reichen wir allerdings niemal, das will sagen, in keiner endlichen Zeit ans Ende. Das will aber nur sagen, man müsse mit dem Endlichen das Unendli- che nicht ausmessen, weil alle Verhältniß vom End- lichen zum Unendlichen wegfällt, eben so, wie wenn man in der Geometrie den Jnhalt des Flächenraumes durch eine Summe von Linien, die keine Breite ha- ben, bestimmen wollte. Denn das Unendliche ist ge- gen das Endliche ungefähr eben so heterogen, als Flächenräume gegen Linien. So fern wir aber das Absolute in dem Unendlichen wegen unserer endlichen Kräfte, nicht gedenken können, müssen wir uns an das Symbolische halten, und uns begnügen, daß das Wort Unendlich eine reelle Bedeutung hat.
§. 916.
Ob aber dessen unerachtet, daß das Unendliche bey uns ehender ein symbolischer Ausdruck als durchaus gedenkbar ist, dasselbe dennoch könne gebraucht wer- den, ist eine Frage, die bey den Mathematikern längst schon erörtert ist. Jn der Metaphysic scheint der Ge- brauch davon nicht besonders groß zu seyn, weil man da mehr das Quale als das Quantum betrachtet. Da indessen dennoch die Theorie des Unendlichen auf das Existirende solle können angewandt werden, so wer- den wir noch sehen, wie man dabey a posteriori ver- fahren könne. Hier kömmt es nun fürnehmlich auf die Theorie der Reihen an, dergleichen, in Absicht auf die Veränderungen, in der wirklichen Welt al- lerdings unzählig viele Arten existiren. Jn diesen Betrachtungen muß nun das Metaphysische mit dem Mathematischen genau verbunden und alles mitge- nommen werden, weil das Wegbleiben eines einigen
Umstandes
Das Endliche und das Unendliche.
reichen wir allerdings niemal, das will ſagen, in keiner endlichen Zeit ans Ende. Das will aber nur ſagen, man muͤſſe mit dem Endlichen das Unendli- che nicht ausmeſſen, weil alle Verhaͤltniß vom End- lichen zum Unendlichen wegfaͤllt, eben ſo, wie wenn man in der Geometrie den Jnhalt des Flaͤchenraumes durch eine Summe von Linien, die keine Breite ha- ben, beſtimmen wollte. Denn das Unendliche iſt ge- gen das Endliche ungefaͤhr eben ſo heterogen, als Flaͤchenraͤume gegen Linien. So fern wir aber das Abſolute in dem Unendlichen wegen unſerer endlichen Kraͤfte, nicht gedenken koͤnnen, muͤſſen wir uns an das Symboliſche halten, und uns begnuͤgen, daß das Wort Unendlich eine reelle Bedeutung hat.
§. 916.
Ob aber deſſen unerachtet, daß das Unendliche bey uns ehender ein ſymboliſcher Ausdruck als durchaus gedenkbar iſt, daſſelbe dennoch koͤnne gebraucht wer- den, iſt eine Frage, die bey den Mathematikern laͤngſt ſchon eroͤrtert iſt. Jn der Metaphyſic ſcheint der Ge- brauch davon nicht beſonders groß zu ſeyn, weil man da mehr das Quale als das Quantum betrachtet. Da indeſſen dennoch die Theorie des Unendlichen auf das Exiſtirende ſolle koͤnnen angewandt werden, ſo wer- den wir noch ſehen, wie man dabey a poſteriori ver- fahren koͤnne. Hier koͤmmt es nun fuͤrnehmlich auf die Theorie der Reihen an, dergleichen, in Abſicht auf die Veraͤnderungen, in der wirklichen Welt al- lerdings unzaͤhlig viele Arten exiſtiren. Jn dieſen Betrachtungen muß nun das Metaphyſiſche mit dem Mathematiſchen genau verbunden und alles mitge- nommen werden, weil das Wegbleiben eines einigen
Umſtandes
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Das Endliche und das Unendliche.
reichen wir allerdings niemal, das will ſagen, in
keiner endlichen Zeit ans Ende. Das will aber nur
ſagen, man muͤſſe mit dem Endlichen das Unendli-
che nicht ausmeſſen, weil alle Verhaͤltniß vom End-
lichen zum Unendlichen wegfaͤllt, eben ſo, wie wenn
man in der Geometrie den Jnhalt des Flaͤchenraumes
durch eine Summe von Linien, die keine Breite ha-
ben, beſtimmen wollte. Denn das Unendliche iſt ge-
gen das Endliche ungefaͤhr eben ſo heterogen, als
Flaͤchenraͤume gegen Linien. So fern wir aber das
Abſolute in dem Unendlichen wegen unſerer endlichen
Kraͤfte, nicht gedenken koͤnnen, muͤſſen wir uns an
das Symboliſche halten, und uns begnuͤgen, daß
das Wort Unendlich eine reelle Bedeutung hat.
§. 916.
Ob aber deſſen unerachtet, daß das Unendliche bey
uns ehender ein ſymboliſcher Ausdruck als durchaus
gedenkbar iſt, daſſelbe dennoch koͤnne gebraucht wer-
den, iſt eine Frage, die bey den Mathematikern laͤngſt
ſchon eroͤrtert iſt. Jn der Metaphyſic ſcheint der Ge-
brauch davon nicht beſonders groß zu ſeyn, weil man
da mehr das Quale als das Quantum betrachtet. Da
indeſſen dennoch die Theorie des Unendlichen auf das
Exiſtirende ſolle koͤnnen angewandt werden, ſo wer-
den wir noch ſehen, wie man dabey a poſteriori ver-
fahren koͤnne. Hier koͤmmt es nun fuͤrnehmlich auf
die Theorie der Reihen an, dergleichen, in Abſicht
auf die Veraͤnderungen, in der wirklichen Welt al-
lerdings unzaͤhlig viele Arten exiſtiren. Jn dieſen
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/563>, abgerufen am 16.02.2025.
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