Ihr Weltgebäude, mein Herr, ist mir viel zu an- genehm, als daß mir Einwürfe dawider so leicht einfallen sollten, und wenn mir je der- gleichen in Sinne kämen, so würde ich sie Ihnen alle- mal lieber als Fragen vorlegen, die Ihnen zu noch mehrerer Aufklärung desselben dienen könnten. Aber dafür bin ich nicht besorgt. Sie müssen allerdings noch weiter hinaus gedacht haben, als Sie es noch sa- gen wollten, als Sie mir die Schriften zu lesen gaben, die darüber herausgekommen sind. Und endlich recht betrachtet, was sollte ich Ihnen einwenden? Wieder Ihre Hauptabsicht? Dieses würde mir auch in dem ungereimtesten Traume nicht einfallen. Sie geht ja dahin, daß Sie im ganzen Weltbaue eben die Ord- nung, Harmonie, Mannigfaltigkeit und Abwechslung, Zusammenhang, Vollkommenheit, Schönheit, Mittel und Absichten finden wollen, die wir auf der der Erde auch in den kleinsten Theilen bewundern. Sie suchen die Ausnahmen unendlich klein zu machen, und noch gar in Zweifel zu ziehen, ob es Ausnahmen sind, oder ob sie nicht vielmehr als Mittel angesehen werden müs- sen, dadurch die Abwechslung mannigfaltiger und die Ordnung in dem Laufe der Weltkörper vollkommener und dauerhafter wird. Sie verbannen alles, was ei- nem blinden Ungefehr nahe käme, und das, was wir sonst, ohne daran zu denken, ein Glück nennen, machen Sie zu einer Folge von der Einrichtung der Welt, und
zu
Coſmologiſche Briefe
Fuͤnfter Brief.
Ihr Weltgebaͤude, mein Herr, iſt mir viel zu an- genehm, als daß mir Einwuͤrfe dawider ſo leicht einfallen ſollten, und wenn mir je der- gleichen in Sinne kaͤmen, ſo wuͤrde ich ſie Ihnen alle- mal lieber als Fragen vorlegen, die Ihnen zu noch mehrerer Aufklaͤrung deſſelben dienen koͤnnten. Aber dafuͤr bin ich nicht beſorgt. Sie muͤſſen allerdings noch weiter hinaus gedacht haben, als Sie es noch ſa- gen wollten, als Sie mir die Schriften zu leſen gaben, die daruͤber herausgekommen ſind. Und endlich recht betrachtet, was ſollte ich Ihnen einwenden? Wieder Ihre Hauptabſicht? Dieſes wuͤrde mir auch in dem ungereimteſten Traume nicht einfallen. Sie geht ja dahin, daß Sie im ganzen Weltbaue eben die Ord- nung, Harmonie, Mannigfaltigkeit und Abwechslung, Zuſammenhang, Vollkommenheit, Schoͤnheit, Mittel und Abſichten finden wollen, die wir auf der der Erde auch in den kleinſten Theilen bewundern. Sie ſuchen die Ausnahmen unendlich klein zu machen, und noch gar in Zweifel zu ziehen, ob es Ausnahmen ſind, oder ob ſie nicht vielmehr als Mittel angeſehen werden muͤſ- ſen, dadurch die Abwechslung mannigfaltiger und die Ordnung in dem Laufe der Weltkoͤrper vollkommener und dauerhafter wird. Sie verbannen alles, was ei- nem blinden Ungefehr nahe kaͤme, und das, was wir ſonſt, ohne daran zu denken, ein Gluͤck nennen, machen Sie zu einer Folge von der Einrichtung der Welt, und
zu
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0079"n="46"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Coſmologiſche Briefe</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Fuͤnfter Brief.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">I</hi>hr Weltgebaͤude, mein Herr, iſt mir viel zu an-<lb/><hirendition="#et">genehm, als daß mir Einwuͤrfe dawider ſo<lb/>
leicht einfallen ſollten, und wenn mir je der-</hi><lb/>
gleichen in Sinne kaͤmen, ſo wuͤrde ich ſie Ihnen alle-<lb/>
mal lieber als Fragen vorlegen, die Ihnen zu noch<lb/>
mehrerer Aufklaͤrung deſſelben dienen koͤnnten. Aber<lb/>
dafuͤr bin ich nicht beſorgt. Sie muͤſſen allerdings<lb/>
noch weiter hinaus gedacht haben, als Sie es noch ſa-<lb/>
gen wollten, als Sie mir die Schriften zu leſen gaben,<lb/>
die daruͤber herausgekommen ſind. Und endlich recht<lb/>
betrachtet, was ſollte ich Ihnen einwenden? Wieder<lb/>
Ihre Hauptabſicht? Dieſes wuͤrde mir auch in dem<lb/>
ungereimteſten Traume nicht einfallen. Sie geht ja<lb/>
dahin, daß Sie im ganzen Weltbaue eben die Ord-<lb/>
nung, Harmonie, Mannigfaltigkeit und Abwechslung,<lb/>
Zuſammenhang, Vollkommenheit, Schoͤnheit, Mittel<lb/>
und Abſichten finden wollen, die wir auf der der Erde<lb/>
auch in den kleinſten Theilen bewundern. Sie ſuchen<lb/>
die Ausnahmen unendlich klein zu machen, und noch<lb/>
gar in Zweifel zu ziehen, ob es Ausnahmen ſind, oder<lb/>
ob ſie nicht vielmehr als Mittel angeſehen werden muͤſ-<lb/>ſen, dadurch die Abwechslung mannigfaltiger und die<lb/>
Ordnung in dem Laufe der Weltkoͤrper vollkommener<lb/>
und dauerhafter wird. Sie verbannen alles, was ei-<lb/>
nem blinden Ungefehr nahe kaͤme, und das, was wir<lb/>ſonſt, ohne daran zu denken, ein Gluͤck nennen, machen<lb/>
Sie zu einer Folge von der Einrichtung der Welt, und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zu</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[46/0079]
Coſmologiſche Briefe
Fuͤnfter Brief.
Ihr Weltgebaͤude, mein Herr, iſt mir viel zu an-
genehm, als daß mir Einwuͤrfe dawider ſo
leicht einfallen ſollten, und wenn mir je der-
gleichen in Sinne kaͤmen, ſo wuͤrde ich ſie Ihnen alle-
mal lieber als Fragen vorlegen, die Ihnen zu noch
mehrerer Aufklaͤrung deſſelben dienen koͤnnten. Aber
dafuͤr bin ich nicht beſorgt. Sie muͤſſen allerdings
noch weiter hinaus gedacht haben, als Sie es noch ſa-
gen wollten, als Sie mir die Schriften zu leſen gaben,
die daruͤber herausgekommen ſind. Und endlich recht
betrachtet, was ſollte ich Ihnen einwenden? Wieder
Ihre Hauptabſicht? Dieſes wuͤrde mir auch in dem
ungereimteſten Traume nicht einfallen. Sie geht ja
dahin, daß Sie im ganzen Weltbaue eben die Ord-
nung, Harmonie, Mannigfaltigkeit und Abwechslung,
Zuſammenhang, Vollkommenheit, Schoͤnheit, Mittel
und Abſichten finden wollen, die wir auf der der Erde
auch in den kleinſten Theilen bewundern. Sie ſuchen
die Ausnahmen unendlich klein zu machen, und noch
gar in Zweifel zu ziehen, ob es Ausnahmen ſind, oder
ob ſie nicht vielmehr als Mittel angeſehen werden muͤſ-
ſen, dadurch die Abwechslung mannigfaltiger und die
Ordnung in dem Laufe der Weltkoͤrper vollkommener
und dauerhafter wird. Sie verbannen alles, was ei-
nem blinden Ungefehr nahe kaͤme, und das, was wir
ſonſt, ohne daran zu denken, ein Gluͤck nennen, machen
Sie zu einer Folge von der Einrichtung der Welt, und
zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/79>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.