Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

Cosmologische Briefe

grosse ausmachen. So scheinen jede Weltkugeln durch
den Raum des Weltgebäudes zu laufen. Alle kommen
endlich um seinen Mittelpunct herum, aber je grösser
jede ist, desto weniger giebt sie nach, und desto einfacher
sind ihre Schwangungen. Es ist natürlich, daß es
dabey ruhiger und einförmiger zugehen müsse, als auf
dem Meere. Der allgemeine Wind, so jede forttreibt,
ist ordentlicher und sich selbst beständiger gleich, als der
Ostwind zwischen den Windecirculn unserer Erde; Und
an der Erhaltung eines Weltkörpers ist mehr gelegen,
als an der von einem Schiffe, zu dessen Ersetzung im-
mer neuer Stoff nachwächßt.

Wenn ich die Cycloidal-Linie, die unser Mond
in der Copernicanischen Hypothese beschreibt, zum
Muster nehme, so ist ihre Krümmung sehr geringe.
Die Länge von einer Erhöhung und Vertiefung zu-
sammen genommen beträgt beynahe 30. Grad unserer
Erdbahn, und daher ungefehr den vierten Theil ihres
Diameters; da hingegen die Erhöhung und Vertie-
fung zusammen kaum den 365ten Theil dieses Diame-
ters ausmachen. Die Cycloide ist demnach bey
90mal länger als breit.

Solle ich nun die zweyte Sprache annehmen,
welche die Sonne in einem Kreyse herum laufen läßt,
so verwandle ich die Ellipse der Erdbahn in eine Cy-
cloide
vom ersten Grade, und diese muß allem Anse-
hen nach noch vielfach länger als breit seyn. Es bleibt
zwar noch unausgemacht, ob die Sonne seit des Hip-

parchus

Coſmologiſche Briefe

groſſe ausmachen. So ſcheinen jede Weltkugeln durch
den Raum des Weltgebaͤudes zu laufen. Alle kommen
endlich um ſeinen Mittelpunct herum, aber je groͤſſer
jede iſt, deſto weniger giebt ſie nach, und deſto einfacher
ſind ihre Schwangungen. Es iſt natuͤrlich, daß es
dabey ruhiger und einfoͤrmiger zugehen muͤſſe, als auf
dem Meere. Der allgemeine Wind, ſo jede forttreibt,
iſt ordentlicher und ſich ſelbſt beſtaͤndiger gleich, als der
Oſtwind zwiſchen den Windecirculn unſerer Erde; Und
an der Erhaltung eines Weltkoͤrpers iſt mehr gelegen,
als an der von einem Schiffe, zu deſſen Erſetzung im-
mer neuer Stoff nachwaͤchßt.

Wenn ich die Cycloidal-Linie, die unſer Mond
in der Copernicaniſchen Hypotheſe beſchreibt, zum
Muſter nehme, ſo iſt ihre Kruͤmmung ſehr geringe.
Die Laͤnge von einer Erhoͤhung und Vertiefung zu-
ſammen genommen betraͤgt beynahe 30. Grad unſerer
Erdbahn, und daher ungefehr den vierten Theil ihres
Diameters; da hingegen die Erhoͤhung und Vertie-
fung zuſammen kaum den 365ten Theil dieſes Diame-
ters ausmachen. Die Cycloide iſt demnach bey
90mal laͤnger als breit.

Solle ich nun die zweyte Sprache annehmen,
welche die Sonne in einem Kreyſe herum laufen laͤßt,
ſo verwandle ich die Ellipſe der Erdbahn in eine Cy-
cloide
vom erſten Grade, und dieſe muß allem Anſe-
hen nach noch vielfach laͤnger als breit ſeyn. Es bleibt
zwar noch unausgemacht, ob die Sonne ſeit des Hip-

parchus
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0311" n="278"/><lb/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Co&#x017F;mologi&#x017F;che Briefe</hi> </fw><lb/>
          <p>gro&#x017F;&#x017F;e ausmachen. So &#x017F;cheinen jede Weltkugeln durch<lb/>
den Raum des Weltgeba&#x0364;udes zu laufen. Alle kommen<lb/>
endlich um &#x017F;einen Mittelpunct herum, aber je gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er<lb/>
jede i&#x017F;t, de&#x017F;to weniger giebt &#x017F;ie nach, und de&#x017F;to einfacher<lb/>
&#x017F;ind ihre Schwangungen. Es i&#x017F;t natu&#x0364;rlich, daß es<lb/>
dabey ruhiger und einfo&#x0364;rmiger zugehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, als auf<lb/>
dem Meere. Der allgemeine Wind, &#x017F;o jede forttreibt,<lb/>
i&#x017F;t ordentlicher und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;ta&#x0364;ndiger gleich, als der<lb/>
O&#x017F;twind zwi&#x017F;chen den Windecirculn un&#x017F;erer Erde; Und<lb/>
an der Erhaltung eines Weltko&#x0364;rpers i&#x017F;t mehr gelegen,<lb/>
als an der von einem Schiffe, zu de&#x017F;&#x017F;en Er&#x017F;etzung im-<lb/>
mer neuer Stoff nachwa&#x0364;chßt.</p><lb/>
          <p>Wenn ich die <hi rendition="#aq">Cycloidal-</hi>Linie, die un&#x017F;er Mond<lb/>
in der Copernicani&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Hypothe&#x017F;e</hi> be&#x017F;chreibt, zum<lb/>
Mu&#x017F;ter nehme, &#x017F;o i&#x017F;t ihre Kru&#x0364;mmung &#x017F;ehr geringe.<lb/>
Die La&#x0364;nge von einer Erho&#x0364;hung und Vertiefung zu-<lb/>
&#x017F;ammen genommen betra&#x0364;gt beynahe 30. Grad un&#x017F;erer<lb/>
Erdbahn, und daher ungefehr den vierten Theil ihres<lb/>
Diameters; da hingegen die Erho&#x0364;hung und Vertie-<lb/>
fung zu&#x017F;ammen kaum den 365ten Theil die&#x017F;es Diame-<lb/>
ters ausmachen. Die <hi rendition="#aq">Cycloide</hi> i&#x017F;t demnach bey<lb/>
90mal la&#x0364;nger als breit.</p><lb/>
          <p>Solle ich nun die zweyte Sprache annehmen,<lb/>
welche die Sonne in einem Krey&#x017F;e herum laufen la&#x0364;ßt,<lb/>
&#x017F;o verwandle ich die <hi rendition="#aq">Ellip&#x017F;e</hi> der Erdbahn in eine <hi rendition="#aq">Cy-<lb/>
cloide</hi> vom er&#x017F;ten Grade, und die&#x017F;e muß allem An&#x017F;e-<lb/>
hen nach noch vielfach la&#x0364;nger als breit &#x017F;eyn. Es bleibt<lb/>
zwar noch unausgemacht, ob die Sonne &#x017F;eit des Hip-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">parchus</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0311] Coſmologiſche Briefe groſſe ausmachen. So ſcheinen jede Weltkugeln durch den Raum des Weltgebaͤudes zu laufen. Alle kommen endlich um ſeinen Mittelpunct herum, aber je groͤſſer jede iſt, deſto weniger giebt ſie nach, und deſto einfacher ſind ihre Schwangungen. Es iſt natuͤrlich, daß es dabey ruhiger und einfoͤrmiger zugehen muͤſſe, als auf dem Meere. Der allgemeine Wind, ſo jede forttreibt, iſt ordentlicher und ſich ſelbſt beſtaͤndiger gleich, als der Oſtwind zwiſchen den Windecirculn unſerer Erde; Und an der Erhaltung eines Weltkoͤrpers iſt mehr gelegen, als an der von einem Schiffe, zu deſſen Erſetzung im- mer neuer Stoff nachwaͤchßt. Wenn ich die Cycloidal-Linie, die unſer Mond in der Copernicaniſchen Hypotheſe beſchreibt, zum Muſter nehme, ſo iſt ihre Kruͤmmung ſehr geringe. Die Laͤnge von einer Erhoͤhung und Vertiefung zu- ſammen genommen betraͤgt beynahe 30. Grad unſerer Erdbahn, und daher ungefehr den vierten Theil ihres Diameters; da hingegen die Erhoͤhung und Vertie- fung zuſammen kaum den 365ten Theil dieſes Diame- ters ausmachen. Die Cycloide iſt demnach bey 90mal laͤnger als breit. Solle ich nun die zweyte Sprache annehmen, welche die Sonne in einem Kreyſe herum laufen laͤßt, ſo verwandle ich die Ellipſe der Erdbahn in eine Cy- cloide vom erſten Grade, und dieſe muß allem Anſe- hen nach noch vielfach laͤnger als breit ſeyn. Es bleibt zwar noch unausgemacht, ob die Sonne ſeit des Hip- parchus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/311
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/311>, abgerufen am 22.11.2024.