Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

über die Einrichtung des Weltbaues.
herunter gestiegen, oder sich von der Sonne wieder
aufwärts entfernt hätte. Im ersten Fall hätte der-
selbe die Bahn des Hauptplaneten auf der Oestlichen,
im andern Fall auf der Westlichen Seite durchschnei-
den müssen. Wie groß ist hiebey die Wahrscheinlich-
keit, daß das Gegentheil niemals eingetroffen. Denn
auf diese kömmt es an, wenn man hier schlechthin ei-
nen Zufall setzen will. Es sind in allem zehen Satel-
liten, und von diesen sollten sich wenigstens fünf von
Osten gegen Westen um den Hauptplanet drehen,
weil beyde Bewegungen als gleich möglich müssen an-
gesehen werden. Ein Comet kann im Herauf- und
Herabsteigen einem Planeten eben so wohl auf der ei-
nen als auf der andern Seite zu nahe kommen, wenn
wir annehmen wollen, daß die Laufbahn derselben so
aufs Ungefehr gesetzt ist. Die Rechnung über die
Wahrscheinlichkeit ist hier bald gemacht. Es ist eben
so viel, als wenn zwischen Cajus und Titius zehenmal
das Loos gezogen würde, welches an sich betrachtet ei-
nem so leicht fallen könnte als dem andern, und man
setzte, Cajus wäre alle zehenmal glücklich gewesen.
Die Unwahrscheinlichkeit ist hiebey 1023.mal größer
als die Wahrscheinlichkeit. Und eben so wäre es über
1000.mal wahrscheinlicher gewesen, daß von den Sa-
telliten einige sich von Morgen gegen Abend bewegten,
wenn ihre Bewegung ein bloßer Zufall gewesen wäre.
Eine andere Betrachtung, welche diese Unwahrschein-
lichkeit noch weit größer macht, giebt uns die geringe
Neigung, so die Bahnen der Satelliten gegen die von
den Hauptplaneten haben. Solle man hier anneh-

men,

uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
herunter geſtiegen, oder ſich von der Sonne wieder
aufwaͤrts entfernt haͤtte. Im erſten Fall haͤtte der-
ſelbe die Bahn des Hauptplaneten auf der Oeſtlichen,
im andern Fall auf der Weſtlichen Seite durchſchnei-
den muͤſſen. Wie groß iſt hiebey die Wahrſcheinlich-
keit, daß das Gegentheil niemals eingetroffen. Denn
auf dieſe koͤmmt es an, wenn man hier ſchlechthin ei-
nen Zufall ſetzen will. Es ſind in allem zehen Satel-
liten, und von dieſen ſollten ſich wenigſtens fuͤnf von
Oſten gegen Weſten um den Hauptplanet drehen,
weil beyde Bewegungen als gleich moͤglich muͤſſen an-
geſehen werden. Ein Comet kann im Herauf- und
Herabſteigen einem Planeten eben ſo wohl auf der ei-
nen als auf der andern Seite zu nahe kommen, wenn
wir annehmen wollen, daß die Laufbahn derſelben ſo
aufs Ungefehr geſetzt iſt. Die Rechnung uͤber die
Wahrſcheinlichkeit iſt hier bald gemacht. Es iſt eben
ſo viel, als wenn zwiſchen Cajus und Titius zehenmal
das Loos gezogen wuͤrde, welches an ſich betrachtet ei-
nem ſo leicht fallen koͤnnte als dem andern, und man
ſetzte, Cajus waͤre alle zehenmal gluͤcklich geweſen.
Die Unwahrſcheinlichkeit iſt hiebey 1023.mal groͤßer
als die Wahrſcheinlichkeit. Und eben ſo waͤre es uͤber
1000.mal wahrſcheinlicher geweſen, daß von den Sa-
telliten einige ſich von Morgen gegen Abend bewegten,
wenn ihre Bewegung ein bloßer Zufall geweſen waͤre.
Eine andere Betrachtung, welche dieſe Unwahrſchein-
lichkeit noch weit groͤßer macht, giebt uns die geringe
Neigung, ſo die Bahnen der Satelliten gegen die von
den Hauptplaneten haben. Solle man hier anneh-

men,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">u&#x0364;ber die Einrichtung des Weltbaues.</hi></fw><lb/>
herunter ge&#x017F;tiegen, oder &#x017F;ich von der Sonne wieder<lb/>
aufwa&#x0364;rts entfernt ha&#x0364;tte. Im er&#x017F;ten Fall ha&#x0364;tte der-<lb/>
&#x017F;elbe die Bahn des Hauptplaneten auf der Oe&#x017F;tlichen,<lb/>
im andern Fall auf der We&#x017F;tlichen Seite durch&#x017F;chnei-<lb/>
den mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Wie groß i&#x017F;t hiebey die Wahr&#x017F;cheinlich-<lb/>
keit, daß das Gegentheil niemals eingetroffen. Denn<lb/>
auf die&#x017F;e ko&#x0364;mmt es an, wenn man hier &#x017F;chlechthin ei-<lb/>
nen Zufall &#x017F;etzen will. Es &#x017F;ind in allem zehen Satel-<lb/>
liten, und von die&#x017F;en &#x017F;ollten &#x017F;ich wenig&#x017F;tens fu&#x0364;nf von<lb/>
O&#x017F;ten gegen We&#x017F;ten um den Hauptplanet drehen,<lb/>
weil beyde Bewegungen als gleich mo&#x0364;glich mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en an-<lb/>
ge&#x017F;ehen werden. Ein Comet kann im Herauf- und<lb/>
Herab&#x017F;teigen einem Planeten eben &#x017F;o wohl auf der ei-<lb/>
nen als auf der andern Seite zu nahe kommen, wenn<lb/>
wir annehmen wollen, daß die Laufbahn der&#x017F;elben &#x017F;o<lb/>
aufs Ungefehr ge&#x017F;etzt i&#x017F;t. Die Rechnung u&#x0364;ber die<lb/>
Wahr&#x017F;cheinlichkeit i&#x017F;t hier bald gemacht. Es i&#x017F;t eben<lb/>
&#x017F;o viel, als wenn zwi&#x017F;chen Cajus und Titius zehenmal<lb/>
das Loos gezogen wu&#x0364;rde, welches an &#x017F;ich betrachtet ei-<lb/>
nem &#x017F;o leicht fallen ko&#x0364;nnte als dem andern, und man<lb/>
&#x017F;etzte, Cajus wa&#x0364;re alle zehenmal glu&#x0364;cklich gewe&#x017F;en.<lb/>
Die Unwahr&#x017F;cheinlichkeit i&#x017F;t hiebey 1023.mal gro&#x0364;ßer<lb/>
als die Wahr&#x017F;cheinlichkeit. Und eben &#x017F;o wa&#x0364;re es u&#x0364;ber<lb/>
1000.mal wahr&#x017F;cheinlicher gewe&#x017F;en, daß von den Sa-<lb/>
telliten einige &#x017F;ich von Morgen gegen Abend bewegten,<lb/>
wenn ihre Bewegung ein bloßer Zufall gewe&#x017F;en wa&#x0364;re.<lb/>
Eine andere Betrachtung, welche die&#x017F;e Unwahr&#x017F;chein-<lb/>
lichkeit noch weit gro&#x0364;ßer macht, giebt uns die geringe<lb/>
Neigung, &#x017F;o die Bahnen der Satelliten gegen die von<lb/>
den Hauptplaneten haben. Solle man hier anneh-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">men,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0048] uͤber die Einrichtung des Weltbaues. herunter geſtiegen, oder ſich von der Sonne wieder aufwaͤrts entfernt haͤtte. Im erſten Fall haͤtte der- ſelbe die Bahn des Hauptplaneten auf der Oeſtlichen, im andern Fall auf der Weſtlichen Seite durchſchnei- den muͤſſen. Wie groß iſt hiebey die Wahrſcheinlich- keit, daß das Gegentheil niemals eingetroffen. Denn auf dieſe koͤmmt es an, wenn man hier ſchlechthin ei- nen Zufall ſetzen will. Es ſind in allem zehen Satel- liten, und von dieſen ſollten ſich wenigſtens fuͤnf von Oſten gegen Weſten um den Hauptplanet drehen, weil beyde Bewegungen als gleich moͤglich muͤſſen an- geſehen werden. Ein Comet kann im Herauf- und Herabſteigen einem Planeten eben ſo wohl auf der ei- nen als auf der andern Seite zu nahe kommen, wenn wir annehmen wollen, daß die Laufbahn derſelben ſo aufs Ungefehr geſetzt iſt. Die Rechnung uͤber die Wahrſcheinlichkeit iſt hier bald gemacht. Es iſt eben ſo viel, als wenn zwiſchen Cajus und Titius zehenmal das Loos gezogen wuͤrde, welches an ſich betrachtet ei- nem ſo leicht fallen koͤnnte als dem andern, und man ſetzte, Cajus waͤre alle zehenmal gluͤcklich geweſen. Die Unwahrſcheinlichkeit iſt hiebey 1023.mal groͤßer als die Wahrſcheinlichkeit. Und eben ſo waͤre es uͤber 1000.mal wahrſcheinlicher geweſen, daß von den Sa- telliten einige ſich von Morgen gegen Abend bewegten, wenn ihre Bewegung ein bloßer Zufall geweſen waͤre. Eine andere Betrachtung, welche dieſe Unwahrſchein- lichkeit noch weit groͤßer macht, giebt uns die geringe Neigung, ſo die Bahnen der Satelliten gegen die von den Hauptplaneten haben. Solle man hier anneh- men,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/48
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/48>, abgerufen am 27.04.2024.