der&#x017F;elben wieder anzufu&#x0364;h-<lb/>
ren. (§. 210.) Weil wir jede Gewißheit mit die&#x017F;em<lb/>
Maaß&#x017F;tabe vergleichen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wenn &#x017F;ie eben &#x017F;o ab&#x017F;o-<lb/>
lut &#x017F;eyn &#x017F;oll.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 212.</head><lb/>
            <p>Um demnach hierinn weiter zu gehen, werden wir<lb/>
nach der oben (§. 46 &#x017F;eqq.) gegebenen Anleitung<lb/>
zween Begriffe aus der Ko&#x0364;rperwelt auf die Jntelle-<lb/>
ctualwelt anwenden, die bereits &#x017F;chon darinn vorkom-<lb/>
men. Es &#x017F;ind die Begriffe einer <hi rendition="#fr">Lu&#x0364;cke</hi> und eines<lb/><hi rendition="#fr">Sprunges.</hi> Er&#x017F;tern haben wir &#x017F;chon gebraucht, und<lb/>
dadurch das mangelnde in einer Vor&#x017F;tellung benennt,<lb/>
wenn &#x017F;ie entweder nicht durchaus gedenkbar i&#x017F;t, oder<lb/>
wenn wir &#x017F;ie wenig&#x017F;tens nicht durchaus gedenken.<lb/>
Die Redensarten: <hi rendition="#fr">eine Lu&#x0364;cke u&#x0364;ber&#x017F;pringen,</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">etwas u&#x0364;ber&#x017F;pringen</hi> zeigen ungefehr an, was wir<lb/>
hier durch einen <hi rendition="#fr">logi&#x017F;chen Sprung</hi> ver&#x017F;tehen. Wir<lb/>
werden es nun genauer aufkla&#x0364;ren.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 213.</head><lb/>
            <p>Die Verbindung und der Zu&#x017F;ammenhang in einer<lb/>
Vor&#x017F;tellung &#x017F;oll real und durchga&#x0364;ngig &#x017F;eyn. Denn<lb/>
die&#x017F;es macht die Einheit der&#x017F;elben complet. (§. 205.)<lb/>
Weil man die ganze Vor&#x017F;tellung von Anfang bis zu<lb/>
Ende und <hi rendition="#fr">Schritt fu&#x0364;r Schritt</hi> durchgehen kann.<lb/>
J&#x017F;t nun in der Vor&#x017F;tellung etwas irriges, &#x017F;o geht der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ein-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[562/0584] IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede haben. Denn ſo weit wir uns eine Vorſtellung als richtig einbilden, ſo weit bilden wir uns auch ein, daß ſie gewiß ſey. §. 211. Da uns aber allerdings mit der bloß eingebildeten Gewißheit nicht gedient iſt, weil man ſie ſich bey jedem Wahren und Jrrigen einbilden kann, ſo hatten wir allerdings Grund, in den vorhergehenden Saͤtzen (§. 206 ſeqq.) unſer Augenmerk auf die wahre und abſolute Gewißheit zu richten, und den oben (§. 72.) ſchon angezeigten Maaßſtab derſelben wieder anzufuͤh- ren. (§. 210.) Weil wir jede Gewißheit mit dieſem Maaßſtabe vergleichen muͤſſen, wenn ſie eben ſo abſo- lut ſeyn ſoll. §. 212. Um demnach hierinn weiter zu gehen, werden wir nach der oben (§. 46 ſeqq.) gegebenen Anleitung zween Begriffe aus der Koͤrperwelt auf die Jntelle- ctualwelt anwenden, die bereits ſchon darinn vorkom- men. Es ſind die Begriffe einer Luͤcke und eines Sprunges. Erſtern haben wir ſchon gebraucht, und dadurch das mangelnde in einer Vorſtellung benennt, wenn ſie entweder nicht durchaus gedenkbar iſt, oder wenn wir ſie wenigſtens nicht durchaus gedenken. Die Redensarten: eine Luͤcke uͤberſpringen, oder etwas uͤberſpringen zeigen ungefehr an, was wir hier durch einen logiſchen Sprung verſtehen. Wir werden es nun genauer aufklaͤren. §. 213. Die Verbindung und der Zuſammenhang in einer Vorſtellung ſoll real und durchgaͤngig ſeyn. Denn dieſes macht die Einheit derſelben complet. (§. 205.) Weil man die ganze Vorſtellung von Anfang bis zu Ende und Schritt fuͤr Schritt durchgehen kann. Jſt nun in der Vorſtellung etwas irriges, ſo geht der Ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/584
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/584>, abgerufen am 23.11.2024.