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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 88. Die gesetzliche Wehrpflicht.
Strafgesetzbuchs (§§. 80--93) Anwendung" 1). Nur sind erheblich
höhere Strafen für den sogen. Kriegsverrath d. h. für einen im
Felde begangenen Landesverrath festgesetzt 2). Dagegen ist die
militairische Treupflicht von der gewöhnlichen Unterthanen-Treu-
pflicht dadurch unterschieden, daß sie zu positiver Förderung des
Wohles des Kriegsherrn resp. des Staates und Reiches nach
bestem Wissen und Können verpflichtet, selbst wenn die Erfüllung
dieser Pflicht mit der Gefährdung oder Aufopferung der höchsten
persönlichen Interessen, der Gesundheit, Freiheit oder des Lebens
verbunden ist 3). Eine positive Aufzählung bestimmter einzelner
Handlungen, zu welchen die Treupflicht verbindlich macht, ist nach
dem Begriff derselben unmöglich; das Maß der Leistungen be-
stimmt sich nach der subjectiven Einsicht und Fähigkeit und richtet
sich nach den thatsächlichen Verhältnissen; der Idee nach schließt
die Treue die Bereitschaft zur vollständigen Selbstverläugnung und
Selbstaufopferung ein. In diesem vollen Maße ist sie aber recht-
lich nicht erzwingbar, die Strafgewalt des Staates kann immer
nur einzelne, durch bestimmte Thatbestände umschriebene Ver-
letzungen der Treue treffen. Die Treue im ideellen Sinne ist
eine moralische Pflicht und kann deshalb auch nur durch ein Mittel
von wesentlich moralischem Charakter gesichert werden. Dieses
Mittel ist der Treueid. In dem Fahneneid der Soldaten lebt
das alte juramentum fidelitatis fort; er enthält das Versprechen:
"dem Landesherrn in allen und jeden Vorfällen, zu Lande
und zu Wasser, in Kriegs- und Friedenszeiten, und an welchen
Orten es immer sei, getreu und redlich zu dienen, Allerhöchst
Dero Nutzen und Bestes befördern, Schaden und Nachtheil
aber abwenden ..... zu wollen."

Aber auch rechtliche Folgen kann die Verletzung der positiven
Seite der Treupflicht nach sich ziehen, wenn sie in bestimmten, im
Gesetz vorgesehenen Thatbeständen geschieht. Dahin gehört nament-

1) Mil.St.G.B. §. 56.
2) Mil.St.G.B. §. 57--61.
3) Ueber den Begriff der Treupflicht und über das Verhältniß derselben
zur Gehorsamspflicht sind die Untersuchungen von Ehrenberg Commendation
und Huldigung. Weimar 1877 S. 105 ff. zu vergleichen. Was hier auf
Grund der Quellen fränkischer Zeit klar gelegt worden ist, hat auch für das
heutige Recht seine volle Bedeutung.

§. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht.
Strafgeſetzbuchs (§§. 80—93) Anwendung“ 1). Nur ſind erheblich
höhere Strafen für den ſogen. Kriegsverrath d. h. für einen im
Felde begangenen Landesverrath feſtgeſetzt 2). Dagegen iſt die
militairiſche Treupflicht von der gewöhnlichen Unterthanen-Treu-
pflicht dadurch unterſchieden, daß ſie zu poſitiver Förderung des
Wohles des Kriegsherrn reſp. des Staates und Reiches nach
beſtem Wiſſen und Können verpflichtet, ſelbſt wenn die Erfüllung
dieſer Pflicht mit der Gefährdung oder Aufopferung der höchſten
perſönlichen Intereſſen, der Geſundheit, Freiheit oder des Lebens
verbunden iſt 3). Eine poſitive Aufzählung beſtimmter einzelner
Handlungen, zu welchen die Treupflicht verbindlich macht, iſt nach
dem Begriff derſelben unmöglich; das Maß der Leiſtungen be-
ſtimmt ſich nach der ſubjectiven Einſicht und Fähigkeit und richtet
ſich nach den thatſächlichen Verhältniſſen; der Idee nach ſchließt
die Treue die Bereitſchaft zur vollſtändigen Selbſtverläugnung und
Selbſtaufopferung ein. In dieſem vollen Maße iſt ſie aber recht-
lich nicht erzwingbar, die Strafgewalt des Staates kann immer
nur einzelne, durch beſtimmte Thatbeſtände umſchriebene Ver-
letzungen der Treue treffen. Die Treue im ideellen Sinne iſt
eine moraliſche Pflicht und kann deshalb auch nur durch ein Mittel
von weſentlich moraliſchem Charakter geſichert werden. Dieſes
Mittel iſt der Treueid. In dem Fahneneid der Soldaten lebt
das alte juramentum fidelitatis fort; er enthält das Verſprechen:
„dem Landesherrn in allen und jeden Vorfällen, zu Lande
und zu Waſſer, in Kriegs- und Friedenszeiten, und an welchen
Orten es immer ſei, getreu und redlich zu dienen, Allerhöchſt
Dero Nutzen und Beſtes befördern, Schaden und Nachtheil
aber abwenden ..... zu wollen.“

Aber auch rechtliche Folgen kann die Verletzung der poſitiven
Seite der Treupflicht nach ſich ziehen, wenn ſie in beſtimmten, im
Geſetz vorgeſehenen Thatbeſtänden geſchieht. Dahin gehört nament-

1) Mil.St.G.B. §. 56.
2) Mil.St.G.B. §. 57—61.
3) Ueber den Begriff der Treupflicht und über das Verhältniß derſelben
zur Gehorſamspflicht ſind die Unterſuchungen von Ehrenberg Commendation
und Huldigung. Weimar 1877 S. 105 ff. zu vergleichen. Was hier auf
Grund der Quellen fränkiſcher Zeit klar gelegt worden iſt, hat auch für das
heutige Recht ſeine volle Bedeutung.
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[170/0180] §. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht. Strafgeſetzbuchs (§§. 80—93) Anwendung“ 1). Nur ſind erheblich höhere Strafen für den ſogen. Kriegsverrath d. h. für einen im Felde begangenen Landesverrath feſtgeſetzt 2). Dagegen iſt die militairiſche Treupflicht von der gewöhnlichen Unterthanen-Treu- pflicht dadurch unterſchieden, daß ſie zu poſitiver Förderung des Wohles des Kriegsherrn reſp. des Staates und Reiches nach beſtem Wiſſen und Können verpflichtet, ſelbſt wenn die Erfüllung dieſer Pflicht mit der Gefährdung oder Aufopferung der höchſten perſönlichen Intereſſen, der Geſundheit, Freiheit oder des Lebens verbunden iſt 3). Eine poſitive Aufzählung beſtimmter einzelner Handlungen, zu welchen die Treupflicht verbindlich macht, iſt nach dem Begriff derſelben unmöglich; das Maß der Leiſtungen be- ſtimmt ſich nach der ſubjectiven Einſicht und Fähigkeit und richtet ſich nach den thatſächlichen Verhältniſſen; der Idee nach ſchließt die Treue die Bereitſchaft zur vollſtändigen Selbſtverläugnung und Selbſtaufopferung ein. In dieſem vollen Maße iſt ſie aber recht- lich nicht erzwingbar, die Strafgewalt des Staates kann immer nur einzelne, durch beſtimmte Thatbeſtände umſchriebene Ver- letzungen der Treue treffen. Die Treue im ideellen Sinne iſt eine moraliſche Pflicht und kann deshalb auch nur durch ein Mittel von weſentlich moraliſchem Charakter geſichert werden. Dieſes Mittel iſt der Treueid. In dem Fahneneid der Soldaten lebt das alte juramentum fidelitatis fort; er enthält das Verſprechen: „dem Landesherrn in allen und jeden Vorfällen, zu Lande und zu Waſſer, in Kriegs- und Friedenszeiten, und an welchen Orten es immer ſei, getreu und redlich zu dienen, Allerhöchſt Dero Nutzen und Beſtes befördern, Schaden und Nachtheil aber abwenden ..... zu wollen.“ Aber auch rechtliche Folgen kann die Verletzung der poſitiven Seite der Treupflicht nach ſich ziehen, wenn ſie in beſtimmten, im Geſetz vorgeſehenen Thatbeſtänden geſchieht. Dahin gehört nament- 1) Mil.St.G.B. §. 56. 2) Mil.St.G.B. §. 57—61. 3) Ueber den Begriff der Treupflicht und über das Verhältniß derſelben zur Gehorſamspflicht ſind die Unterſuchungen von Ehrenberg Commendation und Huldigung. Weimar 1877 S. 105 ff. zu vergleichen. Was hier auf Grund der Quellen fränkiſcher Zeit klar gelegt worden iſt, hat auch für das heutige Recht ſeine volle Bedeutung.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/180>, abgerufen am 23.11.2024.