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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XXVI. Hauptstück.
Kraft der Wärme waren. So entsteht z. E. eine
Erkältung, wenn man Salze im Wasser, und hin-
gegen eine Erwärmung, wenn man Metalle in
Scheidewasser auflöset, oder Vitriolöl mit Weinstein-
öl vermischet etc. Auf eine ähnliche Art hat man den
Schluß gemacht, daß in bewegten Körpern die Ge-
schwindigkeit leichter vermindert als vermehret wird,
weil einem Körper, der einen andern einholen soll,
um ihm noch einen Grad von Geschwindigkeit durch
den Stoß mitzutheilen, eine größere Geschwindigkeit
gegeben werden muß, als dieser andere hatte.

§. 776.

Wir fangen aber gemeiniglich bey den Empfin-
dungen an, uns von der Vermehrung und Vermin-
derung der Grade einer Größe zu versichern, und bis
dahin hat dieses mit unserer ganzen Erkenntniß etwas
gemeinsames, als welche ohnehin bey den Empfin-
dungen anfängt. Dieses giebt uns gleichsam das
erste Bewußtseyn von der Größe, und besonders auch
von ihrer Veränderlichkeit, und von dem Unterschie-
de, den wir zwischen denselben und den absoluten und
unveränderlichen Einheiten machen. So giebt es
auch Fälle, wo wir vielmehr die Veränderung als
die Größe selbst empfinden, wie z. E. die temperirte
Wärme, woran wir uns so gewöhnen, daß wir da-
bey weder Wärme noch Kälte empfinden, und wo
hingegen diese Empfindung anfängt, so bald sich die
Temperatur ändert. Wo wir aber unser Urtheil nicht
wollen schlechthin nur auf die Empfindung ankommen
lassen, da suchen wir sodann in der Sache selbst et-
was auf, woran sich die Veränderung der Größe er-
kennen oder abnehmen läßt. Denn so haben wir
z. E. bey der Wärme, die dadurch verursachte Aus-

dehnung

XXVI. Hauptſtuͤck.
Kraft der Waͤrme waren. So entſteht z. E. eine
Erkaͤltung, wenn man Salze im Waſſer, und hin-
gegen eine Erwaͤrmung, wenn man Metalle in
Scheidewaſſer aufloͤſet, oder Vitrioloͤl mit Weinſtein-
oͤl vermiſchet ꝛc. Auf eine aͤhnliche Art hat man den
Schluß gemacht, daß in bewegten Koͤrpern die Ge-
ſchwindigkeit leichter vermindert als vermehret wird,
weil einem Koͤrper, der einen andern einholen ſoll,
um ihm noch einen Grad von Geſchwindigkeit durch
den Stoß mitzutheilen, eine groͤßere Geſchwindigkeit
gegeben werden muß, als dieſer andere hatte.

§. 776.

Wir fangen aber gemeiniglich bey den Empfin-
dungen an, uns von der Vermehrung und Vermin-
derung der Grade einer Groͤße zu verſichern, und bis
dahin hat dieſes mit unſerer ganzen Erkenntniß etwas
gemeinſames, als welche ohnehin bey den Empfin-
dungen anfaͤngt. Dieſes giebt uns gleichſam das
erſte Bewußtſeyn von der Groͤße, und beſonders auch
von ihrer Veraͤnderlichkeit, und von dem Unterſchie-
de, den wir zwiſchen denſelben und den abſoluten und
unveraͤnderlichen Einheiten machen. So giebt es
auch Faͤlle, wo wir vielmehr die Veraͤnderung als
die Groͤße ſelbſt empfinden, wie z. E. die temperirte
Waͤrme, woran wir uns ſo gewoͤhnen, daß wir da-
bey weder Waͤrme noch Kaͤlte empfinden, und wo
hingegen dieſe Empfindung anfaͤngt, ſo bald ſich die
Temperatur aͤndert. Wo wir aber unſer Urtheil nicht
wollen ſchlechthin nur auf die Empfindung ankommen
laſſen, da ſuchen wir ſodann in der Sache ſelbſt et-
was auf, woran ſich die Veraͤnderung der Groͤße er-
kennen oder abnehmen laͤßt. Denn ſo haben wir
z. E. bey der Waͤrme, die dadurch verurſachte Aus-

dehnung
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[398/0406] XXVI. Hauptſtuͤck. Kraft der Waͤrme waren. So entſteht z. E. eine Erkaͤltung, wenn man Salze im Waſſer, und hin- gegen eine Erwaͤrmung, wenn man Metalle in Scheidewaſſer aufloͤſet, oder Vitrioloͤl mit Weinſtein- oͤl vermiſchet ꝛc. Auf eine aͤhnliche Art hat man den Schluß gemacht, daß in bewegten Koͤrpern die Ge- ſchwindigkeit leichter vermindert als vermehret wird, weil einem Koͤrper, der einen andern einholen ſoll, um ihm noch einen Grad von Geſchwindigkeit durch den Stoß mitzutheilen, eine groͤßere Geſchwindigkeit gegeben werden muß, als dieſer andere hatte. §. 776. Wir fangen aber gemeiniglich bey den Empfin- dungen an, uns von der Vermehrung und Vermin- derung der Grade einer Groͤße zu verſichern, und bis dahin hat dieſes mit unſerer ganzen Erkenntniß etwas gemeinſames, als welche ohnehin bey den Empfin- dungen anfaͤngt. Dieſes giebt uns gleichſam das erſte Bewußtſeyn von der Groͤße, und beſonders auch von ihrer Veraͤnderlichkeit, und von dem Unterſchie- de, den wir zwiſchen denſelben und den abſoluten und unveraͤnderlichen Einheiten machen. So giebt es auch Faͤlle, wo wir vielmehr die Veraͤnderung als die Groͤße ſelbſt empfinden, wie z. E. die temperirte Waͤrme, woran wir uns ſo gewoͤhnen, daß wir da- bey weder Waͤrme noch Kaͤlte empfinden, und wo hingegen dieſe Empfindung anfaͤngt, ſo bald ſich die Temperatur aͤndert. Wo wir aber unſer Urtheil nicht wollen ſchlechthin nur auf die Empfindung ankommen laſſen, da ſuchen wir ſodann in der Sache ſelbſt et- was auf, woran ſich die Veraͤnderung der Groͤße er- kennen oder abnehmen laͤßt. Denn ſo haben wir z. E. bey der Waͤrme, die dadurch verurſachte Aus- dehnung

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/406>, abgerufen am 22.11.2024.