Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

Cosmologische Briefe
Anzahl von Cometen viel ruhiger bleibt, und ihr Mit-
telpunct von dem Mittelpuncte des Systems weniger
abweichen kann, als wenn die Planeten allein wären.
Sie behält gegen den Jupiter und Saturn noch alle-
zeit eine sehr beträchtliche Schwere, welche zureichend
wäre, sie in einem Circul herum zu ziehen, dessen
Halbmesser ungefehr so groß als der Durchmesser der
Sonne wäre. Dieser Circul wäre noch überdiß vie-
len kleinen Abweichungen unterworfen, die ungefehr
eine Periode von 20. Jahren, als der Zeit einer gros-
sen Conjun[c]tion hätten. Dieses aber hat nun nicht
statt, weil aller Orten um die Sonne herum eine be-
trächtliche Anzahl von Cometen ist, deren jeder die
Sonne etwas gegen sich zieht, und eben dadurch weicht
sie so gut als gar nicht. Ich bleibe noch immer da-
bey, daß die größten Cometen nicht nahe zur Sonne,
und daher auch nicht in unsern Gesichtskreyß kommen.
Wir hatten dieses aus der Oeconomie des Raumes,
der nahe bey der Sonne gespahrt werden muß, und
aus der ungestöhrten Ruhe der Planeten und Come-
ten hergeleitet; und nun könnte es auch daraus ge-
folgert werden, daß die Sonne selbst ungestört blei-
ben müsse. Erinnern Sie sich hiebey, mein Herr, daß
ich in der Sprache der Copernicanischen Hypothese
rede. Denn an sich betrachtet, wird die Sonne ge-
nug beschäftigt, weil sie in ihrer Cycloidal-Linie vom
997ten Grade noch eben so vielen Befehlshabern
Folge leisten muß. Denn ich bleibe nun bey die-
ser Subordination, so unzureichend sie bewiesen seyn
mag. Sie ist viel zu harmonisch, als daß ich sie bis

zu

Coſmologiſche Briefe
Anzahl von Cometen viel ruhiger bleibt, und ihr Mit-
telpunct von dem Mittelpuncte des Syſtems weniger
abweichen kann, als wenn die Planeten allein waͤren.
Sie behaͤlt gegen den Jupiter und Saturn noch alle-
zeit eine ſehr betraͤchtliche Schwere, welche zureichend
waͤre, ſie in einem Circul herum zu ziehen, deſſen
Halbmeſſer ungefehr ſo groß als der Durchmeſſer der
Sonne waͤre. Dieſer Circul waͤre noch uͤberdiß vie-
len kleinen Abweichungen unterworfen, die ungefehr
eine Periode von 20. Jahren, als der Zeit einer groſ-
ſen Conjun[c]tion haͤtten. Dieſes aber hat nun nicht
ſtatt, weil aller Orten um die Sonne herum eine be-
traͤchtliche Anzahl von Cometen iſt, deren jeder die
Sonne etwas gegen ſich zieht, und eben dadurch weicht
ſie ſo gut als gar nicht. Ich bleibe noch immer da-
bey, daß die groͤßten Cometen nicht nahe zur Sonne,
und daher auch nicht in unſern Geſichtskreyß kommen.
Wir hatten dieſes aus der Oeconomie des Raumes,
der nahe bey der Sonne geſpahrt werden muß, und
aus der ungeſtoͤhrten Ruhe der Planeten und Come-
ten hergeleitet; und nun koͤnnte es auch daraus ge-
folgert werden, daß die Sonne ſelbſt ungeſtoͤrt blei-
ben muͤſſe. Erinnern Sie ſich hiebey, mein Herr, daß
ich in der Sprache der Copernicaniſchen Hypotheſe
rede. Denn an ſich betrachtet, wird die Sonne ge-
nug beſchaͤftigt, weil ſie in ihrer Cycloidal-Linie vom
997ten Grade noch eben ſo vielen Befehlshabern
Folge leiſten muß. Denn ich bleibe nun bey die-
ſer Subordination, ſo unzureichend ſie bewieſen ſeyn
mag. Sie iſt viel zu harmoniſch, als daß ich ſie bis

zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0299" n="266"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Co&#x017F;mologi&#x017F;che Briefe</hi></fw><lb/>
Anzahl von Cometen viel ruhiger bleibt, und ihr Mit-<lb/>
telpunct von dem Mittelpuncte des Sy&#x017F;tems weniger<lb/>
abweichen kann, als wenn die Planeten allein wa&#x0364;ren.<lb/>
Sie beha&#x0364;lt gegen den Jupiter und Saturn noch alle-<lb/>
zeit eine &#x017F;ehr betra&#x0364;chtliche Schwere, welche zureichend<lb/>
wa&#x0364;re, &#x017F;ie in einem Circul herum zu ziehen, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Halbme&#x017F;&#x017F;er ungefehr &#x017F;o groß als der Durchme&#x017F;&#x017F;er der<lb/>
Sonne wa&#x0364;re. Die&#x017F;er Circul wa&#x0364;re noch u&#x0364;berdiß vie-<lb/>
len kleinen Abweichungen unterworfen, die ungefehr<lb/>
eine <hi rendition="#aq">Periode</hi> von 20. Jahren, als der Zeit einer gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en <hi rendition="#aq">Conjun<supplied>c</supplied>tion</hi> ha&#x0364;tten. Die&#x017F;es aber hat nun nicht<lb/>
&#x017F;tatt, weil aller Orten um die Sonne herum eine be-<lb/>
tra&#x0364;chtliche Anzahl von Cometen i&#x017F;t, deren jeder die<lb/>
Sonne etwas gegen &#x017F;ich zieht, und eben dadurch weicht<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;o gut als gar nicht. Ich bleibe noch immer da-<lb/>
bey, daß die gro&#x0364;ßten Cometen nicht nahe zur Sonne,<lb/>
und daher auch nicht in un&#x017F;ern Ge&#x017F;ichtskreyß kommen.<lb/>
Wir hatten die&#x017F;es aus der Oeconomie des Raumes,<lb/>
der nahe bey der Sonne ge&#x017F;pahrt werden muß, und<lb/>
aus der unge&#x017F;to&#x0364;hrten Ruhe der Planeten und Come-<lb/>
ten hergeleitet; und nun ko&#x0364;nnte es auch daraus ge-<lb/>
folgert werden, daß die Sonne &#x017F;elb&#x017F;t unge&#x017F;to&#x0364;rt blei-<lb/>
ben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Erinnern Sie &#x017F;ich hiebey, mein Herr, daß<lb/>
ich in der Sprache der Copernicani&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Hypothe&#x017F;e</hi><lb/>
rede. Denn an &#x017F;ich betrachtet, wird die Sonne ge-<lb/>
nug be&#x017F;cha&#x0364;ftigt, weil &#x017F;ie in ihrer <hi rendition="#aq">Cycloidal-</hi>Linie vom<lb/>
997ten Grade noch eben &#x017F;o vielen Befehlshabern<lb/>
Folge lei&#x017F;ten muß. Denn ich bleibe nun bey die-<lb/>
&#x017F;er <hi rendition="#aq">Subordination,</hi> &#x017F;o unzureichend &#x017F;ie bewie&#x017F;en &#x017F;eyn<lb/>
mag. Sie i&#x017F;t viel zu harmoni&#x017F;ch, als daß ich &#x017F;ie bis<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0299] Coſmologiſche Briefe Anzahl von Cometen viel ruhiger bleibt, und ihr Mit- telpunct von dem Mittelpuncte des Syſtems weniger abweichen kann, als wenn die Planeten allein waͤren. Sie behaͤlt gegen den Jupiter und Saturn noch alle- zeit eine ſehr betraͤchtliche Schwere, welche zureichend waͤre, ſie in einem Circul herum zu ziehen, deſſen Halbmeſſer ungefehr ſo groß als der Durchmeſſer der Sonne waͤre. Dieſer Circul waͤre noch uͤberdiß vie- len kleinen Abweichungen unterworfen, die ungefehr eine Periode von 20. Jahren, als der Zeit einer groſ- ſen Conjunction haͤtten. Dieſes aber hat nun nicht ſtatt, weil aller Orten um die Sonne herum eine be- traͤchtliche Anzahl von Cometen iſt, deren jeder die Sonne etwas gegen ſich zieht, und eben dadurch weicht ſie ſo gut als gar nicht. Ich bleibe noch immer da- bey, daß die groͤßten Cometen nicht nahe zur Sonne, und daher auch nicht in unſern Geſichtskreyß kommen. Wir hatten dieſes aus der Oeconomie des Raumes, der nahe bey der Sonne geſpahrt werden muß, und aus der ungeſtoͤhrten Ruhe der Planeten und Come- ten hergeleitet; und nun koͤnnte es auch daraus ge- folgert werden, daß die Sonne ſelbſt ungeſtoͤrt blei- ben muͤſſe. Erinnern Sie ſich hiebey, mein Herr, daß ich in der Sprache der Copernicaniſchen Hypotheſe rede. Denn an ſich betrachtet, wird die Sonne ge- nug beſchaͤftigt, weil ſie in ihrer Cycloidal-Linie vom 997ten Grade noch eben ſo vielen Befehlshabern Folge leiſten muß. Denn ich bleibe nun bey die- ſer Subordination, ſo unzureichend ſie bewieſen ſeyn mag. Sie iſt viel zu harmoniſch, als daß ich ſie bis zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/299
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/299>, abgerufen am 22.05.2024.