Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
che Ausdehnung der Gebrauch derselben überhaupt gehabt.
Alle Dänischen Lieder, die sich auf den Deutschen Fabelkreis
beziehen, sind in der vierzeiligen Strophe gedichtet, welche
der Hälfte unserer Deutschen entspricht *); und merkwür-
dig ist, daß gerade den der Deutschen Sage am nächste-
henden Liedern von Grimild, Hildebrand und Mönch Al-
sing das sonst gewöhnlichen Omqvoed (Refrain) mangelt.
Dieselben Verse von sieben Hebungen mit dem Ruhepunkt
in der vierten finden sich auch bei Spaniern und Neu-
griechen.
28) Der Dichter ist zu verstehen, nicht Pilgrin. Gott-
fried von Straßburg nennt im Tristan S. 1 b den Tho-
mas von Britannien "der aventure meister, der
an Britunischen buchen las
Aller der lantherren leben,
Und ez uns ze kunde hat geben."

S. Docen im Museum f. Altd. Litt. u. Kunst i. S. 462.
*) Hingegen ist der Ursprung der zweizeiligen Strophe
vielleicht ein ganz anderer. Aus dem alten Fornyr-
dalag von acht Halbzeilen, jede mit zwei Hebungen,
wurde die Art von Runhenda, welche sich bloß durch
Reime in den Halbversen, nur zwei für ein ganzes
Gesetz, vom Fornyrdalag unterscheidet (John Olaf-
sen om Nordens gamle Digtekonst S. 69 §. 40); aus
dieser die besonders später gewöhnliche Runhenda,
doppelt so lang als jene, mit acht Halbzeil n von
vier Reimbuchstaben und vier Reimen, wovon jeder
nur einmahl gebunden wird (Olafsen das. §. 38. 39).
Die Dänische Strophe von zwei Zeilen macht ein
Viertel dieser Runhenda, die Hälfte jenes Fornycda-
lag aus. Was ich zwei Hebungen nenne, heißt bei
Olafsen vier lange Sylben, womit er jedoch nichts
anderes meint, nach seiner eigenen Erklärung S.
192.
G 2
che Ausdehnung der Gebrauch derſelben überhaupt gehabt.
Alle Däniſchen Lieder, die ſich auf den Deutſchen Fabelkreis
beziehen, ſind in der vierzeiligen Strophe gedichtet, welche
der Hälfte unſerer Deutſchen entſpricht *); und merkwür-
dig iſt, daß gerade den der Deutſchen Sage am nächſte-
henden Liedern von Grimild, Hildebrand und Mönch Al-
ſing das ſonſt gewöhnlichen Omqvœd (Refrain) mangelt.
Dieſelben Verſe von ſieben Hebungen mit dem Ruhepunkt
in der vierten finden ſich auch bei Spaniern und Neu-
griechen.
28) Der Dichter iſt zu verſtehen, nicht Pilgrin. Gott-
fried von Straßburg nennt im Triſtan S. 1 b den Tho-
mas von Britannien »der aventu̓re meiſter, der
an Brituniſchen bůchen las
Aller der lantherren leben,
Und ez uns ze kunde hat geben.«

S. Docen im Muſeum f. Altd. Litt. u. Kunſt i. S. 462.
*) Hingegen iſt der Urſprung der zweizeiligen Strophe
vielleicht ein ganz anderer. Aus dem alten Fornyr-
dalag von acht Halbzeilen, jede mit zwei Hebungen,
wurde die Art von Ru̓nhenda, welche ſich bloß durch
Reime in den Halbverſen, nur zwei für ein ganzes
Geſetz, vom Fornyrdalag unterſcheidet (John Olaf-
ſen om Nordens gamle Digtekonſt S. 69 §. 40); aus
dieſer die beſonders ſpäter gewöhnliche Ru̓nhenda,
doppelt ſo lang als jene, mit acht Halbzeil n von
vier Reimbuchſtaben und vier Reimen, wovon jeder
nur einmahl gebunden wird (Olafſen daſ. §. 38. 39).
Die Däniſche Strophe von zwei Zeilen macht ein
Viertel dieſer Ru̓nhenda, die Hälfte jenes Fornycda-
lag aus. Was ich zwei Hebungen nenne, heißt bei
Olafſen vier lange Sylben, womit er jedoch nichts
anderes meint, nach ſeiner eigenen Erklärung S.
192.
G 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <note xml:id="en27-text" prev="#en27" place="end" n="27)"><pb facs="#f0107" n="99"/>
che Ausdehnung der Gebrauch der&#x017F;elben überhaupt gehabt.<lb/>
Alle Däni&#x017F;chen Lieder, die &#x017F;ich auf den Deut&#x017F;chen Fabelkreis<lb/>
beziehen, &#x017F;ind in der vierzeiligen Strophe gedichtet, welche<lb/>
der Hälfte un&#x017F;erer Deut&#x017F;chen ent&#x017F;pricht <note place="foot" n="*)">Hingegen i&#x017F;t der Ur&#x017F;prung der zweizeiligen Strophe<lb/>
vielleicht ein ganz anderer. Aus dem alten Fornyr-<lb/>
dalag von acht Halbzeilen, jede mit zwei Hebungen,<lb/>
wurde die Art von Ru&#x0313;nhenda, welche &#x017F;ich bloß durch<lb/>
Reime in den Halbver&#x017F;en, nur zwei für ein ganzes<lb/>
Ge&#x017F;etz, vom Fornyrdalag unter&#x017F;cheidet (John Olaf-<lb/>
&#x017F;en om Nordens gamle Digtekon&#x017F;t S. 69 §. 40); aus<lb/>
die&#x017F;er die be&#x017F;onders &#x017F;päter gewöhnliche Ru&#x0313;nhenda,<lb/>
doppelt &#x017F;o lang als jene, mit acht Halbzeil n von<lb/>
vier Reimbuch&#x017F;taben und vier Reimen, wovon jeder<lb/>
nur einmahl gebunden wird (Olaf&#x017F;en da&#x017F;. §. 38. 39).<lb/>
Die Däni&#x017F;che Strophe von zwei Zeilen macht ein<lb/>
Viertel die&#x017F;er Ru&#x0313;nhenda, die Hälfte jenes Fornycda-<lb/>
lag aus. Was ich zwei Hebungen nenne, heißt bei<lb/>
Olaf&#x017F;en vier lange Sylben, womit er jedoch nichts<lb/>
anderes meint, nach &#x017F;einer eigenen Erklärung S.<lb/>
192.</note>; und merkwür-<lb/>
dig i&#x017F;t, daß gerade den der Deut&#x017F;chen Sage am näch&#x017F;te-<lb/>
henden Liedern von Grimild, Hildebrand und Mönch Al-<lb/>
&#x017F;ing das &#x017F;on&#x017F;t gewöhnlichen Omqv&#x0153;d (Refrain) mangelt.<lb/>
Die&#x017F;elben Ver&#x017F;e von &#x017F;ieben Hebungen mit dem Ruhepunkt<lb/>
in der vierten finden &#x017F;ich auch bei Spaniern und Neu-<lb/>
griechen.</note><lb/>
        <note xml:id="en28-text" prev="#en28" place="end" n="28)">Der Dichter i&#x017F;t zu ver&#x017F;tehen, nicht Pilgrin. Gott-<lb/>
fried von Straßburg nennt im Tri&#x017F;tan S. 1 b den Tho-<lb/>
mas von Britannien »der aventu&#x0313;re <hi rendition="#g">mei&#x017F;ter</hi>, der<lb/><quote rendition="#et" xml:lang="gmh">an Brituni&#x017F;chen b&#x016F;chen las<lb/>
Aller der lantherren leben,<lb/>
Und ez uns ze kunde hat geben.«</quote><lb/>
S. Docen im Mu&#x017F;eum f. Altd. Litt. u. Kun&#x017F;t i. S. 462.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><lb/></note>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0107] ²⁷⁾ che Ausdehnung der Gebrauch derſelben überhaupt gehabt. Alle Däniſchen Lieder, die ſich auf den Deutſchen Fabelkreis beziehen, ſind in der vierzeiligen Strophe gedichtet, welche der Hälfte unſerer Deutſchen entſpricht *); und merkwür- dig iſt, daß gerade den der Deutſchen Sage am nächſte- henden Liedern von Grimild, Hildebrand und Mönch Al- ſing das ſonſt gewöhnlichen Omqvœd (Refrain) mangelt. Dieſelben Verſe von ſieben Hebungen mit dem Ruhepunkt in der vierten finden ſich auch bei Spaniern und Neu- griechen. ²⁸⁾ Der Dichter iſt zu verſtehen, nicht Pilgrin. Gott- fried von Straßburg nennt im Triſtan S. 1 b den Tho- mas von Britannien »der aventu̓re meiſter, der an Brituniſchen bůchen las Aller der lantherren leben, Und ez uns ze kunde hat geben.« S. Docen im Muſeum f. Altd. Litt. u. Kunſt i. S. 462. *) Hingegen iſt der Urſprung der zweizeiligen Strophe vielleicht ein ganz anderer. Aus dem alten Fornyr- dalag von acht Halbzeilen, jede mit zwei Hebungen, wurde die Art von Ru̓nhenda, welche ſich bloß durch Reime in den Halbverſen, nur zwei für ein ganzes Geſetz, vom Fornyrdalag unterſcheidet (John Olaf- ſen om Nordens gamle Digtekonſt S. 69 §. 40); aus dieſer die beſonders ſpäter gewöhnliche Ru̓nhenda, doppelt ſo lang als jene, mit acht Halbzeil n von vier Reimbuchſtaben und vier Reimen, wovon jeder nur einmahl gebunden wird (Olafſen daſ. §. 38. 39). Die Däniſche Strophe von zwei Zeilen macht ein Viertel dieſer Ru̓nhenda, die Hälfte jenes Fornycda- lag aus. Was ich zwei Hebungen nenne, heißt bei Olafſen vier lange Sylben, womit er jedoch nichts anderes meint, nach ſeiner eigenen Erklärung S. 192. G 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/107
Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/107>, abgerufen am 05.05.2024.