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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 83. Das stehende Heer.
Gesetzes einen Satz hinzuzufügen, welcher die Begriffe "Bataillon,
Eskadron und Batterie" definirt, d. h. ihre normale Kopf-
stärke angiebt 1). Es hätte dies immerhin so gefaßt werden können,
daß Schwankungen im Einzelnen gestattet blieben; da doch für jede
dieser taktischen und administrativen Einheiten ein "Friedensver-
pflegungs-Etat" besteht, der nicht nur von dem Kaiser resp. der
oberen Militairbehörde genehmigt, sondern auch von dem Reichs-
tage bei der Feststellung des Militair-Etats des Reiches zu Grunde
gelegt wird, so hätte auch im Gesetz bestimmt werden können, nach
welchen Normalsätzen diese Verpflegungs-Etats aufzustellen seien.
Dadurch hätten alle in den §§. 2 und 3 des Milit.-Gesetzes ent-
haltenen Anordnungen erst einen concreten Inhalt und verständ-
lichen Sinn erhalten, während sie jetzt nur eine militairische Nomen-
clatur geben, die praktisch eine sehr verschiedene Bedeutung haben
kann 2).


1) Dem Entwurf der Verf. des Nordd. Bundes Abschnitt XI
war bereits von dem Preuß. Kriegsminister eine "Erläuterung" beigegeben,
welche die Friedens-Formation eines Armeekorps ganz genau darstellt; in der-
selben wird ein Infanterie-Regiment a 3 Bataillone auf 57 Offiziere und
1613 Mann, ein Jägerbataillon auf 22 Offiziere und 534 Mann, ein Kavallerie-
Regiment a 5 Eskadrons auf 28 Offiziere und 712 Mann u. s. w. angegeben.
(Stenogr. Berichte des verfassungberathenden Reichstages von 1867 Aktenstücke
S. 52.) Ebenso wurde dem Reichstag von 1874 eine Uebersicht der Truppen-
Formationen und Etatsstärken vorgelegt, nach welcher z. B. das Preuß. Linien-
Infanterie-Bataillon 566 Mann (incl. Unteroffiziere, Lazarethgehilfen und
Handwerker) stark sein soll (Drucks. 1874 I Sess. Beilagen zu Nro. 106). In
dem Militairgesetz fand aber eine Bestimmung dieser Art keine Aufnahme,
sondern es wird nur dem Militair-Etat alljährlich eine "Uebersicht der
Etatsstärke des Deutschen Heeres" beigefügt. Genauere Nachweisungen enthält
das Kapitel "Geldverpflegung der Truppen" des Militair-Etats.
2) Nach dem Referate des Berichterstatters (Miquel) in der Sitzung vom
13. April 1874 (Stenogr. Berichte S. 748) wurde zwar in den Berathungen
der Reichstags-Kommission Seitens der Regierungsvertreter und einiger Kom-
missions-Mitglieder gesagt: "Ein Bataillon ist doch ein Bataillon und keine
Kompagnie. Wer ein Bataillon auf Gesetz basirt, erkennt damit an, daß das
Bataillon doch wenigstens eine Minimalfriedenspräsenzstärke haben muß, und
daß er bei der Aufstellung des Budgets nicht berechtigt ist, wenn er loyal ver-
fahren will, thatsächlich ein Bataillon in eine Kompagnie zu verwandeln. Die
Friedenspräsenzstärke ergiebt sich aus den Aufgaben, welche den einzelnen For-
mationen militairisch-technisch obliegen." Dies ist aber völlig ungenügend, um
einen festen Anhalt zu gewähren. Derselbe Truppenkörper, der den Namen

§. 83. Das ſtehende Heer.
Geſetzes einen Satz hinzuzufügen, welcher die Begriffe „Bataillon,
Eskadron und Batterie“ definirt, d. h. ihre normale Kopf-
ſtärke angiebt 1). Es hätte dies immerhin ſo gefaßt werden können,
daß Schwankungen im Einzelnen geſtattet blieben; da doch für jede
dieſer taktiſchen und adminiſtrativen Einheiten ein „Friedensver-
pflegungs-Etat“ beſteht, der nicht nur von dem Kaiſer reſp. der
oberen Militairbehörde genehmigt, ſondern auch von dem Reichs-
tage bei der Feſtſtellung des Militair-Etats des Reiches zu Grunde
gelegt wird, ſo hätte auch im Geſetz beſtimmt werden können, nach
welchen Normalſätzen dieſe Verpflegungs-Etats aufzuſtellen ſeien.
Dadurch hätten alle in den §§. 2 und 3 des Milit.-Geſetzes ent-
haltenen Anordnungen erſt einen concreten Inhalt und verſtänd-
lichen Sinn erhalten, während ſie jetzt nur eine militairiſche Nomen-
clatur geben, die praktiſch eine ſehr verſchiedene Bedeutung haben
kann 2).


1) Dem Entwurf der Verf. des Nordd. Bundes Abſchnitt XI
war bereits von dem Preuß. Kriegsminiſter eine „Erläuterung“ beigegeben,
welche die Friedens-Formation eines Armeekorps ganz genau darſtellt; in der-
ſelben wird ein Infanterie-Regiment à 3 Bataillone auf 57 Offiziere und
1613 Mann, ein Jägerbataillon auf 22 Offiziere und 534 Mann, ein Kavallerie-
Regiment à 5 Eskadrons auf 28 Offiziere und 712 Mann u. ſ. w. angegeben.
(Stenogr. Berichte des verfaſſungberathenden Reichstages von 1867 Aktenſtücke
S. 52.) Ebenſo wurde dem Reichstag von 1874 eine Ueberſicht der Truppen-
Formationen und Etatsſtärken vorgelegt, nach welcher z. B. das Preuß. Linien-
Infanterie-Bataillon 566 Mann (incl. Unteroffiziere, Lazarethgehilfen und
Handwerker) ſtark ſein ſoll (Druckſ. 1874 I Seſſ. Beilagen zu Nro. 106). In
dem Militairgeſetz fand aber eine Beſtimmung dieſer Art keine Aufnahme,
ſondern es wird nur dem Militair-Etat alljährlich eine „Ueberſicht der
Etatsſtärke des Deutſchen Heeres“ beigefügt. Genauere Nachweiſungen enthält
das Kapitel „Geldverpflegung der Truppen“ des Militair-Etats.
2) Nach dem Referate des Berichterſtatters (Miquel) in der Sitzung vom
13. April 1874 (Stenogr. Berichte S. 748) wurde zwar in den Berathungen
der Reichstags-Kommiſſion Seitens der Regierungsvertreter und einiger Kom-
miſſions-Mitglieder geſagt: „Ein Bataillon iſt doch ein Bataillon und keine
Kompagnie. Wer ein Bataillon auf Geſetz baſirt, erkennt damit an, daß das
Bataillon doch wenigſtens eine Minimalfriedenspräſenzſtärke haben muß, und
daß er bei der Aufſtellung des Budgets nicht berechtigt iſt, wenn er loyal ver-
fahren will, thatſächlich ein Bataillon in eine Kompagnie zu verwandeln. Die
Friedenspräſenzſtärke ergiebt ſich aus den Aufgaben, welche den einzelnen For-
mationen militairiſch-techniſch obliegen.“ Dies iſt aber völlig ungenügend, um
einen feſten Anhalt zu gewähren. Derſelbe Truppenkörper, der den Namen
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[85/0095] §. 83. Das ſtehende Heer. Geſetzes einen Satz hinzuzufügen, welcher die Begriffe „Bataillon, Eskadron und Batterie“ definirt, d. h. ihre normale Kopf- ſtärke angiebt 1). Es hätte dies immerhin ſo gefaßt werden können, daß Schwankungen im Einzelnen geſtattet blieben; da doch für jede dieſer taktiſchen und adminiſtrativen Einheiten ein „Friedensver- pflegungs-Etat“ beſteht, der nicht nur von dem Kaiſer reſp. der oberen Militairbehörde genehmigt, ſondern auch von dem Reichs- tage bei der Feſtſtellung des Militair-Etats des Reiches zu Grunde gelegt wird, ſo hätte auch im Geſetz beſtimmt werden können, nach welchen Normalſätzen dieſe Verpflegungs-Etats aufzuſtellen ſeien. Dadurch hätten alle in den §§. 2 und 3 des Milit.-Geſetzes ent- haltenen Anordnungen erſt einen concreten Inhalt und verſtänd- lichen Sinn erhalten, während ſie jetzt nur eine militairiſche Nomen- clatur geben, die praktiſch eine ſehr verſchiedene Bedeutung haben kann 2). 1) Dem Entwurf der Verf. des Nordd. Bundes Abſchnitt XI war bereits von dem Preuß. Kriegsminiſter eine „Erläuterung“ beigegeben, welche die Friedens-Formation eines Armeekorps ganz genau darſtellt; in der- ſelben wird ein Infanterie-Regiment à 3 Bataillone auf 57 Offiziere und 1613 Mann, ein Jägerbataillon auf 22 Offiziere und 534 Mann, ein Kavallerie- Regiment à 5 Eskadrons auf 28 Offiziere und 712 Mann u. ſ. w. angegeben. (Stenogr. Berichte des verfaſſungberathenden Reichstages von 1867 Aktenſtücke S. 52.) Ebenſo wurde dem Reichstag von 1874 eine Ueberſicht der Truppen- Formationen und Etatsſtärken vorgelegt, nach welcher z. B. das Preuß. Linien- Infanterie-Bataillon 566 Mann (incl. Unteroffiziere, Lazarethgehilfen und Handwerker) ſtark ſein ſoll (Druckſ. 1874 I Seſſ. Beilagen zu Nro. 106). In dem Militairgeſetz fand aber eine Beſtimmung dieſer Art keine Aufnahme, ſondern es wird nur dem Militair-Etat alljährlich eine „Ueberſicht der Etatsſtärke des Deutſchen Heeres“ beigefügt. Genauere Nachweiſungen enthält das Kapitel „Geldverpflegung der Truppen“ des Militair-Etats. 2) Nach dem Referate des Berichterſtatters (Miquel) in der Sitzung vom 13. April 1874 (Stenogr. Berichte S. 748) wurde zwar in den Berathungen der Reichstags-Kommiſſion Seitens der Regierungsvertreter und einiger Kom- miſſions-Mitglieder geſagt: „Ein Bataillon iſt doch ein Bataillon und keine Kompagnie. Wer ein Bataillon auf Geſetz baſirt, erkennt damit an, daß das Bataillon doch wenigſtens eine Minimalfriedenspräſenzſtärke haben muß, und daß er bei der Aufſtellung des Budgets nicht berechtigt iſt, wenn er loyal ver- fahren will, thatſächlich ein Bataillon in eine Kompagnie zu verwandeln. Die Friedenspräſenzſtärke ergiebt ſich aus den Aufgaben, welche den einzelnen For- mationen militairiſch-techniſch obliegen.“ Dies iſt aber völlig ungenügend, um einen feſten Anhalt zu gewähren. Derſelbe Truppenkörper, der den Namen

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/95>, abgerufen am 03.05.2024.