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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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II. Hauptst. von den Grundsätzen u. Forder.
§. 74.

Den Begriff der Einheit haben wir in dem Worte
ich, und mittelbarer in dem, was wir in unsern Vor-
stellungen zusammennehmen. Die Wiederholung
der Einheit giebt den Begriff der Zahl, und ist an
sich ein Postulatum, worauf die ganze Rechenkunst
beruht. Alles dieses haben wir bereits (§. 26.) an-
gemerkt. Wir fügen demnach nur bey, daß dieses
Zusammennehmen mehrerer Einheiten eine Zahl aus-
mache, die wir ebenfalls wiederum als eine Einheit
ansehen können. Daß es damit so weit gehen könne,
als man will, wird unter die Postulate gerechnet.

§. 75.

Dieses alles ist an sich betrachtet, und in sofern
wir die Arithmetik als eine bloß ideale Wissenschaft
ansehen. Sofern wir aber den Begriff der Einheit
und Zahlen auf Dinge anwenden, äußern sich dabey
Unterschiede, die wir an jedem Orte als speciale Axio-
mata
und Postulata anführen müssen. Jn dieser Ab-
sicht haben wir bereits (§. 12.) angemerkt, wie die
Existenz eine Einheit ist, die weder vermehrt noch ver-
mindert werden kann, weil eine Sache nicht existiren-
der ist, als die andre.

§. 76.

So ist auch die Gewißheit eine Einheit, die
nur Brüche admittirt, und diese Brüche machen die
Grade der Wahrscheinlichkeit aus. Oder diese
Einheit, verneinend betrachtet, erwächst aus der
Aufhebung aller Zweifel, die sich wider ein Vorgeben
machen lassen.

§. 77.

Auf eine ähnliche Art hat auch die Wahrheit
keine Gradus intensitatis. Denn wenn man sagt:
Zweymal zwey ist vier, so wird dieser Satz durch

unzählige
II. Hauptſt. von den Grundſaͤtzen u. Forder.
§. 74.

Den Begriff der Einheit haben wir in dem Worte
ich, und mittelbarer in dem, was wir in unſern Vor-
ſtellungen zuſammennehmen. Die Wiederholung
der Einheit giebt den Begriff der Zahl, und iſt an
ſich ein Poſtulatum, worauf die ganze Rechenkunſt
beruht. Alles dieſes haben wir bereits (§. 26.) an-
gemerkt. Wir fuͤgen demnach nur bey, daß dieſes
Zuſammennehmen mehrerer Einheiten eine Zahl aus-
mache, die wir ebenfalls wiederum als eine Einheit
anſehen koͤnnen. Daß es damit ſo weit gehen koͤnne,
als man will, wird unter die Poſtulate gerechnet.

§. 75.

Dieſes alles iſt an ſich betrachtet, und in ſofern
wir die Arithmetik als eine bloß ideale Wiſſenſchaft
anſehen. Sofern wir aber den Begriff der Einheit
und Zahlen auf Dinge anwenden, aͤußern ſich dabey
Unterſchiede, die wir an jedem Orte als ſpeciale Axio-
mata
und Poſtulata anfuͤhren muͤſſen. Jn dieſer Ab-
ſicht haben wir bereits (§. 12.) angemerkt, wie die
Exiſtenz eine Einheit iſt, die weder vermehrt noch ver-
mindert werden kann, weil eine Sache nicht exiſtiren-
der iſt, als die andre.

§. 76.

So iſt auch die Gewißheit eine Einheit, die
nur Bruͤche admittirt, und dieſe Bruͤche machen die
Grade der Wahrſcheinlichkeit aus. Oder dieſe
Einheit, verneinend betrachtet, erwaͤchſt aus der
Aufhebung aller Zweifel, die ſich wider ein Vorgeben
machen laſſen.

§. 77.

Auf eine aͤhnliche Art hat auch die Wahrheit
keine Gradus intenſitatis. Denn wenn man ſagt:
Zweymal zwey iſt vier, ſo wird dieſer Satz durch

unzaͤhlige
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[500/0522] II. Hauptſt. von den Grundſaͤtzen u. Forder. §. 74. Den Begriff der Einheit haben wir in dem Worte ich, und mittelbarer in dem, was wir in unſern Vor- ſtellungen zuſammennehmen. Die Wiederholung der Einheit giebt den Begriff der Zahl, und iſt an ſich ein Poſtulatum, worauf die ganze Rechenkunſt beruht. Alles dieſes haben wir bereits (§. 26.) an- gemerkt. Wir fuͤgen demnach nur bey, daß dieſes Zuſammennehmen mehrerer Einheiten eine Zahl aus- mache, die wir ebenfalls wiederum als eine Einheit anſehen koͤnnen. Daß es damit ſo weit gehen koͤnne, als man will, wird unter die Poſtulate gerechnet. §. 75. Dieſes alles iſt an ſich betrachtet, und in ſofern wir die Arithmetik als eine bloß ideale Wiſſenſchaft anſehen. Sofern wir aber den Begriff der Einheit und Zahlen auf Dinge anwenden, aͤußern ſich dabey Unterſchiede, die wir an jedem Orte als ſpeciale Axio- mata und Poſtulata anfuͤhren muͤſſen. Jn dieſer Ab- ſicht haben wir bereits (§. 12.) angemerkt, wie die Exiſtenz eine Einheit iſt, die weder vermehrt noch ver- mindert werden kann, weil eine Sache nicht exiſtiren- der iſt, als die andre. §. 76. So iſt auch die Gewißheit eine Einheit, die nur Bruͤche admittirt, und dieſe Bruͤche machen die Grade der Wahrſcheinlichkeit aus. Oder dieſe Einheit, verneinend betrachtet, erwaͤchſt aus der Aufhebung aller Zweifel, die ſich wider ein Vorgeben machen laſſen. §. 77. Auf eine aͤhnliche Art hat auch die Wahrheit keine Gradus intenſitatis. Denn wenn man ſagt: Zweymal zwey iſt vier, ſo wird dieſer Satz durch unzaͤhlige

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/522>, abgerufen am 21.11.2024.