Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

Cosmologische Briefe
nur relativ seye. Denn da Sie richtig annehmen
können, unsere Sonne bleibe eben so wenig an glei-
cher Stelle als die Fixsterne, so vermischt sich die Aen-
derung ihres Ortes mit der scheinbarn Veränderung
der Lage der Sterne, und es ist unstreitig, daß man
hiebey das Optische von dem Physischen unterscheiden
müsse, wie es in der ganzen Astronomie schon längsten
eingeführt ist.

Um aber diese Sache in ihr wahres Licht zu se-
tzen, so muß ich Ihnen sagen, daß ich nun um die
Bestimmung des Abstandes der Fixsterne unter einan-
der gar nicht mehr besorgt bin. Sie wissen, wie vie-
le Mühe man sich gegeben, die Parallaxe der Erdbahn
dazu zu gebrauchen, nur um den Abstand eines der
nächsten zu finden, und daß der halbe Diameter die-
ser Bahn bald keine Verhältnis zu diesem Abstande
behält, weil er wenigstens 500000mal grösser ist.
Aber nun haben wir eine ganz andere Parallaxe, wel-
che uns nach und nach die Lage der Fixsterne genauer
angeben wird. Es ist die Parallaxe der Sonnenbahn,
die sie um den Mittelpunct des Fixsternensystems
durchläuft, und wir werden nun in Absicht auf die
Fixsterne eben die Kunstgriffe gebrauchen können, de-
ren sich die Astronomen im Monde in Absicht auf die
Hauptplaneten bedienen müßten, wenn sie die Sonne
nie sehen würden. Es ist natürlich, daß es uns meh-
rere Zeit gebraucht. Die Grösse und Würdigkeit der
Sache fordert sie.

Den

Coſmologiſche Briefe
nur relativ ſeye. Denn da Sie richtig annehmen
koͤnnen, unſere Sonne bleibe eben ſo wenig an glei-
cher Stelle als die Fixſterne, ſo vermiſcht ſich die Aen-
derung ihres Ortes mit der ſcheinbarn Veraͤnderung
der Lage der Sterne, und es iſt unſtreitig, daß man
hiebey das Optiſche von dem Phyſiſchen unterſcheiden
muͤſſe, wie es in der ganzen Aſtronomie ſchon laͤngſten
eingefuͤhrt iſt.

Um aber dieſe Sache in ihr wahres Licht zu ſe-
tzen, ſo muß ich Ihnen ſagen, daß ich nun um die
Beſtimmung des Abſtandes der Fixſterne unter einan-
der gar nicht mehr beſorgt bin. Sie wiſſen, wie vie-
le Muͤhe man ſich gegeben, die Parallaxe der Erdbahn
dazu zu gebrauchen, nur um den Abſtand eines der
naͤchſten zu finden, und daß der halbe Diameter die-
ſer Bahn bald keine Verhaͤltnis zu dieſem Abſtande
behaͤlt, weil er wenigſtens 500000mal groͤſſer iſt.
Aber nun haben wir eine ganz andere Parallaxe, wel-
che uns nach und nach die Lage der Fixſterne genauer
angeben wird. Es iſt die Parallaxe der Sonnenbahn,
die ſie um den Mittelpunct des Fixſternenſyſtems
durchlaͤuft, und wir werden nun in Abſicht auf die
Fixſterne eben die Kunſtgriffe gebrauchen koͤnnen, de-
ren ſich die Aſtronomen im Monde in Abſicht auf die
Hauptplaneten bedienen muͤßten, wenn ſie die Sonne
nie ſehen wuͤrden. Es iſt natuͤrlich, daß es uns meh-
rere Zeit gebraucht. Die Groͤſſe und Wuͤrdigkeit der
Sache fordert ſie.

Den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0249" n="216"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Co&#x017F;mologi&#x017F;che Briefe</hi></fw><lb/>
nur <hi rendition="#aq">relativ</hi> &#x017F;eye. Denn da Sie richtig annehmen<lb/>
ko&#x0364;nnen, un&#x017F;ere Sonne bleibe eben &#x017F;o wenig an glei-<lb/>
cher Stelle als die Fix&#x017F;terne, &#x017F;o vermi&#x017F;cht &#x017F;ich die Aen-<lb/>
derung ihres Ortes mit der &#x017F;cheinbarn Vera&#x0364;nderung<lb/>
der Lage der Sterne, und es i&#x017F;t un&#x017F;treitig, daß man<lb/>
hiebey das Opti&#x017F;che von dem Phy&#x017F;i&#x017F;chen unter&#x017F;cheiden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, wie es in der ganzen A&#x017F;tronomie &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;ten<lb/>
eingefu&#x0364;hrt i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Um aber die&#x017F;e Sache in ihr wahres Licht zu &#x017F;e-<lb/>
tzen, &#x017F;o muß ich Ihnen &#x017F;agen, daß ich nun um die<lb/>
Be&#x017F;timmung des Ab&#x017F;tandes der Fix&#x017F;terne unter einan-<lb/>
der gar nicht mehr be&#x017F;orgt bin. Sie wi&#x017F;&#x017F;en, wie vie-<lb/>
le Mu&#x0364;he man &#x017F;ich gegeben, die <hi rendition="#aq">Parallaxe</hi> der Erdbahn<lb/>
dazu zu gebrauchen, nur um den Ab&#x017F;tand eines der<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;ten zu finden, und daß der halbe <hi rendition="#aq">Diameter</hi> die-<lb/>
&#x017F;er Bahn bald keine Verha&#x0364;ltnis zu die&#x017F;em Ab&#x017F;tande<lb/>
beha&#x0364;lt, weil er wenig&#x017F;tens 500000mal gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t.<lb/>
Aber nun haben wir eine ganz andere <hi rendition="#aq">Parallaxe,</hi> wel-<lb/>
che uns nach und nach die Lage der Fix&#x017F;terne genauer<lb/>
angeben wird. Es i&#x017F;t die <hi rendition="#aq">Parallaxe</hi> der Sonnenbahn,<lb/>
die &#x017F;ie um den Mittelpunct des Fix&#x017F;ternen&#x017F;y&#x017F;tems<lb/>
durchla&#x0364;uft, und wir werden nun in Ab&#x017F;icht auf die<lb/>
Fix&#x017F;terne eben die Kun&#x017F;tgriffe gebrauchen ko&#x0364;nnen, de-<lb/>
ren &#x017F;ich die A&#x017F;tronomen im Monde in Ab&#x017F;icht auf die<lb/>
Hauptplaneten bedienen mu&#x0364;ßten, wenn &#x017F;ie die Sonne<lb/>
nie &#x017F;ehen wu&#x0364;rden. Es i&#x017F;t natu&#x0364;rlich, daß es uns meh-<lb/>
rere Zeit gebraucht. Die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Wu&#x0364;rdigkeit der<lb/>
Sache fordert &#x017F;ie.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Den</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0249] Coſmologiſche Briefe nur relativ ſeye. Denn da Sie richtig annehmen koͤnnen, unſere Sonne bleibe eben ſo wenig an glei- cher Stelle als die Fixſterne, ſo vermiſcht ſich die Aen- derung ihres Ortes mit der ſcheinbarn Veraͤnderung der Lage der Sterne, und es iſt unſtreitig, daß man hiebey das Optiſche von dem Phyſiſchen unterſcheiden muͤſſe, wie es in der ganzen Aſtronomie ſchon laͤngſten eingefuͤhrt iſt. Um aber dieſe Sache in ihr wahres Licht zu ſe- tzen, ſo muß ich Ihnen ſagen, daß ich nun um die Beſtimmung des Abſtandes der Fixſterne unter einan- der gar nicht mehr beſorgt bin. Sie wiſſen, wie vie- le Muͤhe man ſich gegeben, die Parallaxe der Erdbahn dazu zu gebrauchen, nur um den Abſtand eines der naͤchſten zu finden, und daß der halbe Diameter die- ſer Bahn bald keine Verhaͤltnis zu dieſem Abſtande behaͤlt, weil er wenigſtens 500000mal groͤſſer iſt. Aber nun haben wir eine ganz andere Parallaxe, wel- che uns nach und nach die Lage der Fixſterne genauer angeben wird. Es iſt die Parallaxe der Sonnenbahn, die ſie um den Mittelpunct des Fixſternenſyſtems durchlaͤuft, und wir werden nun in Abſicht auf die Fixſterne eben die Kunſtgriffe gebrauchen koͤnnen, de- ren ſich die Aſtronomen im Monde in Abſicht auf die Hauptplaneten bedienen muͤßten, wenn ſie die Sonne nie ſehen wuͤrden. Es iſt natuͤrlich, daß es uns meh- rere Zeit gebraucht. Die Groͤſſe und Wuͤrdigkeit der Sache fordert ſie. Den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/249
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/249>, abgerufen am 25.11.2024.