was ich sage, nur einen gewissen Grad von Wahr- scheinlichkeit hat. Diese aber habe ich mich mit gu- tem Vorbedachte, bemüht, so weit zu treiben, als es möglich ware. Ich kehrte jede Sache auf alle Sei- ten um, um von jeder derselben, neue Gründe zu ih- rer Unterstützung zu suchen, und den Beweisen trach- tete ich alle Manigfaltigkeit zu geben, und sie der Ge- wißheit so nahe zu bringen, als es sich thun liesse. Ich untersuchte, was zur völligen Gewißheit gehör- te, und legte die Gründe zusammen auf die Wag- schal, um zu sehen, wie viel ihnen am völligen Ge- wichte noch abgienge. Ich betrachtete sie wiederum in Absicht auf die Leser, und erforschte, wie viel mir jeder nach seiner Gedenkensart einräumen würde. Dieses ist alles, was ich mit Sätzen thun konnte, die nur wahrscheinlich waren. Aber ich bemühte mich, es zu thun, um mir einen Vorrath von wahr- scheinlichen Beweisen aufs künftige zu sammeln, den ich gerne noch grösser haben möchte. Hier ist nun meine zweyte Absicht.
Ich habe mich seit vielen Jahren schon damit be- schäftigt, daß ich so wohl von meinen eigenen als an- derer ihren Erfindungen, nicht leicht eine vorbey lies- se, da ich nicht gesucht hätte, die Kunstgriffe und Re- geln, so dabey vorkommen, zu abstrahiren, und mir
eine
Vorrede.
was ich ſage, nur einen gewiſſen Grad von Wahr- ſcheinlichkeit hat. Dieſe aber habe ich mich mit gu- tem Vorbedachte, bemuͤht, ſo weit zu treiben, als es moͤglich ware. Ich kehrte jede Sache auf alle Sei- ten um, um von jeder derſelben, neue Gruͤnde zu ih- rer Unterſtuͤtzung zu ſuchen, und den Beweiſen trach- tete ich alle Manigfaltigkeit zu geben, und ſie der Ge- wißheit ſo nahe zu bringen, als es ſich thun lieſſe. Ich unterſuchte, was zur voͤlligen Gewißheit gehoͤr- te, und legte die Gruͤnde zuſammen auf die Wag- ſchal, um zu ſehen, wie viel ihnen am voͤlligen Ge- wichte noch abgienge. Ich betrachtete ſie wiederum in Abſicht auf die Leſer, und erforſchte, wie viel mir jeder nach ſeiner Gedenkensart einraͤumen wuͤrde. Dieſes iſt alles, was ich mit Saͤtzen thun konnte, die nur wahrſcheinlich waren. Aber ich bemuͤhte mich, es zu thun, um mir einen Vorrath von wahr- ſcheinlichen Beweiſen aufs kuͤnftige zu ſammeln, den ich gerne noch groͤſſer haben moͤchte. Hier iſt nun meine zweyte Abſicht.
Ich habe mich ſeit vielen Jahren ſchon damit be- ſchaͤftigt, daß ich ſo wohl von meinen eigenen als an- derer ihren Erfindungen, nicht leicht eine vorbey lieſ- ſe, da ich nicht geſucht haͤtte, die Kunſtgriffe und Re- geln, ſo dabey vorkommen, zu abſtrahiren, und mir
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[VI/0011]
Vorrede.
was ich ſage, nur einen gewiſſen Grad von Wahr-
ſcheinlichkeit hat. Dieſe aber habe ich mich mit gu-
tem Vorbedachte, bemuͤht, ſo weit zu treiben, als es
moͤglich ware. Ich kehrte jede Sache auf alle Sei-
ten um, um von jeder derſelben, neue Gruͤnde zu ih-
rer Unterſtuͤtzung zu ſuchen, und den Beweiſen trach-
tete ich alle Manigfaltigkeit zu geben, und ſie der Ge-
wißheit ſo nahe zu bringen, als es ſich thun lieſſe.
Ich unterſuchte, was zur voͤlligen Gewißheit gehoͤr-
te, und legte die Gruͤnde zuſammen auf die Wag-
ſchal, um zu ſehen, wie viel ihnen am voͤlligen Ge-
wichte noch abgienge. Ich betrachtete ſie wiederum
in Abſicht auf die Leſer, und erforſchte, wie viel mir
jeder nach ſeiner Gedenkensart einraͤumen wuͤrde.
Dieſes iſt alles, was ich mit Saͤtzen thun konnte,
die nur wahrſcheinlich waren. Aber ich bemuͤhte
mich, es zu thun, um mir einen Vorrath von wahr-
ſcheinlichen Beweiſen aufs kuͤnftige zu ſammeln, den
ich gerne noch groͤſſer haben moͤchte. Hier iſt nun
meine zweyte Abſicht.
Ich habe mich ſeit vielen Jahren ſchon damit be-
ſchaͤftigt, daß ich ſo wohl von meinen eigenen als an-
derer ihren Erfindungen, nicht leicht eine vorbey lieſ-
ſe, da ich nicht geſucht haͤtte, die Kunſtgriffe und Re-
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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/11>, abgerufen am 24.11.2024.
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