Die Kräfte des Verstandes bleiben nicht bloß bey dem Wahren stehen, sondern haben auf die andern Arten von Kräften einen starken Einfluß. Sie ha- ben sämmtlich einerley Gegenstand (§. 560.), und es ist daher sehr natürlich, daß das Wahre, in sei- nem Objecte betrachtet, unter dem Bilde des Gu- ten vorkomme, und daher den Willen in Bewegung setze. Man findet sich daher bey dem Jrrthume nicht nur dadurch betrogen, daß es ein Jrrthum ist, son- dern auch dadurch, daß er den Willen und die Kraft zu wirken auf die Seite lenket, wo nichts Gutes und nichts Mögliches ist, das will sagen, wo in bey den Absichten weder Realität ist noch seyn kann. Dadurch bestimmt sichs nun wiederum, wie fern ein individuales System fortdauern könne, worinn Wah- res und Jrriges durchflochten ist, wenn es weiter nicht untersuchet, sondern nur aus den Folgen beur- theilet wird, die auf das Wohlseyn dessen, der das System hat, einen Einfluß haben, wohin folglich besonders die Lehrgebäude der Religion, der Moral und der Staatslehre gehören, in so fern man densel- ben wirklich folget. Diejenigen Systemen werden immer die dauerhaftesten seyn, die weder vorausse- tzen, daß der Mensch ein Engel sey oder seyn müsse, noch daß er ein Thier sey, sondern daß in dem Men- schen eine Anlage zum Guten vorkomme, welche ih- rer Natur gemäß und stufenweise vergrößert werden könne, und daß dieses Anwachsen nicht dem Unend- lichen, sondern den Maximis immer näher kommen müsse, die wir oben (§. 484.) angeführet haben. Man sehe auch §. 555.
Achtzehn-
M 4
Das Zuſammenſetzen.
§. 563.
Die Kraͤfte des Verſtandes bleiben nicht bloß bey dem Wahren ſtehen, ſondern haben auf die andern Arten von Kraͤften einen ſtarken Einfluß. Sie ha- ben ſaͤmmtlich einerley Gegenſtand (§. 560.), und es iſt daher ſehr natuͤrlich, daß das Wahre, in ſei- nem Objecte betrachtet, unter dem Bilde des Gu- ten vorkomme, und daher den Willen in Bewegung ſetze. Man findet ſich daher bey dem Jrrthume nicht nur dadurch betrogen, daß es ein Jrrthum iſt, ſon- dern auch dadurch, daß er den Willen und die Kraft zu wirken auf die Seite lenket, wo nichts Gutes und nichts Moͤgliches iſt, das will ſagen, wo in bey den Abſichten weder Realitaͤt iſt noch ſeyn kann. Dadurch beſtimmt ſichs nun wiederum, wie fern ein individuales Syſtem fortdauern koͤnne, worinn Wah- res und Jrriges durchflochten iſt, wenn es weiter nicht unterſuchet, ſondern nur aus den Folgen beur- theilet wird, die auf das Wohlſeyn deſſen, der das Syſtem hat, einen Einfluß haben, wohin folglich beſonders die Lehrgebaͤude der Religion, der Moral und der Staatslehre gehoͤren, in ſo fern man denſel- ben wirklich folget. Diejenigen Syſtemen werden immer die dauerhafteſten ſeyn, die weder vorausſe- tzen, daß der Menſch ein Engel ſey oder ſeyn muͤſſe, noch daß er ein Thier ſey, ſondern daß in dem Men- ſchen eine Anlage zum Guten vorkomme, welche ih- rer Natur gemaͤß und ſtufenweiſe vergroͤßert werden koͤnne, und daß dieſes Anwachſen nicht dem Unend- lichen, ſondern den Maximis immer naͤher kommen muͤſſe, die wir oben (§. 484.) angefuͤhret haben. Man ſehe auch §. 555.
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Das Zuſammenſetzen.
§. 563.
Die Kraͤfte des Verſtandes bleiben nicht bloß bey
dem Wahren ſtehen, ſondern haben auf die andern
Arten von Kraͤften einen ſtarken Einfluß. Sie ha-
ben ſaͤmmtlich einerley Gegenſtand (§. 560.), und es
iſt daher ſehr natuͤrlich, daß das Wahre, in ſei-
nem Objecte betrachtet, unter dem Bilde des Gu-
ten vorkomme, und daher den Willen in Bewegung
ſetze. Man findet ſich daher bey dem Jrrthume nicht
nur dadurch betrogen, daß es ein Jrrthum iſt, ſon-
dern auch dadurch, daß er den Willen und die Kraft
zu wirken auf die Seite lenket, wo nichts Gutes
und nichts Moͤgliches iſt, das will ſagen, wo in
bey den Abſichten weder Realitaͤt iſt noch ſeyn kann.
Dadurch beſtimmt ſichs nun wiederum, wie fern ein
individuales Syſtem fortdauern koͤnne, worinn Wah-
res und Jrriges durchflochten iſt, wenn es weiter
nicht unterſuchet, ſondern nur aus den Folgen beur-
theilet wird, die auf das Wohlſeyn deſſen, der das
Syſtem hat, einen Einfluß haben, wohin folglich
beſonders die Lehrgebaͤude der Religion, der Moral
und der Staatslehre gehoͤren, in ſo fern man denſel-
ben wirklich folget. Diejenigen Syſtemen werden
immer die dauerhafteſten ſeyn, die weder vorausſe-
tzen, daß der Menſch ein Engel ſey oder ſeyn muͤſſe,
noch daß er ein Thier ſey, ſondern daß in dem Men-
ſchen eine Anlage zum Guten vorkomme, welche ih-
rer Natur gemaͤß und ſtufenweiſe vergroͤßert werden
koͤnne, und daß dieſes Anwachſen nicht dem Unend-
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/191>, abgerufen am 23.11.2024.
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