Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

über die Einrichtung des Weltbaues.
ich wäre geneigt zu glauben, daß alle diese Systemen,
oder die ganze Milchstrasse einen gemeinsamen Mittel-
punct habe, um welche sie laufen.

Sie sehen hieraus, mein Herr, daß ich nach der
Analogie schliesse. So z. E. gehören die Trabanten
zu den Haupt-Planeten, diese zur Sonne, die Son-
ne zu ihrem System, und dieses zum System der gan-
zen Milchstrasse. Weiter reichen unsere Augen nicht,
und ich lasse es unbestimmt, ob nicht die uns sichtbare
Milchstrasse zu noch unzähligen andern gehört, und
mit denselben wieder ein ganzes System ausmacht.
Vielleicht ist das Licht dieser so unermeßlich entfernten
Milchstrasse so schwach, daß wir es nicht sehen können.
Denn die nächsten Fixsterne mögen dennoch ein schwa-
ches Licht durch unsere Luft ausbreiten, weil wir des
Nachts zumal bey hellem Himmel noch sehen können.
Diese so schwache Klarheit kann unstreitig eine noch
schwächere verdunkeln und unempfindbar machen, und
ich schliesse aus dem, daß die Milchstrasse noch sichtbar
ist, wie unzählig viele Sonnen in diesem Streifen
seyn müssen. Dem blossen Auge entziehen sich die
Sterne der siebenden und der folgenden Grössen, und
sie werden uns nur alsdenn sichtbar, wenn viele der-
selben dichte beysammen sind. Wir sehen dieses an
den sogenannten neblichten Sternen. Die Fernröh-
ren lehren uns, daß sie nichts anders als ein Haufen
von Sternen sind, die die Entfernung kleiner macht,
als daß wir sie mit blossem Auge unterscheiden könn-
ten. Wenn sich aber das Licht von vielen zusammen

paaret,
I

uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
ich waͤre geneigt zu glauben, daß alle dieſe Syſtemen,
oder die ganze Milchſtraſſe einen gemeinſamen Mittel-
punct habe, um welche ſie laufen.

Sie ſehen hieraus, mein Herr, daß ich nach der
Analogie ſchlieſſe. So z. E. gehoͤren die Trabanten
zu den Haupt-Planeten, dieſe zur Sonne, die Son-
ne zu ihrem Syſtem, und dieſes zum Syſtem der gan-
zen Milchſtraſſe. Weiter reichen unſere Augen nicht,
und ich laſſe es unbeſtimmt, ob nicht die uns ſichtbare
Milchſtraſſe zu noch unzaͤhligen andern gehoͤrt, und
mit denſelben wieder ein ganzes Syſtem ausmacht.
Vielleicht iſt das Licht dieſer ſo unermeßlich entfernten
Milchſtraſſe ſo ſchwach, daß wir es nicht ſehen koͤnnen.
Denn die naͤchſten Fixſterne moͤgen dennoch ein ſchwa-
ches Licht durch unſere Luft ausbreiten, weil wir des
Nachts zumal bey hellem Himmel noch ſehen koͤnnen.
Dieſe ſo ſchwache Klarheit kann unſtreitig eine noch
ſchwaͤchere verdunkeln und unempfindbar machen, und
ich ſchlieſſe aus dem, daß die Milchſtraſſe noch ſichtbar
iſt, wie unzaͤhlig viele Sonnen in dieſem Streifen
ſeyn muͤſſen. Dem bloſſen Auge entziehen ſich die
Sterne der ſiebenden und der folgenden Groͤſſen, und
ſie werden uns nur alsdenn ſichtbar, wenn viele der-
ſelben dichte beyſammen ſind. Wir ſehen dieſes an
den ſogenannten neblichten Sternen. Die Fernroͤh-
ren lehren uns, daß ſie nichts anders als ein Haufen
von Sternen ſind, die die Entfernung kleiner macht,
als daß wir ſie mit bloſſem Auge unterſcheiden koͤnn-
ten. Wenn ſich aber das Licht von vielen zuſammen

paaret,
I
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0162" n="129"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">u&#x0364;ber die Einrichtung des Weltbaues.</hi></fw><lb/>
ich wa&#x0364;re geneigt zu glauben, daß alle die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Sy&#x017F;tem</hi>en,<lb/>
oder die ganze Milch&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e einen gemein&#x017F;amen Mittel-<lb/>
punct habe, um welche &#x017F;ie laufen.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;ehen hieraus, mein Herr, daß ich nach der<lb/><hi rendition="#aq"> Analogie</hi> &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;e. So z. E. geho&#x0364;ren die Trabanten<lb/>
zu den Haupt-Planeten, die&#x017F;e zur Sonne, die Son-<lb/>
ne zu ihrem <hi rendition="#aq">Sy&#x017F;tem,</hi> und die&#x017F;es zum <hi rendition="#aq">Sy&#x017F;tem</hi> der gan-<lb/>
zen Milch&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e. Weiter reichen un&#x017F;ere Augen nicht,<lb/>
und ich la&#x017F;&#x017F;e es unbe&#x017F;timmt, ob nicht die uns &#x017F;ichtbare<lb/>
Milch&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e zu noch unza&#x0364;hligen andern geho&#x0364;rt, und<lb/>
mit den&#x017F;elben wieder ein ganzes <hi rendition="#aq">Sy&#x017F;tem</hi> ausmacht.<lb/>
Vielleicht i&#x017F;t das Licht die&#x017F;er &#x017F;o unermeßlich entfernten<lb/>
Milch&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e &#x017F;o &#x017F;chwach, daß wir es nicht &#x017F;ehen ko&#x0364;nnen.<lb/>
Denn die na&#x0364;ch&#x017F;ten Fix&#x017F;terne mo&#x0364;gen dennoch ein &#x017F;chwa-<lb/>
ches Licht durch un&#x017F;ere Luft ausbreiten, weil wir des<lb/>
Nachts zumal bey hellem Himmel noch &#x017F;ehen ko&#x0364;nnen.<lb/>
Die&#x017F;e &#x017F;o &#x017F;chwache Klarheit kann un&#x017F;treitig eine noch<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;chere verdunkeln und unempfindbar machen, und<lb/>
ich &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;e aus dem, daß die Milch&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e noch &#x017F;ichtbar<lb/>
i&#x017F;t, wie unza&#x0364;hlig viele Sonnen in die&#x017F;em Streifen<lb/>
&#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Dem blo&#x017F;&#x017F;en Auge entziehen &#x017F;ich die<lb/>
Sterne der &#x017F;iebenden und der folgenden Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
&#x017F;ie werden uns nur alsdenn &#x017F;ichtbar, wenn viele der-<lb/>
&#x017F;elben dichte bey&#x017F;ammen &#x017F;ind. Wir &#x017F;ehen die&#x017F;es an<lb/>
den &#x017F;ogenannten neblichten Sternen. Die Fernro&#x0364;h-<lb/>
ren lehren uns, daß &#x017F;ie nichts anders als ein Haufen<lb/>
von Sternen &#x017F;ind, die die Entfernung kleiner macht,<lb/>
als daß wir &#x017F;ie mit blo&#x017F;&#x017F;em Auge unter&#x017F;cheiden ko&#x0364;nn-<lb/>
ten. Wenn &#x017F;ich aber das Licht von vielen zu&#x017F;ammen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">I</fw><fw place="bottom" type="catch">paaret,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0162] uͤber die Einrichtung des Weltbaues. ich waͤre geneigt zu glauben, daß alle dieſe Syſtemen, oder die ganze Milchſtraſſe einen gemeinſamen Mittel- punct habe, um welche ſie laufen. Sie ſehen hieraus, mein Herr, daß ich nach der Analogie ſchlieſſe. So z. E. gehoͤren die Trabanten zu den Haupt-Planeten, dieſe zur Sonne, die Son- ne zu ihrem Syſtem, und dieſes zum Syſtem der gan- zen Milchſtraſſe. Weiter reichen unſere Augen nicht, und ich laſſe es unbeſtimmt, ob nicht die uns ſichtbare Milchſtraſſe zu noch unzaͤhligen andern gehoͤrt, und mit denſelben wieder ein ganzes Syſtem ausmacht. Vielleicht iſt das Licht dieſer ſo unermeßlich entfernten Milchſtraſſe ſo ſchwach, daß wir es nicht ſehen koͤnnen. Denn die naͤchſten Fixſterne moͤgen dennoch ein ſchwa- ches Licht durch unſere Luft ausbreiten, weil wir des Nachts zumal bey hellem Himmel noch ſehen koͤnnen. Dieſe ſo ſchwache Klarheit kann unſtreitig eine noch ſchwaͤchere verdunkeln und unempfindbar machen, und ich ſchlieſſe aus dem, daß die Milchſtraſſe noch ſichtbar iſt, wie unzaͤhlig viele Sonnen in dieſem Streifen ſeyn muͤſſen. Dem bloſſen Auge entziehen ſich die Sterne der ſiebenden und der folgenden Groͤſſen, und ſie werden uns nur alsdenn ſichtbar, wenn viele der- ſelben dichte beyſammen ſind. Wir ſehen dieſes an den ſogenannten neblichten Sternen. Die Fernroͤh- ren lehren uns, daß ſie nichts anders als ein Haufen von Sternen ſind, die die Entfernung kleiner macht, als daß wir ſie mit bloſſem Auge unterſcheiden koͤnn- ten. Wenn ſich aber das Licht von vielen zuſammen paaret, I

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/162
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/162>, abgerufen am 02.05.2024.