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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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einer wissenschaftlichen Grundlehre.
chen allgemeinen und transcendenten Anwendbarkeit,
und die Abzählung der Fälle hat dabey beträchtliche
Vortheile, weil sie dadurch nicht nur genauer be-
stimmt, sondern für jeden Fall noch die besonderen
Bestimmungen beygefüget werden können.

§. 40.

Bisher habe ich die Erfordernisse (Requisita) der
Grundlehre angezeiget, die sie haben muß, wenn sie
wissenschaftlich seyn soll. Jch will nicht bestim-
men, ob es alle sind. Aber die angebrachten sind
schon genug, und bald mehr als zu viel, wenn man
sie bey Aufführung des Lehrgebäudes nie aus den
Augen setzen, sondern sie immer verbinden und in je-
den Theilen zugleich erhalten soll. Jch hätte mehrere
angeführet, wenn sie mir beygefallen wären, ohne
mich durch die Aufhäufung der Schwierigkeiten ab-
schrecken zu lassen. Denn es ist allerdings besser, daß
man durchaus und genau wisse, was man eigentlich
verlanget, wenn man eine im strengern Verstande
wissenschaftliche Grundlehre verlanget, und wie man
zurücke bleibt, wenn man nicht alle Erfordernisse der-
selben mitnimmt, sondern diejenigen unterdrückt, oder
nach dem meminisse horret aus dem Sinne schlägt,
deren Schwierigkeit etwann ehender abschrecken als
aufmuntern kann. Durch die Abzählung solcher Er-
fordernisse findet man auch genauer den Leitfaden,
dem man zu folgen hat, weil man sich die Ziele, und
alle vorstellet, dahin er führen soll. Ein solcher Leit-
faden ist von den gemeinen Topiken, ganz verschie-
den. Der Stoff und die Ordnung des Vortrages
in jeder einzeln Wissenschaft muß aus den Absichten
bestimmet werden, zu welchen sie dienen soll, und
diese Absichten haben für jede etwas besonders, wel-

ches
C 2

einer wiſſenſchaftlichen Grundlehre.
chen allgemeinen und tranſcendenten Anwendbarkeit,
und die Abzaͤhlung der Faͤlle hat dabey betraͤchtliche
Vortheile, weil ſie dadurch nicht nur genauer be-
ſtimmt, ſondern fuͤr jeden Fall noch die beſonderen
Beſtimmungen beygefuͤget werden koͤnnen.

§. 40.

Bisher habe ich die Erforderniſſe (Requiſita) der
Grundlehre angezeiget, die ſie haben muß, wenn ſie
wiſſenſchaftlich ſeyn ſoll. Jch will nicht beſtim-
men, ob es alle ſind. Aber die angebrachten ſind
ſchon genug, und bald mehr als zu viel, wenn man
ſie bey Auffuͤhrung des Lehrgebaͤudes nie aus den
Augen ſetzen, ſondern ſie immer verbinden und in je-
den Theilen zugleich erhalten ſoll. Jch haͤtte mehrere
angefuͤhret, wenn ſie mir beygefallen waͤren, ohne
mich durch die Aufhaͤufung der Schwierigkeiten ab-
ſchrecken zu laſſen. Denn es iſt allerdings beſſer, daß
man durchaus und genau wiſſe, was man eigentlich
verlanget, wenn man eine im ſtrengern Verſtande
wiſſenſchaftliche Grundlehre verlanget, und wie man
zuruͤcke bleibt, wenn man nicht alle Erforderniſſe der-
ſelben mitnimmt, ſondern diejenigen unterdruͤckt, oder
nach dem meminiſſe horret aus dem Sinne ſchlaͤgt,
deren Schwierigkeit etwann ehender abſchrecken als
aufmuntern kann. Durch die Abzaͤhlung ſolcher Er-
forderniſſe findet man auch genauer den Leitfaden,
dem man zu folgen hat, weil man ſich die Ziele, und
alle vorſtellet, dahin er fuͤhren ſoll. Ein ſolcher Leit-
faden iſt von den gemeinen Topiken, ganz verſchie-
den. Der Stoff und die Ordnung des Vortrages
in jeder einzeln Wiſſenſchaft muß aus den Abſichten
beſtimmet werden, zu welchen ſie dienen ſoll, und
dieſe Abſichten haben fuͤr jede etwas beſonders, wel-

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[35/0071] einer wiſſenſchaftlichen Grundlehre. chen allgemeinen und tranſcendenten Anwendbarkeit, und die Abzaͤhlung der Faͤlle hat dabey betraͤchtliche Vortheile, weil ſie dadurch nicht nur genauer be- ſtimmt, ſondern fuͤr jeden Fall noch die beſonderen Beſtimmungen beygefuͤget werden koͤnnen. §. 40. Bisher habe ich die Erforderniſſe (Requiſita) der Grundlehre angezeiget, die ſie haben muß, wenn ſie wiſſenſchaftlich ſeyn ſoll. Jch will nicht beſtim- men, ob es alle ſind. Aber die angebrachten ſind ſchon genug, und bald mehr als zu viel, wenn man ſie bey Auffuͤhrung des Lehrgebaͤudes nie aus den Augen ſetzen, ſondern ſie immer verbinden und in je- den Theilen zugleich erhalten ſoll. Jch haͤtte mehrere angefuͤhret, wenn ſie mir beygefallen waͤren, ohne mich durch die Aufhaͤufung der Schwierigkeiten ab- ſchrecken zu laſſen. Denn es iſt allerdings beſſer, daß man durchaus und genau wiſſe, was man eigentlich verlanget, wenn man eine im ſtrengern Verſtande wiſſenſchaftliche Grundlehre verlanget, und wie man zuruͤcke bleibt, wenn man nicht alle Erforderniſſe der- ſelben mitnimmt, ſondern diejenigen unterdruͤckt, oder nach dem meminiſſe horret aus dem Sinne ſchlaͤgt, deren Schwierigkeit etwann ehender abſchrecken als aufmuntern kann. Durch die Abzaͤhlung ſolcher Er- forderniſſe findet man auch genauer den Leitfaden, dem man zu folgen hat, weil man ſich die Ziele, und alle vorſtellet, dahin er fuͤhren ſoll. Ein ſolcher Leit- faden iſt von den gemeinen Topiken, ganz verſchie- den. Der Stoff und die Ordnung des Vortrages in jeder einzeln Wiſſenſchaft muß aus den Abſichten beſtimmet werden, zu welchen ſie dienen ſoll, und dieſe Abſichten haben fuͤr jede etwas beſonders, wel- ches C 2

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/71>, abgerufen am 21.11.2024.