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Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

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Mit wuste und mit brande
In sinem eigen lande.
Nu solt ir hören gerne
Von grozer arbeit,
Wie der vogt von Berne
Sit gerach sine leit
An Ermrichen dem ungetruwen.
Waz er begie, daz kam im sit zu ruwen.
Nu horet michel wunder
Singen unde sagen,

Und merket alle besunder,
Sich hebt weinen und klagen
Und jamer also starke,
Der geschach uf Romischer marke.

Denn wenn Wolfram von Eschenbach im Parzifal er-
wähnt, was Rumold
kuner Gunthere riet,
Do er von Wormez gein den Hiunen schiet.

und noch bestimmter sagt, den Rath gebe
ein koch
Den künen Nibelungen,
Die sich unbetwungen
Uzhuben 78), da man an in rach,
Daz Sivride davor geschach,

so ist zwar darin die Gestalt der Fabel, welche der Nibe-
lungen Noth und die Klage gibt, unverkennbar; aber wer
will entscheiden, ob Eschenbach, dessen Parzifal in die er-
sten Jahre des dreizehnten Jahrhunderts fällt, schon un-
sere oder eine andere 79) Sammlung oder auch nur ein-
zelne Volkslieder kannte? 80)

Mit wůſte und mit brande
In ſinem eigen lande.
Nu ſolt ir hören gerne
Von grozer arbeit,
Wie der vogt von Berne
Sit gerach ſine leit
An Ermrichen dem ungetru̓wen.
Waz er begie, daz kam im ſit zů ru̓wen.
Nu horet michel wunder
Singen unde ſagen,

Und merket alle beſunder,
Sich hebt weinen und klagen
Und jamer alſo ſtarke,
Der geſchach uf Romiſcher marke.

Denn wenn Wolfram von Eſchenbach im Parzifal er-
wähnt, was Rumold
ku̓ner Gu̓nthere riet,
Do er von Wormez gein den Hiůnen ſchiet.

und noch beſtimmter ſagt, den Rath gebe
ein koch
Den künen Nibelungen,
Die ſich unbetwungen
Uzhůben 78), da man an in rach,
Daz Sivride davor geſchach,

ſo iſt zwar darin die Geſtalt der Fabel, welche der Nibe-
lungen Noth und die Klage gibt, unverkennbar; aber wer
will entſcheiden, ob Eſchenbach, deſſen Parzifal in die er-
ſten Jahre des dreizehnten Jahrhunderts fällt, ſchon un-
ſere oder eine andere 79) Sammlung oder auch nur ein-
zelne Volkslieder kannte? 80)

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[86/0094] Mit wůſte und mit brande In ſinem eigen lande. Nu ſolt ir hören gerne Von grozer arbeit, Wie der vogt von Berne Sit gerach ſine leit An Ermrichen dem ungetru̓wen. Waz er begie, daz kam im ſit zů ru̓wen. Nu horet michel wunder Singen unde ſagen, Und merket alle beſunder, Sich hebt weinen und klagen Und jamer alſo ſtarke, Der geſchach uf Romiſcher marke. Denn wenn Wolfram von Eſchenbach im Parzifal er- wähnt, was Rumold ku̓ner Gu̓nthere riet, Do er von Wormez gein den Hiůnen ſchiet. und noch beſtimmter ſagt, den Rath gebe ein koch Den künen Nibelungen, Die ſich unbetwungen Uzhůben ⁷⁸⁾ , da man an in rach, Daz Sivride davor geſchach, ſo iſt zwar darin die Geſtalt der Fabel, welche der Nibe- lungen Noth und die Klage gibt, unverkennbar; aber wer will entſcheiden, ob Eſchenbach, deſſen Parzifal in die er- ſten Jahre des dreizehnten Jahrhunderts fällt, ſchon un- ſere oder eine andere ⁷⁹⁾ Sammlung oder auch nur ein- zelne Volkslieder kannte? ⁸⁰⁾

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Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/94>, abgerufen am 28.04.2024.