Dabey haben wir nun 1°. die Theile der Sache. 2°. Die Gesetze oder Regeln, nach welchen sie zusam- mengesetzet und mit einander verbunden sind. 3°. Mo- dificationen oder kleinere Abänderungen, die diese Ge- setze leiden. 4°. Fremde Theile, die bey den Theilen der Sache seyn, oder wegseyn oder durch andere ersetzet werden können. Wir können den menschlichen Leib zum Beyspiele nehmen. Er besteht aus Theilen, daran etwas Fortdauerndes ist, und diese sind nach gewissen allgemeinen Gesetzen zusammengesetzet, doch so, daß unzählige Bewegungen und Stellungen dabey möglich bleiben. Ueberdieß sind auch lange nicht alle Theile so fortdauernd, daß ihr Abgang nicht bestän- dig durch andere müßte ersetzet werden. Diese Ab- wechselungen gehen so weit, daß wir anstehen können, wie viel von dem Stoffe, daraus unser Leib besteht, nach einigen Jahren noch da sey, der nicht mit neuem wäre verwechselt worden. Man wird in den Abän- derungen ganzer Städte, einzelner Häuser und Ma- schinen, woran immer etwas zu erneuern ist, ähnliche Beyspiele finden. So spricht man von hundert und mehr jährigem Weine, ungeachtet aus dem Fasse immer getrunken, und der Abgang mit neuerm er- setzet worden, daß von dem wirklich hundertjährigen wenig mehr darinn ist. Die Chymie beut uns eben- falls Veränderungen an, indem sie die Zusammen- setzung der Körper bis in die kleinern Theile zerstöret und wiederherstellet. Die Verwandlung der Nah- rung in Blut, Milch, Gebeine, Fleisch etc. Holz, Blätter, Früchte etc. geht durch eine noch feinere Chymie der Natur von statten, und macht, daß man anstehen kann, ob nicht alle Körper aus einerley Grundstoffe bestehen, so verschieden sie uns dem ersten
Anblicke
VI. Hauptſtuͤck.
§. 205.
Dabey haben wir nun 1°. die Theile der Sache. 2°. Die Geſetze oder Regeln, nach welchen ſie zuſam- mengeſetzet und mit einander verbunden ſind. 3°. Mo- dificationen oder kleinere Abaͤnderungen, die dieſe Ge- ſetze leiden. 4°. Fremde Theile, die bey den Theilen der Sache ſeyn, oder wegſeyn oder durch andere erſetzet werden koͤnnen. Wir koͤnnen den menſchlichen Leib zum Beyſpiele nehmen. Er beſteht aus Theilen, daran etwas Fortdauerndes iſt, und dieſe ſind nach gewiſſen allgemeinen Geſetzen zuſammengeſetzet, doch ſo, daß unzaͤhlige Bewegungen und Stellungen dabey moͤglich bleiben. Ueberdieß ſind auch lange nicht alle Theile ſo fortdauernd, daß ihr Abgang nicht beſtaͤn- dig durch andere muͤßte erſetzet werden. Dieſe Ab- wechſelungen gehen ſo weit, daß wir anſtehen koͤnnen, wie viel von dem Stoffe, daraus unſer Leib beſteht, nach einigen Jahren noch da ſey, der nicht mit neuem waͤre verwechſelt worden. Man wird in den Abaͤn- derungen ganzer Staͤdte, einzelner Haͤuſer und Ma- ſchinen, woran immer etwas zu erneuern iſt, aͤhnliche Beyſpiele finden. So ſpricht man von hundert und mehr jaͤhrigem Weine, ungeachtet aus dem Faſſe immer getrunken, und der Abgang mit neuerm er- ſetzet worden, daß von dem wirklich hundertjaͤhrigen wenig mehr darinn iſt. Die Chymie beut uns eben- falls Veraͤnderungen an, indem ſie die Zuſammen- ſetzung der Koͤrper bis in die kleinern Theile zerſtoͤret und wiederherſtellet. Die Verwandlung der Nah- rung in Blut, Milch, Gebeine, Fleiſch ꝛc. Holz, Blaͤtter, Fruͤchte ꝛc. geht durch eine noch feinere Chymie der Natur von ſtatten, und macht, daß man anſtehen kann, ob nicht alle Koͤrper aus einerley Grundſtoffe beſtehen, ſo verſchieden ſie uns dem erſten
Anblicke
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VI. Hauptſtuͤck.
§. 205.
Dabey haben wir nun 1°. die Theile der Sache.
2°. Die Geſetze oder Regeln, nach welchen ſie zuſam-
mengeſetzet und mit einander verbunden ſind. 3°. Mo-
dificationen oder kleinere Abaͤnderungen, die dieſe Ge-
ſetze leiden. 4°. Fremde Theile, die bey den Theilen
der Sache ſeyn, oder wegſeyn oder durch andere erſetzet
werden koͤnnen. Wir koͤnnen den menſchlichen Leib
zum Beyſpiele nehmen. Er beſteht aus Theilen,
daran etwas Fortdauerndes iſt, und dieſe ſind nach
gewiſſen allgemeinen Geſetzen zuſammengeſetzet, doch
ſo, daß unzaͤhlige Bewegungen und Stellungen dabey
moͤglich bleiben. Ueberdieß ſind auch lange nicht alle
Theile ſo fortdauernd, daß ihr Abgang nicht beſtaͤn-
dig durch andere muͤßte erſetzet werden. Dieſe Ab-
wechſelungen gehen ſo weit, daß wir anſtehen koͤnnen,
wie viel von dem Stoffe, daraus unſer Leib beſteht,
nach einigen Jahren noch da ſey, der nicht mit neuem
waͤre verwechſelt worden. Man wird in den Abaͤn-
derungen ganzer Staͤdte, einzelner Haͤuſer und Ma-
ſchinen, woran immer etwas zu erneuern iſt, aͤhnliche
Beyſpiele finden. So ſpricht man von hundert und
mehr jaͤhrigem Weine, ungeachtet aus dem Faſſe
immer getrunken, und der Abgang mit neuerm er-
ſetzet worden, daß von dem wirklich hundertjaͤhrigen
wenig mehr darinn iſt. Die Chymie beut uns eben-
falls Veraͤnderungen an, indem ſie die Zuſammen-
ſetzung der Koͤrper bis in die kleinern Theile zerſtoͤret
und wiederherſtellet. Die Verwandlung der Nah-
rung in Blut, Milch, Gebeine, Fleiſch ꝛc. Holz,
Blaͤtter, Fruͤchte ꝛc. geht durch eine noch feinere
Chymie der Natur von ſtatten, und macht, daß
man anſtehen kann, ob nicht alle Koͤrper aus einerley
Grundſtoffe beſtehen, ſo verſchieden ſie uns dem erſten
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/202>, abgerufen am 21.11.2024.
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