Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite
Cosmologische Briefe

wohnt seyn sollte. Wie, wenn in diesem so schmalen
Striche so undenkbar viele Sonnen seyn konnten, wo
mag es gefehlt haben, daß nicht der ganze Himmel
eben so dichte damit besetzt ist? Sehen Sie, es geht
mir nun vollkommen, wie den Philosophen, die ich in
meinem ersten Schreiben bestraft hatte. Ich werde
unvermerkt auf ihre Spur gebracht, und fange nun
bald an, Fragen und Zweifel auf einander aufzuhäu-
fen. Doch hoffe ich, meine Zweifel werden nicht so
fürchterlich seyn, und wenn uns nur die Cometen in
Ruhe lassen, so bin ich nicht besorgt, daß uns etwa
ein Fixstern besuchen werde. Er müßte dem ganzen
Sonnen-System den Krieg ankünden, dieses aber wer-
de ich wohl niemals einräumen.

Was gedenken Sie aber hierüber, und wie fer-
ne getrauen Sie sich, mein Herr, Ihren Grundsatz
von der Bewohnbarkeit des Weltgebäudes zu rechtfer-
tigen, und auch da noch zu zeigen, daß er mit der
Ordnung in der Einrichtung des Ganzen und mit
dem Gesetze der Schwere zusammenhängt? Wie
wunderbar muß es doch in der Milchstrasse ausse-
hen! Glauben Sie, daß die Sterne in diesem
lichten Streife in der That dichter beysammen sind,
oder liegen sie nur in unendlich langen Reihen hin-
ter einander? Es mag aber das erste oder das
letzte seyn, so komme ich immer wieder auf mei-
ne vorige Frage, warum es nur in diesen eini-
gen Streifen ist? So unzählbar die Sterne aus-

ser
Coſmologiſche Briefe

wohnt ſeyn ſollte. Wie, wenn in dieſem ſo ſchmalen
Striche ſo undenkbar viele Sonnen ſeyn konnten, wo
mag es gefehlt haben, daß nicht der ganze Himmel
eben ſo dichte damit beſetzt iſt? Sehen Sie, es geht
mir nun vollkommen, wie den Philoſophen, die ich in
meinem erſten Schreiben beſtraft hatte. Ich werde
unvermerkt auf ihre Spur gebracht, und fange nun
bald an, Fragen und Zweifel auf einander aufzuhaͤu-
fen. Doch hoffe ich, meine Zweifel werden nicht ſo
fuͤrchterlich ſeyn, und wenn uns nur die Cometen in
Ruhe laſſen, ſo bin ich nicht beſorgt, daß uns etwa
ein Fixſtern beſuchen werde. Er muͤßte dem ganzen
Sonnen-Syſtem den Krieg ankuͤnden, dieſes aber wer-
de ich wohl niemals einraͤumen.

Was gedenken Sie aber hieruͤber, und wie fer-
ne getrauen Sie ſich, mein Herr, Ihren Grundſatz
von der Bewohnbarkeit des Weltgebaͤudes zu rechtfer-
tigen, und auch da noch zu zeigen, daß er mit der
Ordnung in der Einrichtung des Ganzen und mit
dem Geſetze der Schwere zuſammenhaͤngt? Wie
wunderbar muß es doch in der Milchſtraſſe ausſe-
hen! Glauben Sie, daß die Sterne in dieſem
lichten Streife in der That dichter beyſammen ſind,
oder liegen ſie nur in unendlich langen Reihen hin-
ter einander? Es mag aber das erſte oder das
letzte ſeyn, ſo komme ich immer wieder auf mei-
ne vorige Frage, warum es nur in dieſen eini-
gen Streifen iſt? So unzaͤhlbar die Sterne auſ-

ſer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0151" n="118"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Co&#x017F;mologi&#x017F;che Briefe</hi> </fw><lb/>
          <p>wohnt &#x017F;eyn &#x017F;ollte. Wie, wenn in die&#x017F;em &#x017F;o &#x017F;chmalen<lb/>
Striche &#x017F;o undenkbar viele Sonnen &#x017F;eyn konnten, wo<lb/>
mag es gefehlt haben, daß nicht der ganze Himmel<lb/>
eben &#x017F;o dichte damit be&#x017F;etzt i&#x017F;t? Sehen Sie, es geht<lb/>
mir nun vollkommen, wie den Philo&#x017F;ophen, die ich in<lb/>
meinem er&#x017F;ten Schreiben be&#x017F;traft hatte. Ich werde<lb/>
unvermerkt auf ihre Spur gebracht, und fange nun<lb/>
bald an, Fragen und Zweifel auf einander aufzuha&#x0364;u-<lb/>
fen. Doch hoffe ich, meine Zweifel werden nicht &#x017F;o<lb/>
fu&#x0364;rchterlich &#x017F;eyn, und wenn uns nur die Cometen in<lb/>
Ruhe la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o bin ich nicht be&#x017F;orgt, daß uns etwa<lb/>
ein Fix&#x017F;tern be&#x017F;uchen werde. Er mu&#x0364;ßte dem ganzen<lb/>
Sonnen-<hi rendition="#aq">Sy&#x017F;tem</hi> den Krieg anku&#x0364;nden, die&#x017F;es aber wer-<lb/>
de ich wohl niemals einra&#x0364;umen.</p><lb/>
          <p>Was gedenken Sie aber hieru&#x0364;ber, und wie fer-<lb/>
ne getrauen Sie &#x017F;ich, mein Herr, Ihren Grund&#x017F;atz<lb/>
von der Bewohnbarkeit des Weltgeba&#x0364;udes zu rechtfer-<lb/>
tigen, und auch da noch zu zeigen, daß er mit der<lb/>
Ordnung in der Einrichtung des Ganzen und mit<lb/>
dem Ge&#x017F;etze der Schwere zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngt? Wie<lb/>
wunderbar muß es doch in der Milch&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e aus&#x017F;e-<lb/>
hen! Glauben Sie, daß die Sterne in die&#x017F;em<lb/>
lichten Streife in der That dichter bey&#x017F;ammen &#x017F;ind,<lb/>
oder liegen &#x017F;ie nur in unendlich langen Reihen hin-<lb/>
ter einander? Es mag aber das er&#x017F;te oder das<lb/>
letzte &#x017F;eyn, &#x017F;o komme ich immer wieder auf mei-<lb/>
ne vorige Frage, warum es nur in die&#x017F;en eini-<lb/>
gen Streifen i&#x017F;t? So unza&#x0364;hlbar die Sterne au&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;er</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0151] Coſmologiſche Briefe wohnt ſeyn ſollte. Wie, wenn in dieſem ſo ſchmalen Striche ſo undenkbar viele Sonnen ſeyn konnten, wo mag es gefehlt haben, daß nicht der ganze Himmel eben ſo dichte damit beſetzt iſt? Sehen Sie, es geht mir nun vollkommen, wie den Philoſophen, die ich in meinem erſten Schreiben beſtraft hatte. Ich werde unvermerkt auf ihre Spur gebracht, und fange nun bald an, Fragen und Zweifel auf einander aufzuhaͤu- fen. Doch hoffe ich, meine Zweifel werden nicht ſo fuͤrchterlich ſeyn, und wenn uns nur die Cometen in Ruhe laſſen, ſo bin ich nicht beſorgt, daß uns etwa ein Fixſtern beſuchen werde. Er muͤßte dem ganzen Sonnen-Syſtem den Krieg ankuͤnden, dieſes aber wer- de ich wohl niemals einraͤumen. Was gedenken Sie aber hieruͤber, und wie fer- ne getrauen Sie ſich, mein Herr, Ihren Grundſatz von der Bewohnbarkeit des Weltgebaͤudes zu rechtfer- tigen, und auch da noch zu zeigen, daß er mit der Ordnung in der Einrichtung des Ganzen und mit dem Geſetze der Schwere zuſammenhaͤngt? Wie wunderbar muß es doch in der Milchſtraſſe ausſe- hen! Glauben Sie, daß die Sterne in dieſem lichten Streife in der That dichter beyſammen ſind, oder liegen ſie nur in unendlich langen Reihen hin- ter einander? Es mag aber das erſte oder das letzte ſeyn, ſo komme ich immer wieder auf mei- ne vorige Frage, warum es nur in dieſen eini- gen Streifen iſt? So unzaͤhlbar die Sterne auſ- ſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/151
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/151>, abgerufen am 03.05.2024.