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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienstpflicht.
Beamte, indem dieselben zugleich den Vorschriften des Reichs-
beamten-Gesetzes und denjenigen der Disciplinarstrafordnungen für
das Heer beziehentl. für die Marine unterliegen, und zwar in
folgender Weise. Die letzteren Verordnungen kennen die Strafe
der Entfernung aus dem Amte nicht; in allen Fällen also, in wel-
chen auf diese Strafe erkannt werden soll, ist die Einleitung eines
Verfahrens nach Maßgabe des Reichsbeamtengesetzes er-
forderlich und zwar findet rücksichtlich derjenigen Militair- und
Marinebeamten, welche unter einem doppelten Unterordnungs-
verhältniß stehen, mit Ausnahme der richterlichen Justizbeamten,
das gewöhnliche Verfahren wie gegen andere Reichsbeamte vor
den Disciplinarkammern statt, dagegen rücksichtlich derjenigen
Beamten, welche ausschließlich unter Militair-Befehlshabern stehen,
ist nach dem im Reichsbeamten-Gesetz § 120 fg. normirten Ver-
fahren vor den Militair-Disciplinarkomissionen einzuschreiten 1).
In Betreff der Verfügung von Disciplinarstrafen aber, welche
nicht in der Entfernung aus dem Amte bestehen, hat das Reichs-
beamtengesetz § 123 selbst "die auf jene Beamten bezüglichen be-
sonderen Bestimmungen" für anwendbar erklärt. Diese besonderen
Bestimmungen sind in der Disciplinarstrafordnung für das Heer
(resp. für die Marine) enthalten. Nach § 1 derselben unterliegen
der militairischen Disciplinarbestrafung "alle Handlungen ge-
gen die militairische Zucht und Ordnung und gegen die Dienst-
vorschriften" 2); die Miltairbeamten sind sonach einer viel weiter
reichenden Disciplinarstrafgewalt unterworfen als andere Beamte.

Hinsichtlich der Vorgesetzten, welche diese Disciplinargewalt
auszuüben haben, und hinsichtlich der Strafen, ist nun wieder zu
unterscheiden zwischen den Militairbeamten, welche in einem doppel-
ten Unterordnungsverhältniß stehen, und denjenigen, welche ledig-
lich einem Militairvorgesetzten untergeben sind. Ueber die in einem
doppelten Unterordnungsverhältniß stehenden Beamten übt der Ver-
waltungsvorgesetzte ausschließlich die Disciplinarstrafgewalt aus bei

1) Vgl. Bd. I S. 373 ff.
2) Die noch folgenden Worte: "für welche die Militairgesetze keine Straf-
bestimmungen enthalten" sind im Frieden rücksichtlich der Militairbeamten
gegenstandslos, da auf dieselben im Frieden die Militairstrafgesetze überhaupt
keine Anwendung finden.

§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht.
Beamte, indem dieſelben zugleich den Vorſchriften des Reichs-
beamten-Geſetzes und denjenigen der Disciplinarſtrafordnungen für
das Heer beziehentl. für die Marine unterliegen, und zwar in
folgender Weiſe. Die letzteren Verordnungen kennen die Strafe
der Entfernung aus dem Amte nicht; in allen Fällen alſo, in wel-
chen auf dieſe Strafe erkannt werden ſoll, iſt die Einleitung eines
Verfahrens nach Maßgabe des Reichsbeamtengeſetzes er-
forderlich und zwar findet rückſichtlich derjenigen Militair- und
Marinebeamten, welche unter einem doppelten Unterordnungs-
verhältniß ſtehen, mit Ausnahme der richterlichen Juſtizbeamten,
das gewöhnliche Verfahren wie gegen andere Reichsbeamte vor
den Disciplinarkammern ſtatt, dagegen rückſichtlich derjenigen
Beamten, welche ausſchließlich unter Militair-Befehlshabern ſtehen,
iſt nach dem im Reichsbeamten-Geſetz § 120 fg. normirten Ver-
fahren vor den Militair-Disciplinarkomiſſionen einzuſchreiten 1).
In Betreff der Verfügung von Disciplinarſtrafen aber, welche
nicht in der Entfernung aus dem Amte beſtehen, hat das Reichs-
beamtengeſetz § 123 ſelbſt „die auf jene Beamten bezüglichen be-
ſonderen Beſtimmungen“ für anwendbar erklärt. Dieſe beſonderen
Beſtimmungen ſind in der Disciplinarſtrafordnung für das Heer
(reſp. für die Marine) enthalten. Nach § 1 derſelben unterliegen
der militairiſchen Disciplinarbeſtrafung „alle Handlungen ge-
gen die militairiſche Zucht und Ordnung und gegen die Dienſt-
vorſchriften“ 2); die Miltairbeamten ſind ſonach einer viel weiter
reichenden Disciplinarſtrafgewalt unterworfen als andere Beamte.

Hinſichtlich der Vorgeſetzten, welche dieſe Disciplinargewalt
auszuüben haben, und hinſichtlich der Strafen, iſt nun wieder zu
unterſcheiden zwiſchen den Militairbeamten, welche in einem doppel-
ten Unterordnungsverhältniß ſtehen, und denjenigen, welche ledig-
lich einem Militairvorgeſetzten untergeben ſind. Ueber die in einem
doppelten Unterordnungsverhältniß ſtehenden Beamten übt der Ver-
waltungsvorgeſetzte ausſchließlich die Disciplinarſtrafgewalt aus bei

1) Vgl. Bd. I S. 373 ff.
2) Die noch folgenden Worte: „für welche die Militairgeſetze keine Straf-
beſtimmungen enthalten“ ſind im Frieden rückſichtlich der Militairbeamten
gegenſtandslos, da auf dieſelben im Frieden die Militairſtrafgeſetze überhaupt
keine Anwendung finden.
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[247/0257] §. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht. Beamte, indem dieſelben zugleich den Vorſchriften des Reichs- beamten-Geſetzes und denjenigen der Disciplinarſtrafordnungen für das Heer beziehentl. für die Marine unterliegen, und zwar in folgender Weiſe. Die letzteren Verordnungen kennen die Strafe der Entfernung aus dem Amte nicht; in allen Fällen alſo, in wel- chen auf dieſe Strafe erkannt werden ſoll, iſt die Einleitung eines Verfahrens nach Maßgabe des Reichsbeamtengeſetzes er- forderlich und zwar findet rückſichtlich derjenigen Militair- und Marinebeamten, welche unter einem doppelten Unterordnungs- verhältniß ſtehen, mit Ausnahme der richterlichen Juſtizbeamten, das gewöhnliche Verfahren wie gegen andere Reichsbeamte vor den Disciplinarkammern ſtatt, dagegen rückſichtlich derjenigen Beamten, welche ausſchließlich unter Militair-Befehlshabern ſtehen, iſt nach dem im Reichsbeamten-Geſetz § 120 fg. normirten Ver- fahren vor den Militair-Disciplinarkomiſſionen einzuſchreiten 1). In Betreff der Verfügung von Disciplinarſtrafen aber, welche nicht in der Entfernung aus dem Amte beſtehen, hat das Reichs- beamtengeſetz § 123 ſelbſt „die auf jene Beamten bezüglichen be- ſonderen Beſtimmungen“ für anwendbar erklärt. Dieſe beſonderen Beſtimmungen ſind in der Disciplinarſtrafordnung für das Heer (reſp. für die Marine) enthalten. Nach § 1 derſelben unterliegen der militairiſchen Disciplinarbeſtrafung „alle Handlungen ge- gen die militairiſche Zucht und Ordnung und gegen die Dienſt- vorſchriften“ 2); die Miltairbeamten ſind ſonach einer viel weiter reichenden Disciplinarſtrafgewalt unterworfen als andere Beamte. Hinſichtlich der Vorgeſetzten, welche dieſe Disciplinargewalt auszuüben haben, und hinſichtlich der Strafen, iſt nun wieder zu unterſcheiden zwiſchen den Militairbeamten, welche in einem doppel- ten Unterordnungsverhältniß ſtehen, und denjenigen, welche ledig- lich einem Militairvorgeſetzten untergeben ſind. Ueber die in einem doppelten Unterordnungsverhältniß ſtehenden Beamten übt der Ver- waltungsvorgeſetzte ausſchließlich die Disciplinarſtrafgewalt aus bei 1) Vgl. Bd. I S. 373 ff. 2) Die noch folgenden Worte: „für welche die Militairgeſetze keine Straf- beſtimmungen enthalten“ ſind im Frieden rückſichtlich der Militairbeamten gegenſtandslos, da auf dieſelben im Frieden die Militairſtrafgeſetze überhaupt keine Anwendung finden.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/257>, abgerufen am 16.07.2024.