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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

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Cosmologische Briefe
kehren Sie nun diese Schlüsse nicht auch um? Finden
Sie die Folge nicht strenge genug, wenn sie nun hin-
wiederum aus so vielen Uebereinstimmungen mit der
Erfahrung die Richtigkeit des Grundsatzes veste setzen
sollen? Doch ich sehe nun Ihre Art zu beweisen.
Den Grundsatz leiten Sie aus den Absichten der
Schöpfung her, und was je noch an dessen Allgemein-
heit von Ausnahmen zweifelhaft bleiben könnte, dieses
ersetzen Sie durch die Erfahrung. Der Beweis aus
der Erfahrung würde für sich betrachtet zureichen,
wenn wir ein vollständiges Register von allen Cometen
hätten, oder wenn die Halleyische Tafel auf alle aus-
gedehnt wäre. Da wir aber kaum den Anfang davon
haben, so gebrauchen Sie teleologische Gründe, um
das Mangelnde zu ersetzen, und vorher zu sagen, was
die künstigen Erfahrungen lehren werden. Aus der
Teleologie leiten Sie die Absichten her, und aus der
Erfahrung finden Sie, daß die Mittel zu solchen Ab-
sichten vorhanden sind. Auf diese Art geben Ihnen
die Absichten Anlaß, den Mitteln nachzuforschen, und
die Mittel leiten Sie dahin, daß Sie die Absichten
finden, und ihre Allgemeinheit beurtheilen können.
Sie rücken beyde näher zusammen, und Ihr Beweis
wird dadurch vollständig. So hatte ich in meinem
letzten Schreiben gewünscht, die abstra[c]ten Gründe
der Cosmologie und die Verfassung der wirklichen
Welt auf eine nähere Art zu verbinden, weil ich da-
durch hoffen konnte, in den Schlüssen ungleich weiter
zu gehen.

Es

Coſmologiſche Briefe
kehren Sie nun dieſe Schluͤſſe nicht auch um? Finden
Sie die Folge nicht ſtrenge genug, wenn ſie nun hin-
wiederum aus ſo vielen Uebereinſtimmungen mit der
Erfahrung die Richtigkeit des Grundſatzes veſte ſetzen
ſollen? Doch ich ſehe nun Ihre Art zu beweiſen.
Den Grundſatz leiten Sie aus den Abſichten der
Schoͤpfung her, und was je noch an deſſen Allgemein-
heit von Ausnahmen zweifelhaft bleiben koͤnnte, dieſes
erſetzen Sie durch die Erfahrung. Der Beweis aus
der Erfahrung wuͤrde fuͤr ſich betrachtet zureichen,
wenn wir ein vollſtaͤndiges Regiſter von allen Cometen
haͤtten, oder wenn die Halleyiſche Tafel auf alle aus-
gedehnt waͤre. Da wir aber kaum den Anfang davon
haben, ſo gebrauchen Sie teleologiſche Gruͤnde, um
das Mangelnde zu erſetzen, und vorher zu ſagen, was
die kuͤnſtigen Erfahrungen lehren werden. Aus der
Teleologie leiten Sie die Abſichten her, und aus der
Erfahrung finden Sie, daß die Mittel zu ſolchen Ab-
ſichten vorhanden ſind. Auf dieſe Art geben Ihnen
die Abſichten Anlaß, den Mitteln nachzuforſchen, und
die Mittel leiten Sie dahin, daß Sie die Abſichten
finden, und ihre Allgemeinheit beurtheilen koͤnnen.
Sie ruͤcken beyde naͤher zuſammen, und Ihr Beweis
wird dadurch vollſtaͤndig. So hatte ich in meinem
letzten Schreiben gewuͤnſcht, die abſtra[c]ten Gruͤnde
der Coſmologie und die Verfaſſung der wirklichen
Welt auf eine naͤhere Art zu verbinden, weil ich da-
durch hoffen konnte, in den Schluͤſſen ungleich weiter
zu gehen.

Es
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[84/0117] Coſmologiſche Briefe kehren Sie nun dieſe Schluͤſſe nicht auch um? Finden Sie die Folge nicht ſtrenge genug, wenn ſie nun hin- wiederum aus ſo vielen Uebereinſtimmungen mit der Erfahrung die Richtigkeit des Grundſatzes veſte ſetzen ſollen? Doch ich ſehe nun Ihre Art zu beweiſen. Den Grundſatz leiten Sie aus den Abſichten der Schoͤpfung her, und was je noch an deſſen Allgemein- heit von Ausnahmen zweifelhaft bleiben koͤnnte, dieſes erſetzen Sie durch die Erfahrung. Der Beweis aus der Erfahrung wuͤrde fuͤr ſich betrachtet zureichen, wenn wir ein vollſtaͤndiges Regiſter von allen Cometen haͤtten, oder wenn die Halleyiſche Tafel auf alle aus- gedehnt waͤre. Da wir aber kaum den Anfang davon haben, ſo gebrauchen Sie teleologiſche Gruͤnde, um das Mangelnde zu erſetzen, und vorher zu ſagen, was die kuͤnſtigen Erfahrungen lehren werden. Aus der Teleologie leiten Sie die Abſichten her, und aus der Erfahrung finden Sie, daß die Mittel zu ſolchen Ab- ſichten vorhanden ſind. Auf dieſe Art geben Ihnen die Abſichten Anlaß, den Mitteln nachzuforſchen, und die Mittel leiten Sie dahin, daß Sie die Abſichten finden, und ihre Allgemeinheit beurtheilen koͤnnen. Sie ruͤcken beyde naͤher zuſammen, und Ihr Beweis wird dadurch vollſtaͤndig. So hatte ich in meinem letzten Schreiben gewuͤnſcht, die abſtracten Gruͤnde der Coſmologie und die Verfaſſung der wirklichen Welt auf eine naͤhere Art zu verbinden, weil ich da- durch hoffen konnte, in den Schluͤſſen ungleich weiter zu gehen. Es

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/117>, abgerufen am 30.04.2024.