Hier ist mit der größten Deutlichkeit hervorgehoben, daß nur von Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen die Rede ist; von der Auf- stellung von Rechtsvorschriften enthält der Artikel Nichts. Er ertheilt dem Bundesrath durchaus keine Befugniß, ohne Zustimmung des Reichs- tages Rechtsregeln zu sanctioniren, Ausführungs-Gesetze im materiel- len Sinne des Wortes zu erlassen 1). Ganz übereinstimmend spricht der Art. 37 der R.-V. nur von den "zur Ausführung der gemein- schaftlichen Gesetzgebung dienenden Verwaltungsvorschriften und Ein- richtungen." In der Verf. des Nordd. Bundes fehlte bekanntlich der Art. 7; als er bei der Redaktion der R.-V. in dieselbe aufgenom- men wurde, erklärte der Staatsminister Delbrück, daß "eine ma- terielle Aenderung des Bestehenden damit kaum herbeigeführt ist" 2). Auch aus der Entstehungsgeschichte dieses Artikels ergiebt sich da- her, daß durch ihn nicht eine Gesetzgebungs-Befugniß für den Bun- desrath begründet werden sollte, für welche sich in der Nordd. Bundesverf. und den Verfassungsbündniß-Verträgen durchaus kein Anhalt findet. Die Tragweite des Art. 7 Ziff. 2 liegt ausschließ- lich auf dem Gebiete der Verwaltung und wird dort erörtert werden.
Ebensowenig überträgt der Art. 17 dem Kaiser die Befugniß, Ausführungs-Gesetze zu erlassen, sondern "die Ueberwachung der Ausführung der Reichsgesetze". Einer Ueberwachung können nur Handlungen oder Unterlassungen unterliegen, aber nicht Regeln. Dem Kaiser gebührt die Controle über die durch Reichsgesetze nor- mirte Verwaltung, aber nicht die Aufstellung von Rechtsnor- men 3). Das, was der Kaiserlichen Ueberwachung unterliegt, ist die Anwendung und Handhabung der Reichsgesetze, die Ausführung derselben im Sinne von Durchführung; der Erlaß einer Ausfüh- rungs-Verordnung ist aber -- wie oben entwickelt worden ist -- die Ergänzung oder Detaillirung eines Gesetzes durch Spezial- Vorschriften 4).
1) Vgl. auch Seydel in Hirth's Annalen 1874 S. 1145.
2) Vgl. Bd. I. S. 259.
3) Vgl. auch Seydel in Hirth's Annalen 1876 S. 13.
4) Bemerkenswerth ist auch, daß keine einzige kaiserl. Verordn. auf Grund des Art. 17 der R.-V. erlassen worden ist. Die Verordn. vom 26. Juli 1867 (B.-G.-Bl. S. 24) betreffend die Einführung des Bundesge- setzblattes -- welche übrigens einen Rechtssatz nicht sanctionirt -- ist zur Aus- führung der Art. 2 u. Art. 17 erlassen; sie ist die einzige Kaiserl. Verordn., in deren Eingangsformel der Art. 17 der R.-V. überhaupt erwähnt worden ist.
§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
Hier iſt mit der größten Deutlichkeit hervorgehoben, daß nur von Verwaltungsvorſchriften und Einrichtungen die Rede iſt; von der Auf- ſtellung von Rechtsvorſchriften enthält der Artikel Nichts. Er ertheilt dem Bundesrath durchaus keine Befugniß, ohne Zuſtimmung des Reichs- tages Rechtsregeln zu ſanctioniren, Ausführungs-Geſetze im materiel- len Sinne des Wortes zu erlaſſen 1). Ganz übereinſtimmend ſpricht der Art. 37 der R.-V. nur von den „zur Ausführung der gemein- ſchaftlichen Geſetzgebung dienenden Verwaltungsvorſchriften und Ein- richtungen.“ In der Verf. des Nordd. Bundes fehlte bekanntlich der Art. 7; als er bei der Redaktion der R.-V. in dieſelbe aufgenom- men wurde, erklärte der Staatsminiſter Delbrück, daß „eine ma- terielle Aenderung des Beſtehenden damit kaum herbeigeführt iſt“ 2). Auch aus der Entſtehungsgeſchichte dieſes Artikels ergiebt ſich da- her, daß durch ihn nicht eine Geſetzgebungs-Befugniß für den Bun- desrath begründet werden ſollte, für welche ſich in der Nordd. Bundesverf. und den Verfaſſungsbündniß-Verträgen durchaus kein Anhalt findet. Die Tragweite des Art. 7 Ziff. 2 liegt ausſchließ- lich auf dem Gebiete der Verwaltung und wird dort erörtert werden.
Ebenſowenig überträgt der Art. 17 dem Kaiſer die Befugniß, Ausführungs-Geſetze zu erlaſſen, ſondern „die Ueberwachung der Ausführung der Reichsgeſetze“. Einer Ueberwachung können nur Handlungen oder Unterlaſſungen unterliegen, aber nicht Regeln. Dem Kaiſer gebührt die Controle über die durch Reichsgeſetze nor- mirte Verwaltung, aber nicht die Aufſtellung von Rechtsnor- men 3). Das, was der Kaiſerlichen Ueberwachung unterliegt, iſt die Anwendung und Handhabung der Reichsgeſetze, die Ausführung derſelben im Sinne von Durchführung; der Erlaß einer Ausfüh- rungs-Verordnung iſt aber — wie oben entwickelt worden iſt — die Ergänzung oder Detaillirung eines Geſetzes durch Spezial- Vorſchriften 4).
1) Vgl. auch Seydel in Hirth’s Annalen 1874 S. 1145.
2) Vgl. Bd. I. S. 259.
3) Vgl. auch Seydel in Hirth’s Annalen 1876 S. 13.
4) Bemerkenswerth iſt auch, daß keine einzige kaiſerl. Verordn. auf Grund des Art. 17 der R.-V. erlaſſen worden iſt. Die Verordn. vom 26. Juli 1867 (B.-G.-Bl. S. 24) betreffend die Einführung des Bundesge- ſetzblattes — welche übrigens einen Rechtsſatz nicht ſanctionirt — iſt zur Aus- führung der Art. 2 u. Art. 17 erlaſſen; ſie iſt die einzige Kaiſerl. Verordn., in deren Eingangsformel der Art. 17 der R.-V. überhaupt erwähnt worden iſt.
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§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
Hier iſt mit der größten Deutlichkeit hervorgehoben, daß nur von
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dem Bundesrath durchaus keine Befugniß, ohne Zuſtimmung des Reichs-
tages Rechtsregeln zu ſanctioniren, Ausführungs-Geſetze im materiel-
len Sinne des Wortes zu erlaſſen 1). Ganz übereinſtimmend ſpricht
der Art. 37 der R.-V. nur von den „zur Ausführung der gemein-
ſchaftlichen Geſetzgebung dienenden Verwaltungsvorſchriften und Ein-
richtungen.“ In der Verf. des Nordd. Bundes fehlte bekanntlich der
Art. 7; als er bei der Redaktion der R.-V. in dieſelbe aufgenom-
men wurde, erklärte der Staatsminiſter Delbrück, daß „eine ma-
terielle Aenderung des Beſtehenden damit kaum herbeigeführt iſt“ 2).
Auch aus der Entſtehungsgeſchichte dieſes Artikels ergiebt ſich da-
her, daß durch ihn nicht eine Geſetzgebungs-Befugniß für den Bun-
desrath begründet werden ſollte, für welche ſich in der Nordd.
Bundesverf. und den Verfaſſungsbündniß-Verträgen durchaus kein
Anhalt findet. Die Tragweite des Art. 7 Ziff. 2 liegt ausſchließ-
lich auf dem Gebiete der Verwaltung und wird dort erörtert werden.
Ebenſowenig überträgt der Art. 17 dem Kaiſer die Befugniß,
Ausführungs-Geſetze zu erlaſſen, ſondern „die Ueberwachung der
Ausführung der Reichsgeſetze“. Einer Ueberwachung können nur
Handlungen oder Unterlaſſungen unterliegen, aber nicht Regeln.
Dem Kaiſer gebührt die Controle über die durch Reichsgeſetze nor-
mirte Verwaltung, aber nicht die Aufſtellung von Rechtsnor-
men 3). Das, was der Kaiſerlichen Ueberwachung unterliegt, iſt
die Anwendung und Handhabung der Reichsgeſetze, die Ausführung
derſelben im Sinne von Durchführung; der Erlaß einer Ausfüh-
rungs-Verordnung iſt aber — wie oben entwickelt worden iſt —
die Ergänzung oder Detaillirung eines Geſetzes durch Spezial-
Vorſchriften 4).
1) Vgl. auch Seydel in Hirth’s Annalen 1874 S. 1145.
2) Vgl. Bd. I. S. 259.
3) Vgl. auch Seydel in Hirth’s Annalen 1876 S. 13.
4) Bemerkenswerth iſt auch, daß keine einzige kaiſerl. Verordn. auf
Grund des Art. 17 der R.-V. erlaſſen worden iſt. Die Verordn. vom
26. Juli 1867 (B.-G.-Bl. S. 24) betreffend die Einführung des Bundesge-
ſetzblattes — welche übrigens einen Rechtsſatz nicht ſanctionirt — iſt zur Aus-
führung der Art. 2 u. Art. 17 erlaſſen; ſie iſt die einzige Kaiſerl. Verordn.,
in deren Eingangsformel der Art. 17 der R.-V. überhaupt erwähnt worden iſt.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/86>, abgerufen am 23.07.2024.
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