nächsten Folgen der logischen Postulaten gerechnet. (§. 547 seqq.)
§. 677.
Wir können noch beyfügen, daß, wenn man auch nicht sogleich weis, ob ein Merkmaal einer Sache ein eignes Merkmaal einer andern Sache ist, sondern nur, daß es dieser letztern zukomme, man dadurch veranlaßt werden könne, beyde etwas näher zu be- trachten, und mit einander zu vergleichen, zumal, wenn das Merkmaal etwas speciales anzuzeigen scheint, und folglich vermuthen macht, daß es nicht so häufig vorkomme. Jn solchen Vermuthungen ist man öf- ters glücklicher, als man es vorhersehen kann, weil nicht selten Dinge einander näher angehen, als man es voraus wissen könnte. Man ist daher in der Na- turlehre schon auf die Behutsamkeit gefallen, eben nicht sogleich zu jeder neuen Wirkung eine neue Ma- terie anzunehmen, weil man aus Beyspielen weis, daß einerley Materie unzählige Modificationen ha- ben, und sich in unzähligen Gestalten zeigen kann. Jn vielen Fällen ist es uns vollends unmöglich, die Sache voraus zu wissen, und da kommt es schlech- terdings auf das Versuchen an. Scaliger befand sich in dem Fall. Er konnte leicht finden, daß die Zusammensetzung des Sonnen- und Mondzirkels, und der Römer Zinszahl eine Periode von 7980 Jahren geben würde. Daß aber der Anfang dieser Periode in eine so entfernte Zeit fiele, die allen Anfängen der nützlichsten Epochen vorgienge, und die Periode selbst noch sobald nicht zum Schluß bringen würde, dieses hat glücklich zugetroffen; allein es ließ sich nicht voraus sehen, weil die Erfinder der Cyclen, die Scaliger gebrauchte, und just die bekanntesten und
ge-
Lamb. Org. I. Band. E e
von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.
naͤchſten Folgen der logiſchen Poſtulaten gerechnet. (§. 547 ſeqq.)
§. 677.
Wir koͤnnen noch beyfuͤgen, daß, wenn man auch nicht ſogleich weis, ob ein Merkmaal einer Sache ein eignes Merkmaal einer andern Sache iſt, ſondern nur, daß es dieſer letztern zukomme, man dadurch veranlaßt werden koͤnne, beyde etwas naͤher zu be- trachten, und mit einander zu vergleichen, zumal, wenn das Merkmaal etwas ſpeciales anzuzeigen ſcheint, und folglich vermuthen macht, daß es nicht ſo haͤufig vorkomme. Jn ſolchen Vermuthungen iſt man oͤf- ters gluͤcklicher, als man es vorherſehen kann, weil nicht ſelten Dinge einander naͤher angehen, als man es voraus wiſſen koͤnnte. Man iſt daher in der Na- turlehre ſchon auf die Behutſamkeit gefallen, eben nicht ſogleich zu jeder neuen Wirkung eine neue Ma- terie anzunehmen, weil man aus Beyſpielen weis, daß einerley Materie unzaͤhlige Modificationen ha- ben, und ſich in unzaͤhligen Geſtalten zeigen kann. Jn vielen Faͤllen iſt es uns vollends unmoͤglich, die Sache voraus zu wiſſen, und da kommt es ſchlech- terdings auf das Verſuchen an. Scaliger befand ſich in dem Fall. Er konnte leicht finden, daß die Zuſammenſetzung des Sonnen- und Mondzirkels, und der Roͤmer Zinszahl eine Periode von 7980 Jahren geben wuͤrde. Daß aber der Anfang dieſer Periode in eine ſo entfernte Zeit fiele, die allen Anfaͤngen der nuͤtzlichſten Epochen vorgienge, und die Periode ſelbſt noch ſobald nicht zum Schluß bringen wuͤrde, dieſes hat gluͤcklich zugetroffen; allein es ließ ſich nicht voraus ſehen, weil die Erfinder der Cyclen, die Scaliger gebrauchte, und juſt die bekannteſten und
ge-
Lamb. Org. I. Band. E e
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0455"n="433"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.</hi></fw><lb/>
naͤchſten Folgen der logiſchen Poſtulaten gerechnet.<lb/>
(§. 547 ſeqq.)</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 677.</head><lb/><p>Wir koͤnnen noch beyfuͤgen, daß, wenn man auch<lb/>
nicht ſogleich weis, ob ein Merkmaal einer Sache<lb/>
ein <hirendition="#fr">eignes</hi> Merkmaal einer andern Sache iſt, ſondern<lb/>
nur, daß es dieſer letztern zukomme, man dadurch<lb/>
veranlaßt werden koͤnne, beyde etwas naͤher zu be-<lb/>
trachten, und mit einander zu vergleichen, zumal,<lb/>
wenn das Merkmaal etwas ſpeciales anzuzeigen ſcheint,<lb/>
und folglich <hirendition="#fr">vermuthen</hi> macht, daß es nicht ſo haͤufig<lb/>
vorkomme. Jn ſolchen Vermuthungen iſt man oͤf-<lb/>
ters gluͤcklicher, als man es vorherſehen kann, weil<lb/>
nicht ſelten Dinge einander naͤher angehen, als man<lb/>
es voraus wiſſen koͤnnte. Man iſt daher in der Na-<lb/>
turlehre ſchon auf die Behutſamkeit gefallen, eben<lb/>
nicht ſogleich zu jeder neuen Wirkung eine neue Ma-<lb/>
terie anzunehmen, weil man aus Beyſpielen weis,<lb/>
daß einerley Materie unzaͤhlige Modificationen ha-<lb/>
ben, und ſich in unzaͤhligen Geſtalten zeigen kann.<lb/>
Jn vielen Faͤllen iſt es uns vollends unmoͤglich, die<lb/>
Sache voraus zu wiſſen, und da kommt es ſchlech-<lb/>
terdings auf das <hirendition="#fr">Verſuchen</hi> an. <hirendition="#fr">Scaliger</hi> befand<lb/>ſich in dem Fall. Er konnte leicht finden, daß die<lb/>
Zuſammenſetzung des Sonnen- und Mondzirkels, und<lb/>
der Roͤmer Zinszahl eine Periode von 7980 Jahren<lb/>
geben wuͤrde. Daß aber der Anfang dieſer Periode<lb/>
in eine ſo entfernte Zeit fiele, die allen Anfaͤngen der<lb/>
nuͤtzlichſten Epochen vorgienge, und die Periode ſelbſt<lb/>
noch ſobald nicht zum Schluß bringen wuͤrde, dieſes<lb/>
hat <hirendition="#fr">gluͤcklich</hi> zugetroffen; allein es ließ ſich nicht<lb/>
voraus ſehen, weil die Erfinder der Cyclen, die<lb/><hirendition="#fr">Scaliger</hi> gebrauchte, und juſt die bekannteſten und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Lamb. Org. <hirendition="#aq">I.</hi> Band. E e</fw><fwplace="bottom"type="catch">ge-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[433/0455]
von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.
naͤchſten Folgen der logiſchen Poſtulaten gerechnet.
(§. 547 ſeqq.)
§. 677.
Wir koͤnnen noch beyfuͤgen, daß, wenn man auch
nicht ſogleich weis, ob ein Merkmaal einer Sache
ein eignes Merkmaal einer andern Sache iſt, ſondern
nur, daß es dieſer letztern zukomme, man dadurch
veranlaßt werden koͤnne, beyde etwas naͤher zu be-
trachten, und mit einander zu vergleichen, zumal,
wenn das Merkmaal etwas ſpeciales anzuzeigen ſcheint,
und folglich vermuthen macht, daß es nicht ſo haͤufig
vorkomme. Jn ſolchen Vermuthungen iſt man oͤf-
ters gluͤcklicher, als man es vorherſehen kann, weil
nicht ſelten Dinge einander naͤher angehen, als man
es voraus wiſſen koͤnnte. Man iſt daher in der Na-
turlehre ſchon auf die Behutſamkeit gefallen, eben
nicht ſogleich zu jeder neuen Wirkung eine neue Ma-
terie anzunehmen, weil man aus Beyſpielen weis,
daß einerley Materie unzaͤhlige Modificationen ha-
ben, und ſich in unzaͤhligen Geſtalten zeigen kann.
Jn vielen Faͤllen iſt es uns vollends unmoͤglich, die
Sache voraus zu wiſſen, und da kommt es ſchlech-
terdings auf das Verſuchen an. Scaliger befand
ſich in dem Fall. Er konnte leicht finden, daß die
Zuſammenſetzung des Sonnen- und Mondzirkels, und
der Roͤmer Zinszahl eine Periode von 7980 Jahren
geben wuͤrde. Daß aber der Anfang dieſer Periode
in eine ſo entfernte Zeit fiele, die allen Anfaͤngen der
nuͤtzlichſten Epochen vorgienge, und die Periode ſelbſt
noch ſobald nicht zum Schluß bringen wuͤrde, dieſes
hat gluͤcklich zugetroffen; allein es ließ ſich nicht
voraus ſehen, weil die Erfinder der Cyclen, die
Scaliger gebrauchte, und juſt die bekannteſten und
ge-
Lamb. Org. I. Band. E e
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/455>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.