Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite
XXIII. Hauptstück.
§. 710.

Der andere Fehler, wenn man auf das Ganze aus-
dehnet, was nur in einzeln Theilen ist, haben wir
bereits oben (§. 458.) betrachtet, wo wir zeigten, wie
der Philosoph sich, eben so, wie der Mathematiker,
um die Gleichartigkeit umsehen müsse, wenn er Ver-
wirrung vermeiden und sich versichern will, daß das
Prädicat sich gleichförmig über das ganze Subject
ausbreite. So z. E. ist es sehr gewöhnlich, daß
man eine Sache ganz vollkommen nennet, ungeachtet
sie näher betrachtet nur in einzeln Theilen eine Art
von Vollkommenheit hat, und wenn in mehrern Thei-
len, in jedem besonders, einige Vollkommenheit ist,
so verlanget man etwann auch die Summe zu wissen,
welche aber, wenn die Theile und Vollkommenheiten
ungleichartig sind, schlechthin nur durch das Vorzäh-
len angegeben werden kann, weil sie sich nicht immer
auf einen gleichen Maaßstab bringen lassen, (§. 434.).

§. 711.

Der dritte Fehler kömmt vor, wenn man zusam-
menrechnen will, was an sich kein Ganzes machet,
oder wenn es auch als ein solches angesehen werden
könnte, zu nichts dienet. Man muß nämlich ver-
nünftiger Weise eine Absicht haben, wozu das Zu-
sammenrechnen dienen soll, und das, was man Zu-
sammenrechnen will, muß entweder gleichartig seyn,
oder wenigstens in eine Classe genommen werden kön-
nen. So z. E. addirt man nicht Linien und Flächen,
Raum und Zeit. So würde es ebenfalls eine leere
Curiosität seyn, wenn man z. E. finden wollte, wie
viel Raum alle Planeten zusammengenommen in ei-
ner Stunde durchlaufen, weil diese Summe zu nichts
weiter dienet, und höchstens nur alsdenn dienen kann,

wenn
XXIII. Hauptſtuͤck.
§. 710.

Der andere Fehler, wenn man auf das Ganze aus-
dehnet, was nur in einzeln Theilen iſt, haben wir
bereits oben (§. 458.) betrachtet, wo wir zeigten, wie
der Philoſoph ſich, eben ſo, wie der Mathematiker,
um die Gleichartigkeit umſehen muͤſſe, wenn er Ver-
wirrung vermeiden und ſich verſichern will, daß das
Praͤdicat ſich gleichfoͤrmig uͤber das ganze Subject
ausbreite. So z. E. iſt es ſehr gewoͤhnlich, daß
man eine Sache ganz vollkommen nennet, ungeachtet
ſie naͤher betrachtet nur in einzeln Theilen eine Art
von Vollkommenheit hat, und wenn in mehrern Thei-
len, in jedem beſonders, einige Vollkommenheit iſt,
ſo verlanget man etwann auch die Summe zu wiſſen,
welche aber, wenn die Theile und Vollkommenheiten
ungleichartig ſind, ſchlechthin nur durch das Vorzaͤh-
len angegeben werden kann, weil ſie ſich nicht immer
auf einen gleichen Maaßſtab bringen laſſen, (§. 434.).

§. 711.

Der dritte Fehler koͤmmt vor, wenn man zuſam-
menrechnen will, was an ſich kein Ganzes machet,
oder wenn es auch als ein ſolches angeſehen werden
koͤnnte, zu nichts dienet. Man muß naͤmlich ver-
nuͤnftiger Weiſe eine Abſicht haben, wozu das Zu-
ſammenrechnen dienen ſoll, und das, was man Zu-
ſammenrechnen will, muß entweder gleichartig ſeyn,
oder wenigſtens in eine Claſſe genommen werden koͤn-
nen. So z. E. addirt man nicht Linien und Flaͤchen,
Raum und Zeit. So wuͤrde es ebenfalls eine leere
Curioſitaͤt ſeyn, wenn man z. E. finden wollte, wie
viel Raum alle Planeten zuſammengenommen in ei-
ner Stunde durchlaufen, weil dieſe Summe zu nichts
weiter dienet, und hoͤchſtens nur alsdenn dienen kann,

wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0340" n="332"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXIII.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 710.</head><lb/>
            <p>Der andere Fehler, wenn man auf das Ganze aus-<lb/>
dehnet, was nur in einzeln Theilen i&#x017F;t, haben wir<lb/>
bereits oben (§. 458.) betrachtet, wo wir zeigten, wie<lb/>
der Philo&#x017F;oph &#x017F;ich, eben &#x017F;o, wie der Mathematiker,<lb/>
um die Gleichartigkeit um&#x017F;ehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, wenn er Ver-<lb/>
wirrung vermeiden und &#x017F;ich ver&#x017F;ichern will, daß das<lb/>
Pra&#x0364;dicat &#x017F;ich gleichfo&#x0364;rmig u&#x0364;ber das ganze Subject<lb/>
ausbreite. So z. E. i&#x017F;t es &#x017F;ehr gewo&#x0364;hnlich, daß<lb/>
man eine Sache ganz vollkommen nennet, ungeachtet<lb/>
&#x017F;ie na&#x0364;her betrachtet nur in einzeln Theilen eine Art<lb/>
von Vollkommenheit hat, und wenn in mehrern Thei-<lb/>
len, in jedem be&#x017F;onders, einige Vollkommenheit i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o verlanget man etwann auch die Summe zu wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
welche aber, wenn die Theile und Vollkommenheiten<lb/>
ungleichartig &#x017F;ind, &#x017F;chlechthin nur durch das Vorza&#x0364;h-<lb/>
len angegeben werden kann, weil &#x017F;ie &#x017F;ich nicht immer<lb/>
auf einen gleichen Maaß&#x017F;tab bringen la&#x017F;&#x017F;en, (§. 434.).</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 711.</head><lb/>
            <p>Der dritte Fehler ko&#x0364;mmt vor, wenn man zu&#x017F;am-<lb/>
menrechnen will, was an &#x017F;ich kein Ganzes machet,<lb/>
oder wenn es auch als ein &#x017F;olches ange&#x017F;ehen werden<lb/>
ko&#x0364;nnte, zu nichts dienet. Man muß na&#x0364;mlich ver-<lb/>
nu&#x0364;nftiger Wei&#x017F;e eine Ab&#x017F;icht haben, wozu das Zu-<lb/>
&#x017F;ammenrechnen dienen &#x017F;oll, und das, was man Zu-<lb/>
&#x017F;ammenrechnen will, muß entweder gleichartig &#x017F;eyn,<lb/>
oder wenig&#x017F;tens in eine Cla&#x017F;&#x017F;e genommen werden ko&#x0364;n-<lb/>
nen. So z. E. addirt man nicht Linien und Fla&#x0364;chen,<lb/>
Raum und Zeit. So wu&#x0364;rde es ebenfalls eine leere<lb/>
Curio&#x017F;ita&#x0364;t &#x017F;eyn, wenn man z. E. finden wollte, wie<lb/>
viel Raum alle Planeten zu&#x017F;ammengenommen in ei-<lb/>
ner Stunde durchlaufen, weil die&#x017F;e Summe zu nichts<lb/>
weiter dienet, und ho&#x0364;ch&#x017F;tens nur alsdenn dienen kann,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[332/0340] XXIII. Hauptſtuͤck. §. 710. Der andere Fehler, wenn man auf das Ganze aus- dehnet, was nur in einzeln Theilen iſt, haben wir bereits oben (§. 458.) betrachtet, wo wir zeigten, wie der Philoſoph ſich, eben ſo, wie der Mathematiker, um die Gleichartigkeit umſehen muͤſſe, wenn er Ver- wirrung vermeiden und ſich verſichern will, daß das Praͤdicat ſich gleichfoͤrmig uͤber das ganze Subject ausbreite. So z. E. iſt es ſehr gewoͤhnlich, daß man eine Sache ganz vollkommen nennet, ungeachtet ſie naͤher betrachtet nur in einzeln Theilen eine Art von Vollkommenheit hat, und wenn in mehrern Thei- len, in jedem beſonders, einige Vollkommenheit iſt, ſo verlanget man etwann auch die Summe zu wiſſen, welche aber, wenn die Theile und Vollkommenheiten ungleichartig ſind, ſchlechthin nur durch das Vorzaͤh- len angegeben werden kann, weil ſie ſich nicht immer auf einen gleichen Maaßſtab bringen laſſen, (§. 434.). §. 711. Der dritte Fehler koͤmmt vor, wenn man zuſam- menrechnen will, was an ſich kein Ganzes machet, oder wenn es auch als ein ſolches angeſehen werden koͤnnte, zu nichts dienet. Man muß naͤmlich ver- nuͤnftiger Weiſe eine Abſicht haben, wozu das Zu- ſammenrechnen dienen ſoll, und das, was man Zu- ſammenrechnen will, muß entweder gleichartig ſeyn, oder wenigſtens in eine Claſſe genommen werden koͤn- nen. So z. E. addirt man nicht Linien und Flaͤchen, Raum und Zeit. So wuͤrde es ebenfalls eine leere Curioſitaͤt ſeyn, wenn man z. E. finden wollte, wie viel Raum alle Planeten zuſammengenommen in ei- ner Stunde durchlaufen, weil dieſe Summe zu nichts weiter dienet, und hoͤchſtens nur alsdenn dienen kann, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/340
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/340>, abgerufen am 03.12.2024.