Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.Zusatz zum zwölften Hauptstücke. Jch dächte aber sie soll ganz Natur seyn, und siewird es seyn, wenn es dem Redner Ernst ist. Als- dann kömmt die einige Bedingung hinzu, daß ein ge- wisser Wohlstand dem Redner von Natur oder durch die Erziehung, Uebung und Gewohnheit eigen sey. XVI. Die Schönheit in den Handlungen kann noch eine XVII. Dieses ist nun, was bey Untersuchung des Schö- dem
Zuſatz zum zwoͤlften Hauptſtuͤcke. Jch daͤchte aber ſie ſoll ganz Natur ſeyn, und ſiewird es ſeyn, wenn es dem Redner Ernſt iſt. Als- dann koͤmmt die einige Bedingung hinzu, daß ein ge- wiſſer Wohlſtand dem Redner von Natur oder durch die Erziehung, Uebung und Gewohnheit eigen ſey. XVI. Die Schoͤnheit in den Handlungen kann noch eine XVII. Dieſes iſt nun, was bey Unterſuchung des Schoͤ- dem
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Zuſatz zum zwoͤlften Hauptſtuͤcke.
Jch daͤchte aber ſie ſoll ganz Natur ſeyn, und ſie
wird es ſeyn, wenn es dem Redner Ernſt iſt. Als-
dann koͤmmt die einige Bedingung hinzu, daß ein ge-
wiſſer Wohlſtand dem Redner von Natur oder durch
die Erziehung, Uebung und Gewohnheit eigen ſey.
XVI.
Die Schoͤnheit in den Handlungen kann noch eine
Claſſe abgeben, dafern man ſie nicht eben ſo, wie die
Schoͤnheit der Sachen ſelbſt betrachten will, weil ſie
ebenfalls als objectiv angeſehen werden kann. Ein
gewiſſer Anſtand und ungezwungenes Weſen gereicht
den Handlungen uͤberhaupt zur Zierde. So fern ſie
aber in Anſehung ihrer Auswahl, Anordnung und Ab-
ſicht betrachtet werden, iſt ihre Schoͤnheit vornehmlich
als moraliſche Schoͤnheit zu unterſuchen.
XVII.
Dieſes iſt nun, was bey Unterſuchung des Schoͤ-
nen, die Betrachtung der Sache ſelbſt, uͤberhaupt
darbeut. Noch bleibt die Schoͤnheit von Seiten der
Empfindung zu betrachten, ſo fern man naͤmlich
dieſe Empfindung Geſchmack nennet, und denſelben
gleichſam, als den eigentlichen Schiedsrichter uͤber das
Schoͤne und Heßliche anſieht. Die Frage hiebey
iſt nun beſonders dieſe, wie fern man die Beurthei-
lung deſſen, was ſchoͤn oder heßlich iſt, auf die Em-
pfindung koͤnne ankommen laſſen? Da heißt es
freylich: de guſtibus non eſt diſputandum. Der eine
liebt das Suͤße, der andere das Bittere, ein dritter
das Geſalzene, einem vierten iſt auch das Schmack-
loſe ganz gut, ein fuͤnfter will lauter gewuͤrzte Sachen
haben ꝛc. Die Empfindungen richten ſich ſehr nach
der Conſtitution eines jeden einzelnen Menſchen. Von
einem Blinden kann man nicht fordern, daß er dieſe
oder jene Farbe ſchoͤn finden ſoll. Er wuͤrde ſie mit
dem
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