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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 80. Die Gemeinschaft d. Lasten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht.
nach Verhältniß ihrer ortsanwesenden reichsangehörigen Bevölke-
rung zu vertheilen; hiervon ist nach Art. 58 der R.V. auch Bayern
nicht ausgenommen, jedoch erleidet die Regel für alle Staaten,
welche besondere Armeekorps bilden, eine unter Nr. 5 noch zu
erörternde Modifikation.

4. Von dem Falle, daß ein Bundesstaat nicht im Stande ist,
die auf ihn entfallende Quote des Rekrutenbedarfs zu stellen, ist
wol zu unterscheiden der andere Fall, daß nach erfolgter Ver-
theilung des allgemeinen Ersatzbedarfs auf die Bundesstaaten bei
einem Truppentheile
durch unvorhergesehenen Ausfall oder
Abgang an Mannschaften ein außerordentlicher Ersatzbe-
darf
entsteht. Während in dem unter 3 erörterten Falle (Mil.-
Ges. §. 9 Abs. 3) der Ersatzbedarf für das Heer unverändert bleibt
und nur die Vertheilung anders regulirt werden muß, ändert sich
in dem hier besprochenen Falle (Mil.Ges. §. 9 Abs. 2) der Ersatz-
bedarf selbst, indem ein Nachersatz erforderlich wird. Hier ist
nun nicht die Repartirung desselben auf sämmtliche Bundesstaaten
nothwendig, sondern es ist eine Abweichung von dem vorge-
schriebenen Vertheilungsmaßstabe unter Zustimmung des Ausschusses
für das Landheer und die Festungen gestattet. Die in Folge dessen
entstehende Ungleichheit in der Belastung der Bundesstaaten ist bei
der Rekrutengestellung des nächstfolgenden Jahres auszugleichen 1).

5. Zu der Regel, daß der für das Reichsheer erforderliche
Ersatz gleichmäßig auf alle Bundesstaaten zu vertheilen ist, tritt
ein anderer Grundsatz hinzu, welcher eine sehr eingreifende Be-
schränkung der Kontingentsherrlichkeit der Einzelstaaten enthält 2).
Verfassungsmäßig haben nämlich die Bundesstaaten (außer
Bayern) kein Recht darauf, daß der von ihnen gestellte Ersatz in
ihre Kontingente eingereiht wird, sondern die Gesammtleistung
sämmtlicher Staaten an Rekruten steht für das gesammte Reichs-
heer zur Verfügung des Kaisers 3). Für die Zutheilung der aus-

1) Mil.Ges. §. 9 Abs. 2. Auf die Rekrutirung für die Marine finden
die Bestimmungen des Militairgesetzes keine Anwendung. Beim Mangel an
Ersatzmannschaften der seemännischen Bevölkerung ist ein Hinübergreifen auf
Militairpflichtige der Landbevölkerung innerhalb der aufzubringenden Gesammt-
zahl ohne Weiteres zulässig. W.O. I §. 51 Ziff. 7.
2) Vgl. §. 81 I, 1.
3) Nur der einzelne Wehrpflichtige ist berechtigt zu verlangen, daß er

§. 80. Die Gemeinſchaft d. Laſten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht.
nach Verhältniß ihrer ortsanweſenden reichsangehörigen Bevölke-
rung zu vertheilen; hiervon iſt nach Art. 58 der R.V. auch Bayern
nicht ausgenommen, jedoch erleidet die Regel für alle Staaten,
welche beſondere Armeekorps bilden, eine unter Nr. 5 noch zu
erörternde Modifikation.

4. Von dem Falle, daß ein Bundesſtaat nicht im Stande iſt,
die auf ihn entfallende Quote des Rekrutenbedarfs zu ſtellen, iſt
wol zu unterſcheiden der andere Fall, daß nach erfolgter Ver-
theilung des allgemeinen Erſatzbedarfs auf die Bundesſtaaten bei
einem Truppentheile
durch unvorhergeſehenen Ausfall oder
Abgang an Mannſchaften ein außerordentlicher Erſatzbe-
darf
entſteht. Während in dem unter 3 erörterten Falle (Mil.-
Geſ. §. 9 Abſ. 3) der Erſatzbedarf für das Heer unverändert bleibt
und nur die Vertheilung anders regulirt werden muß, ändert ſich
in dem hier beſprochenen Falle (Mil.Geſ. §. 9 Abſ. 2) der Erſatz-
bedarf ſelbſt, indem ein Nacherſatz erforderlich wird. Hier iſt
nun nicht die Repartirung deſſelben auf ſämmtliche Bundesſtaaten
nothwendig, ſondern es iſt eine Abweichung von dem vorge-
ſchriebenen Vertheilungsmaßſtabe unter Zuſtimmung des Ausſchuſſes
für das Landheer und die Feſtungen geſtattet. Die in Folge deſſen
entſtehende Ungleichheit in der Belaſtung der Bundesſtaaten iſt bei
der Rekrutengeſtellung des nächſtfolgenden Jahres auszugleichen 1).

5. Zu der Regel, daß der für das Reichsheer erforderliche
Erſatz gleichmäßig auf alle Bundesſtaaten zu vertheilen iſt, tritt
ein anderer Grundſatz hinzu, welcher eine ſehr eingreifende Be-
ſchränkung der Kontingentsherrlichkeit der Einzelſtaaten enthält 2).
Verfaſſungsmäßig haben nämlich die Bundesſtaaten (außer
Bayern) kein Recht darauf, daß der von ihnen geſtellte Erſatz in
ihre Kontingente eingereiht wird, ſondern die Geſammtleiſtung
ſämmtlicher Staaten an Rekruten ſteht für das geſammte Reichs-
heer zur Verfügung des Kaiſers 3). Für die Zutheilung der aus-

1) Mil.Geſ. §. 9 Abſ. 2. Auf die Rekrutirung für die Marine finden
die Beſtimmungen des Militairgeſetzes keine Anwendung. Beim Mangel an
Erſatzmannſchaften der ſeemänniſchen Bevölkerung iſt ein Hinübergreifen auf
Militairpflichtige der Landbevölkerung innerhalb der aufzubringenden Geſammt-
zahl ohne Weiteres zuläſſig. W.O. I §. 51 Ziff. 7.
2) Vgl. §. 81 I, 1.
3) Nur der einzelne Wehrpflichtige iſt berechtigt zu verlangen, daß er
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[53/0063] §. 80. Die Gemeinſchaft d. Laſten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht. nach Verhältniß ihrer ortsanweſenden reichsangehörigen Bevölke- rung zu vertheilen; hiervon iſt nach Art. 58 der R.V. auch Bayern nicht ausgenommen, jedoch erleidet die Regel für alle Staaten, welche beſondere Armeekorps bilden, eine unter Nr. 5 noch zu erörternde Modifikation. 4. Von dem Falle, daß ein Bundesſtaat nicht im Stande iſt, die auf ihn entfallende Quote des Rekrutenbedarfs zu ſtellen, iſt wol zu unterſcheiden der andere Fall, daß nach erfolgter Ver- theilung des allgemeinen Erſatzbedarfs auf die Bundesſtaaten bei einem Truppentheile durch unvorhergeſehenen Ausfall oder Abgang an Mannſchaften ein außerordentlicher Erſatzbe- darf entſteht. Während in dem unter 3 erörterten Falle (Mil.- Geſ. §. 9 Abſ. 3) der Erſatzbedarf für das Heer unverändert bleibt und nur die Vertheilung anders regulirt werden muß, ändert ſich in dem hier beſprochenen Falle (Mil.Geſ. §. 9 Abſ. 2) der Erſatz- bedarf ſelbſt, indem ein Nacherſatz erforderlich wird. Hier iſt nun nicht die Repartirung deſſelben auf ſämmtliche Bundesſtaaten nothwendig, ſondern es iſt eine Abweichung von dem vorge- ſchriebenen Vertheilungsmaßſtabe unter Zuſtimmung des Ausſchuſſes für das Landheer und die Feſtungen geſtattet. Die in Folge deſſen entſtehende Ungleichheit in der Belaſtung der Bundesſtaaten iſt bei der Rekrutengeſtellung des nächſtfolgenden Jahres auszugleichen 1). 5. Zu der Regel, daß der für das Reichsheer erforderliche Erſatz gleichmäßig auf alle Bundesſtaaten zu vertheilen iſt, tritt ein anderer Grundſatz hinzu, welcher eine ſehr eingreifende Be- ſchränkung der Kontingentsherrlichkeit der Einzelſtaaten enthält 2). Verfaſſungsmäßig haben nämlich die Bundesſtaaten (außer Bayern) kein Recht darauf, daß der von ihnen geſtellte Erſatz in ihre Kontingente eingereiht wird, ſondern die Geſammtleiſtung ſämmtlicher Staaten an Rekruten ſteht für das geſammte Reichs- heer zur Verfügung des Kaiſers 3). Für die Zutheilung der aus- 1) Mil.Geſ. §. 9 Abſ. 2. Auf die Rekrutirung für die Marine finden die Beſtimmungen des Militairgeſetzes keine Anwendung. Beim Mangel an Erſatzmannſchaften der ſeemänniſchen Bevölkerung iſt ein Hinübergreifen auf Militairpflichtige der Landbevölkerung innerhalb der aufzubringenden Geſammt- zahl ohne Weiteres zuläſſig. W.O. I §. 51 Ziff. 7. 2) Vgl. §. 81 I, 1. 3) Nur der einzelne Wehrpflichtige iſt berechtigt zu verlangen, daß er

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/63>, abgerufen am 24.11.2024.