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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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oder für sich gedenkbaren Begriffen.
§. 40.

Meines Erachtens aber werden hier klare Be-
griffe
mit confusen Begriffen vermengt, und der
Anlaß dazu scheint der zu seyn, daß man in der Ver-
nunftlehre die Begriffe stuffenweise in dunkle und
klare, die klaren in deutliche und undeutliche etc. unter-
scheidet. Nun sind diese Namen hier metaphorisch,
weil sie von dem Auge hergenommen sind. Wir dür-
fen sie daher anfangs nur an sich betrachten, weil die
Begriffe, die wir durchs Auge erlangen, ebenfalls
Begriffe sind. Ohne Licht sehen wir vollends nichts,
und dieses macht die absolute Dunkelheit oder Finster-
niß. Zu Nacht bey dem schwachen Lichte der Sterne,
läßt sich etwann noch das Weiße vom Schwarzen,
wenn es eine hinreichende Größe hat, unterscheiden,
man sieht auch etwann Gestalten, doch so, daß man
zuweilen weder die Gattung, noch die Art, und noch
weniger das Indiuiduum erkennt, und einen Men-
schen und einen Strauch, oder einen Pfosten confun-
dirt, oder nicht unterscheiden kann, ob Cajus oder
Titius oder ein andrer Mensch da sey etc. Unter
Tagen sieht man klar, weil es hell ist; und diese Hel-
ligkeit ist es eigentlich, was uns klar sehen macht.
Dies will aber noch nicht sagen, daß wir sogleich alles
deutlich sehen. Das Object muß hiezu nicht nur
behörig erleuchtet, sondern auch in der erforderlichen
Entfernung vom Auge seyn. Die Deutlichkeit be-
nimmt daher der Klarheit nichts, und kann ohne diese
nicht statt haben. Hingegen kann bey der Klarheit
Undeutlichkeit seyn, weil zu der Deutlichkeit noch et-
was mehr als die Klarheit erfordert wird. Man
halte eine Schrift bey Tage zu weit von dem Auge,
so wird man weiß und schwarz sehen. Hält man sie
aber in der behörigen Entfernung, so wird man die

Schrift
oder fuͤr ſich gedenkbaren Begriffen.
§. 40.

Meines Erachtens aber werden hier klare Be-
griffe
mit confuſen Begriffen vermengt, und der
Anlaß dazu ſcheint der zu ſeyn, daß man in der Ver-
nunftlehre die Begriffe ſtuffenweiſe in dunkle und
klare, die klaren in deutliche und undeutliche ꝛc. unter-
ſcheidet. Nun ſind dieſe Namen hier metaphoriſch,
weil ſie von dem Auge hergenommen ſind. Wir duͤr-
fen ſie daher anfangs nur an ſich betrachten, weil die
Begriffe, die wir durchs Auge erlangen, ebenfalls
Begriffe ſind. Ohne Licht ſehen wir vollends nichts,
und dieſes macht die abſolute Dunkelheit oder Finſter-
niß. Zu Nacht bey dem ſchwachen Lichte der Sterne,
laͤßt ſich etwann noch das Weiße vom Schwarzen,
wenn es eine hinreichende Groͤße hat, unterſcheiden,
man ſieht auch etwann Geſtalten, doch ſo, daß man
zuweilen weder die Gattung, noch die Art, und noch
weniger das Indiuiduum erkennt, und einen Men-
ſchen und einen Strauch, oder einen Pfoſten confun-
dirt, oder nicht unterſcheiden kann, ob Cajus oder
Titius oder ein andrer Menſch da ſey ꝛc. Unter
Tagen ſieht man klar, weil es hell iſt; und dieſe Hel-
ligkeit iſt es eigentlich, was uns klar ſehen macht.
Dies will aber noch nicht ſagen, daß wir ſogleich alles
deutlich ſehen. Das Object muß hiezu nicht nur
behoͤrig erleuchtet, ſondern auch in der erforderlichen
Entfernung vom Auge ſeyn. Die Deutlichkeit be-
nimmt daher der Klarheit nichts, und kann ohne dieſe
nicht ſtatt haben. Hingegen kann bey der Klarheit
Undeutlichkeit ſeyn, weil zu der Deutlichkeit noch et-
was mehr als die Klarheit erfordert wird. Man
halte eine Schrift bey Tage zu weit von dem Auge,
ſo wird man weiß und ſchwarz ſehen. Haͤlt man ſie
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[479/0501] oder fuͤr ſich gedenkbaren Begriffen. §. 40. Meines Erachtens aber werden hier klare Be- griffe mit confuſen Begriffen vermengt, und der Anlaß dazu ſcheint der zu ſeyn, daß man in der Ver- nunftlehre die Begriffe ſtuffenweiſe in dunkle und klare, die klaren in deutliche und undeutliche ꝛc. unter- ſcheidet. Nun ſind dieſe Namen hier metaphoriſch, weil ſie von dem Auge hergenommen ſind. Wir duͤr- fen ſie daher anfangs nur an ſich betrachten, weil die Begriffe, die wir durchs Auge erlangen, ebenfalls Begriffe ſind. Ohne Licht ſehen wir vollends nichts, und dieſes macht die abſolute Dunkelheit oder Finſter- niß. Zu Nacht bey dem ſchwachen Lichte der Sterne, laͤßt ſich etwann noch das Weiße vom Schwarzen, wenn es eine hinreichende Groͤße hat, unterſcheiden, man ſieht auch etwann Geſtalten, doch ſo, daß man zuweilen weder die Gattung, noch die Art, und noch weniger das Indiuiduum erkennt, und einen Men- ſchen und einen Strauch, oder einen Pfoſten confun- dirt, oder nicht unterſcheiden kann, ob Cajus oder Titius oder ein andrer Menſch da ſey ꝛc. Unter Tagen ſieht man klar, weil es hell iſt; und dieſe Hel- ligkeit iſt es eigentlich, was uns klar ſehen macht. Dies will aber noch nicht ſagen, daß wir ſogleich alles deutlich ſehen. Das Object muß hiezu nicht nur behoͤrig erleuchtet, ſondern auch in der erforderlichen Entfernung vom Auge ſeyn. Die Deutlichkeit be- nimmt daher der Klarheit nichts, und kann ohne dieſe nicht ſtatt haben. Hingegen kann bey der Klarheit Undeutlichkeit ſeyn, weil zu der Deutlichkeit noch et- was mehr als die Klarheit erfordert wird. Man halte eine Schrift bey Tage zu weit von dem Auge, ſo wird man weiß und ſchwarz ſehen. Haͤlt man ſie aber in der behoͤrigen Entfernung, ſo wird man die Schrift

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/501>, abgerufen am 03.12.2024.