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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 80. Die Gemeinschaft d. Lasten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht.
Anspruch genommen werden 1). Es gehört diese Selbständigkeit der
Ersatzstellung zu den verfassungsmäßigen Sonderrechten Bayerns,
welche nur nach Art. 78 der R.V. beseitigt werden können.

b) Durch das Reichsmilitairgesetz §. 9 Abs. 4 ist
denjenigen Bundesstaaten, welche besondere Armeekorps
bilden
, zugesichert worden, "daß sie unbeschadet der Bestim-
mungen in Abs. 3 im Frieden zur Rekrutengestellung für andere
Armeekorps nur in dem Maße herangezogen werden, als An-
gehörige anderer Bundesstaaten bei ihnen in Gemäßheit des §. 12
zur Aushebung gelangen". Der Sinn dieser dunkeln Worte ist
der, daß auch für Sachsen und Württemberg im Frie-
den
dasselbe Verhältniß gelten soll, welches für Bayern besteht;
d. h. daß diese beiden Staaten den Ersatz für ihre Armeekorps in
ihren Gebieten selbst aufbringen und daß die von ihnen ausge-
hobenen Rekruten nicht in andere Kontingente eingereiht werden 2).
Außerdem aber erkennen die citirten Gesetzesworte eine Ausnahme
von diesem Grundsatz an rücksichtlich der Staaten mit selbststän-
diger Kontingentsverwaltung, einschließlich Bayerns, deren
Bedeutung und Begründung erst bei Erörterung der Kontingents-
herrlichkeit dargelegt werden kann (vgl. §. 81 I, 1).

c) Durch die Militair-Konventionen haben die-

1) Dessen ungeachtet besteht der Grundsatz, daß auch Bayern für den Aus-
fall in andern Bundesstaaten pro rata mit aufkommen müsse und vice versa
fort; er ist aber in der Art zu realisiren, daß wenn in Bayern ein Ausfall
sich ereignet, die Kontingente der übrigen Staaten entsprechend erhöht werden,
und daß wenn der Ausfall außerhalb Bayerns (z. B. in Elsaß-Lothringen) ein-
tritt, die Rekruten-Einstellung in das Bayerische Heer um so viel erhöht wird,
als der auf Bayern kommende Antheil an diesem Ausfall beträgt. Für das
ganze Reichsheer wird hierdurch die festgesetzte Zahl der einzustellenden Re-
kruten, resp. der gesetzlichen Friedens-Präsenzstärke erreicht. Die praktische
Durchführung dieses Prinzips würde allerdings mit Mißständen verknüpft sein,
weil die etatsmäßige Stärke der einzelnen Truppenkörper dadurch Verände-
rungen erleiden würde.
2) Vgl. Stenogr. Berichte des Reichstags 1874 S. 1455. Bei der Bun-
des-Ersatz-Vertheilung wird daher auf diese Staaten nur der für ihre Armee-
korps erforderliche Bedarf in Einer Summe vertheilt. Vergl. Wehr-Ordn. I
§. 51 Ziff. 5. "Die Bestimmungen in Abs. 3" d. h. die Repartirung des Aus-
falls in einem Bundesstaat auf die andern, finden auf Sachsen und Württem-
berg in derselben Art Anwendung, wie dies in der vorhergehenden Note für
Bayern erläutert ist.

§. 80. Die Gemeinſchaft d. Laſten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht.
Anſpruch genommen werden 1). Es gehört dieſe Selbſtändigkeit der
Erſatzſtellung zu den verfaſſungsmäßigen Sonderrechten Bayerns,
welche nur nach Art. 78 der R.V. beſeitigt werden können.

b) Durch das Reichsmilitairgeſetz §. 9 Abſ. 4 iſt
denjenigen Bundesſtaaten, welche beſondere Armeekorps
bilden
, zugeſichert worden, „daß ſie unbeſchadet der Beſtim-
mungen in Abſ. 3 im Frieden zur Rekrutengeſtellung für andere
Armeekorps nur in dem Maße herangezogen werden, als An-
gehörige anderer Bundesſtaaten bei ihnen in Gemäßheit des §. 12
zur Aushebung gelangen“. Der Sinn dieſer dunkeln Worte iſt
der, daß auch für Sachſen und Württemberg im Frie-
den
daſſelbe Verhältniß gelten ſoll, welches für Bayern beſteht;
d. h. daß dieſe beiden Staaten den Erſatz für ihre Armeekorps in
ihren Gebieten ſelbſt aufbringen und daß die von ihnen ausge-
hobenen Rekruten nicht in andere Kontingente eingereiht werden 2).
Außerdem aber erkennen die citirten Geſetzesworte eine Ausnahme
von dieſem Grundſatz an rückſichtlich der Staaten mit ſelbſtſtän-
diger Kontingentsverwaltung, einſchließlich Bayerns, deren
Bedeutung und Begründung erſt bei Erörterung der Kontingents-
herrlichkeit dargelegt werden kann (vgl. §. 81 I, 1).

c) Durch die Militair-Konventionen haben die-

1) Deſſen ungeachtet beſteht der Grundſatz, daß auch Bayern für den Aus-
fall in andern Bundesſtaaten pro rata mit aufkommen müſſe und vice versa
fort; er iſt aber in der Art zu realiſiren, daß wenn in Bayern ein Ausfall
ſich ereignet, die Kontingente der übrigen Staaten entſprechend erhöht werden,
und daß wenn der Ausfall außerhalb Bayerns (z. B. in Elſaß-Lothringen) ein-
tritt, die Rekruten-Einſtellung in das Bayeriſche Heer um ſo viel erhöht wird,
als der auf Bayern kommende Antheil an dieſem Ausfall beträgt. Für das
ganze Reichsheer wird hierdurch die feſtgeſetzte Zahl der einzuſtellenden Re-
kruten, reſp. der geſetzlichen Friedens-Präſenzſtärke erreicht. Die praktiſche
Durchführung dieſes Prinzips würde allerdings mit Mißſtänden verknüpft ſein,
weil die etatsmäßige Stärke der einzelnen Truppenkörper dadurch Verände-
rungen erleiden würde.
2) Vgl. Stenogr. Berichte des Reichstags 1874 S. 1455. Bei der Bun-
des-Erſatz-Vertheilung wird daher auf dieſe Staaten nur der für ihre Armee-
korps erforderliche Bedarf in Einer Summe vertheilt. Vergl. Wehr-Ordn. I
§. 51 Ziff. 5. „Die Beſtimmungen in Abſ. 3“ d. h. die Repartirung des Aus-
falls in einem Bundesſtaat auf die andern, finden auf Sachſen und Württem-
berg in derſelben Art Anwendung, wie dies in der vorhergehenden Note für
Bayern erläutert iſt.
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[55/0065] §. 80. Die Gemeinſchaft d. Laſten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht. Anſpruch genommen werden 1). Es gehört dieſe Selbſtändigkeit der Erſatzſtellung zu den verfaſſungsmäßigen Sonderrechten Bayerns, welche nur nach Art. 78 der R.V. beſeitigt werden können. b) Durch das Reichsmilitairgeſetz §. 9 Abſ. 4 iſt denjenigen Bundesſtaaten, welche beſondere Armeekorps bilden, zugeſichert worden, „daß ſie unbeſchadet der Beſtim- mungen in Abſ. 3 im Frieden zur Rekrutengeſtellung für andere Armeekorps nur in dem Maße herangezogen werden, als An- gehörige anderer Bundesſtaaten bei ihnen in Gemäßheit des §. 12 zur Aushebung gelangen“. Der Sinn dieſer dunkeln Worte iſt der, daß auch für Sachſen und Württemberg im Frie- den daſſelbe Verhältniß gelten ſoll, welches für Bayern beſteht; d. h. daß dieſe beiden Staaten den Erſatz für ihre Armeekorps in ihren Gebieten ſelbſt aufbringen und daß die von ihnen ausge- hobenen Rekruten nicht in andere Kontingente eingereiht werden 2). Außerdem aber erkennen die citirten Geſetzesworte eine Ausnahme von dieſem Grundſatz an rückſichtlich der Staaten mit ſelbſtſtän- diger Kontingentsverwaltung, einſchließlich Bayerns, deren Bedeutung und Begründung erſt bei Erörterung der Kontingents- herrlichkeit dargelegt werden kann (vgl. §. 81 I, 1). c) Durch die Militair-Konventionen haben die- 1) Deſſen ungeachtet beſteht der Grundſatz, daß auch Bayern für den Aus- fall in andern Bundesſtaaten pro rata mit aufkommen müſſe und vice versa fort; er iſt aber in der Art zu realiſiren, daß wenn in Bayern ein Ausfall ſich ereignet, die Kontingente der übrigen Staaten entſprechend erhöht werden, und daß wenn der Ausfall außerhalb Bayerns (z. B. in Elſaß-Lothringen) ein- tritt, die Rekruten-Einſtellung in das Bayeriſche Heer um ſo viel erhöht wird, als der auf Bayern kommende Antheil an dieſem Ausfall beträgt. Für das ganze Reichsheer wird hierdurch die feſtgeſetzte Zahl der einzuſtellenden Re- kruten, reſp. der geſetzlichen Friedens-Präſenzſtärke erreicht. Die praktiſche Durchführung dieſes Prinzips würde allerdings mit Mißſtänden verknüpft ſein, weil die etatsmäßige Stärke der einzelnen Truppenkörper dadurch Verände- rungen erleiden würde. 2) Vgl. Stenogr. Berichte des Reichstags 1874 S. 1455. Bei der Bun- des-Erſatz-Vertheilung wird daher auf dieſe Staaten nur der für ihre Armee- korps erforderliche Bedarf in Einer Summe vertheilt. Vergl. Wehr-Ordn. I §. 51 Ziff. 5. „Die Beſtimmungen in Abſ. 3“ d. h. die Repartirung des Aus- falls in einem Bundesſtaat auf die andern, finden auf Sachſen und Württem- berg in derſelben Art Anwendung, wie dies in der vorhergehenden Note für Bayern erläutert iſt.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/65>, abgerufen am 03.05.2024.