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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 103. Die Rechtsanwaltschaft.
auch die Garantien dafür haben, daß diese Thätigkeit den von
ihm gestellten Anforderungen entspreche. Er muß daher die Be-
dingungen normiren, unter welchen er Jemanden zur Rechtsanwalt-
schaft zuläßt, er muß über die Amtsführung der Rechtsanwälte
eine gewisse Aufsicht führen, eine Disciplinargewalt organisiren,
unter gewissen Voraussetzungen auch die Entfernung aus dem Amte
ermöglichen; er kann ferner den Rechtsanwälten gewisse spezielle
Amtspflichten auferlegen. Ja es kann dieser Gesichtspunkt so weit
festgehalten werden, daß die Rechtsanwälte geradezu wie Staats-
beamte behandelt, von der Regierung für bestimmte Stellen er-
nannt, versetzt, entlassen werden u. s. w. und daß sie von anderen
Staatsbeamten sich hauptsächlich nur dadurch unterscheiden, daß
sie nicht einen festen Gehalt beziehen, sondern auf die für ihre
Amtsverrichtungen zu erhebenden Gebühren angewiesen sind. Das
war im Wesentlichen der Standpunkt des früheren Preußischen
Rechts.

Andererseits kann man davon ausgehen, daß wenngleich die
Thätigkeit der Rechtsanwaltschaft im Ganzen einen integrirenden
Bestandtheil der öffentlichen Rechtspflege bildet, doch im einzelnen
Falle die Arbeit des Rechtsanwalts im Interesse der Privatper-
sonen gegen Entgeld in Anspruch genommen wird und daß sie
nicht Staatsgeschäfte im eigentlichen Sinn versehen, sondern für
eigene Rechnung ihren Kunden Dienste leisten. Von diesem Ge-
sichtspunkte aus erscheint die Praxis des Rechtsanwalts als eine
gewerbliche Thätigkeit, bei welcher der Staat nicht direct interessirt
ist, sondern für welche er nur die Bedingungen des Betriebes
normirt. Von dieser Grundlage aus gelangt man zu dem soge-
nannten System der freien Advokatur und die Rechtsanwalts-Ord-
nung ist alsdann lediglich ein besonderer Theil der Gewerbe-
Ordnung.

Würde nun die Reichsgesetzgebung eines dieser beiden Sy-
steme angenommen und consequent durchgeführt haben, so würden
keinerlei staatsrechtliche Schwierigkeiten entstanden sein und die
Rechtsanwalts-Ordnung keinen Anlaß zu staatsrechtlichen Erörte-
rungen darbieten. Falls man die Rechtsanwälte als Beamte vel
quasi
behandelt hätte, so würde jeder Landesherr für seine Ge-
richte und der Kaiser für das Reichsgericht die erforderliche An-
zahl von Rechtsanwälten zu ernennen haben; die amtliche Thätigkeit

§. 103. Die Rechtsanwaltſchaft.
auch die Garantien dafür haben, daß dieſe Thätigkeit den von
ihm geſtellten Anforderungen entſpreche. Er muß daher die Be-
dingungen normiren, unter welchen er Jemanden zur Rechtsanwalt-
ſchaft zuläßt, er muß über die Amtsführung der Rechtsanwälte
eine gewiſſe Aufſicht führen, eine Disciplinargewalt organiſiren,
unter gewiſſen Vorausſetzungen auch die Entfernung aus dem Amte
ermöglichen; er kann ferner den Rechtsanwälten gewiſſe ſpezielle
Amtspflichten auferlegen. Ja es kann dieſer Geſichtspunkt ſo weit
feſtgehalten werden, daß die Rechtsanwälte geradezu wie Staats-
beamte behandelt, von der Regierung für beſtimmte Stellen er-
nannt, verſetzt, entlaſſen werden u. ſ. w. und daß ſie von anderen
Staatsbeamten ſich hauptſächlich nur dadurch unterſcheiden, daß
ſie nicht einen feſten Gehalt beziehen, ſondern auf die für ihre
Amtsverrichtungen zu erhebenden Gebühren angewieſen ſind. Das
war im Weſentlichen der Standpunkt des früheren Preußiſchen
Rechts.

Andererſeits kann man davon ausgehen, daß wenngleich die
Thätigkeit der Rechtsanwaltſchaft im Ganzen einen integrirenden
Beſtandtheil der öffentlichen Rechtspflege bildet, doch im einzelnen
Falle die Arbeit des Rechtsanwalts im Intereſſe der Privatper-
ſonen gegen Entgeld in Anſpruch genommen wird und daß ſie
nicht Staatsgeſchäfte im eigentlichen Sinn verſehen, ſondern für
eigene Rechnung ihren Kunden Dienſte leiſten. Von dieſem Ge-
ſichtspunkte aus erſcheint die Praxis des Rechtsanwalts als eine
gewerbliche Thätigkeit, bei welcher der Staat nicht direct intereſſirt
iſt, ſondern für welche er nur die Bedingungen des Betriebes
normirt. Von dieſer Grundlage aus gelangt man zu dem ſoge-
nannten Syſtem der freien Advokatur und die Rechtsanwalts-Ord-
nung iſt alsdann lediglich ein beſonderer Theil der Gewerbe-
Ordnung.

Würde nun die Reichsgeſetzgebung eines dieſer beiden Sy-
ſteme angenommen und conſequent durchgeführt haben, ſo würden
keinerlei ſtaatsrechtliche Schwierigkeiten entſtanden ſein und die
Rechtsanwalts-Ordnung keinen Anlaß zu ſtaatsrechtlichen Erörte-
rungen darbieten. Falls man die Rechtsanwälte als Beamte vel
quasi
behandelt hätte, ſo würde jeder Landesherr für ſeine Ge-
richte und der Kaiſer für das Reichsgericht die erforderliche An-
zahl von Rechtsanwälten zu ernennen haben; die amtliche Thätigkeit

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[112/0122] §. 103. Die Rechtsanwaltſchaft. auch die Garantien dafür haben, daß dieſe Thätigkeit den von ihm geſtellten Anforderungen entſpreche. Er muß daher die Be- dingungen normiren, unter welchen er Jemanden zur Rechtsanwalt- ſchaft zuläßt, er muß über die Amtsführung der Rechtsanwälte eine gewiſſe Aufſicht führen, eine Disciplinargewalt organiſiren, unter gewiſſen Vorausſetzungen auch die Entfernung aus dem Amte ermöglichen; er kann ferner den Rechtsanwälten gewiſſe ſpezielle Amtspflichten auferlegen. Ja es kann dieſer Geſichtspunkt ſo weit feſtgehalten werden, daß die Rechtsanwälte geradezu wie Staats- beamte behandelt, von der Regierung für beſtimmte Stellen er- nannt, verſetzt, entlaſſen werden u. ſ. w. und daß ſie von anderen Staatsbeamten ſich hauptſächlich nur dadurch unterſcheiden, daß ſie nicht einen feſten Gehalt beziehen, ſondern auf die für ihre Amtsverrichtungen zu erhebenden Gebühren angewieſen ſind. Das war im Weſentlichen der Standpunkt des früheren Preußiſchen Rechts. Andererſeits kann man davon ausgehen, daß wenngleich die Thätigkeit der Rechtsanwaltſchaft im Ganzen einen integrirenden Beſtandtheil der öffentlichen Rechtspflege bildet, doch im einzelnen Falle die Arbeit des Rechtsanwalts im Intereſſe der Privatper- ſonen gegen Entgeld in Anſpruch genommen wird und daß ſie nicht Staatsgeſchäfte im eigentlichen Sinn verſehen, ſondern für eigene Rechnung ihren Kunden Dienſte leiſten. Von dieſem Ge- ſichtspunkte aus erſcheint die Praxis des Rechtsanwalts als eine gewerbliche Thätigkeit, bei welcher der Staat nicht direct intereſſirt iſt, ſondern für welche er nur die Bedingungen des Betriebes normirt. Von dieſer Grundlage aus gelangt man zu dem ſoge- nannten Syſtem der freien Advokatur und die Rechtsanwalts-Ord- nung iſt alsdann lediglich ein beſonderer Theil der Gewerbe- Ordnung. Würde nun die Reichsgeſetzgebung eines dieſer beiden Sy- ſteme angenommen und conſequent durchgeführt haben, ſo würden keinerlei ſtaatsrechtliche Schwierigkeiten entſtanden ſein und die Rechtsanwalts-Ordnung keinen Anlaß zu ſtaatsrechtlichen Erörte- rungen darbieten. Falls man die Rechtsanwälte als Beamte vel quasi behandelt hätte, ſo würde jeder Landesherr für ſeine Ge- richte und der Kaiſer für das Reichsgericht die erforderliche An- zahl von Rechtsanwälten zu ernennen haben; die amtliche Thätigkeit

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/122>, abgerufen am 23.11.2024.