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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 76. Die Verwaltung des Gewerbewesens.
§. 76. Die Verwaltung des Gewerbewesens.
I. Die Gewerbe-Polizei*).

1. Die gewerbliche Thätigkeit der dem Staate angehörenden oder
im Staatsgebiete sich aufhaltenden Privatpersonen ist an und für
sich kein Gegenstand der staatlichen Geschäftsführung oder Ver-
waltung; der Staat ist vielmehr im Allgemeinen darauf beschränkt
durch Normirung des Strafrechts, Privatrechts und Prozeßrechts
die rechtliche Ordnung herzustellen, innerhalb deren sich die Hand-
lungsfreiheit der Einzelpersonen in ihrem Gewerbebetriebe entfaltet
und verwirklicht. Dem Gedeihen und Blühen der Gewerbe kann
der Staat zwar nicht theilnahmlos und gleichgültig gegenüber
stehen, aber er kann dasselbe nicht unmittelbar fördern, indem er
die Geschäftsthätigkeit der Einzelpersonen verwaltet d. h. leitet und

*)
Gewerbe-Ordnung v. 21. Juni 1869. B.-G.-Bl. S. 245. Motive
in den Drucksachen des Reichstages 1869 Bd. I. Nro. 13. Verhand-
lungen
in den Stenogr. Berichten 1869 S. 114 ff. 236 ff. 470 ff.
605 ff. 1054 ff.
Eingeführt in Südhessen durch Art. 80 der vereinbarten Bundes-
verf. (B.-G.-Bl. S. 647); in Württemberg und Baden durch Gesetz v.
10. Novemb. 1871 (R.-G.-Bl. S. 392); in Bayern durch Ges. vom
12. Juli 1872 (R.-G.-Bl. S. 170). In Elsaß-Lothringen ist bis jetzt
nur §. 29 zur Einführung gelangt durch das Ges. v. 15. Juli 1872
(R.-G.-Bl. S. 350).
Einige Strafbestimmungen der Gewerbe-Ordnung sind abgeändert
worden durch das Ges. v. 12. Juni 1872 §. 2. (R.-G.-Bl. S. 170);
Titel VIII. (Gewerbliche Hülfskassen) ist abgeändert worden durch das
Ges. v. 8. April 1876 (R.-G.-Bl. S. 134).
Literatur. Unter den zahlreichen Bearbeitungen der Gewerbe-Ordnung
ist weit hervorragend das Werk von L. Jacobi, Die Gewerbe-Gesetz-
gebung im Deutschen Reiche. Berlin 1874. Eine Ausgabe, in welcher
die Gesetzgebungsmaterialien, namentlich die Reichstagsverhandlungen,
bei den einzelnen Paragraphen abgedruckt sind, ist von Koller ver-
faßt worden. (2. Aufl. Berlin 1870.) Zu erwähnen sind ferner noch
die Erläuterungen zur Gew.-Ordn. in Hirth's Annalen Bd. II. S. 480 ff.
und die Ausgaben des Gesetzes von Schow (Hannover 1870), v. Berne-
witz
(Dresden 1870), Berger (Berlin 1872), Kah (Würzburg 1873)
und von Turban (Karlsruhe 1872). Vrgl. auch Thöl, Handels-
recht (5. Aufl. 1875) Bd. I. S. 145 ff.
§. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens.
§. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens.
I. Die Gewerbe-Polizei*).

1. Die gewerbliche Thätigkeit der dem Staate angehörenden oder
im Staatsgebiete ſich aufhaltenden Privatperſonen iſt an und für
ſich kein Gegenſtand der ſtaatlichen Geſchäftsführung oder Ver-
waltung; der Staat iſt vielmehr im Allgemeinen darauf beſchränkt
durch Normirung des Strafrechts, Privatrechts und Prozeßrechts
die rechtliche Ordnung herzuſtellen, innerhalb deren ſich die Hand-
lungsfreiheit der Einzelperſonen in ihrem Gewerbebetriebe entfaltet
und verwirklicht. Dem Gedeihen und Blühen der Gewerbe kann
der Staat zwar nicht theilnahmlos und gleichgültig gegenüber
ſtehen, aber er kann daſſelbe nicht unmittelbar fördern, indem er
die Geſchäftsthätigkeit der Einzelperſonen verwaltet d. h. leitet und

*)
Gewerbe-Ordnung v. 21. Juni 1869. B.-G.-Bl. S. 245. Motive
in den Druckſachen des Reichstages 1869 Bd. I. Nro. 13. Verhand-
lungen
in den Stenogr. Berichten 1869 S. 114 ff. 236 ff. 470 ff.
605 ff. 1054 ff.
Eingeführt in Südheſſen durch Art. 80 der vereinbarten Bundes-
verf. (B.-G.-Bl. S. 647); in Württemberg und Baden durch Geſetz v.
10. Novemb. 1871 (R.-G.-Bl. S. 392); in Bayern durch Geſ. vom
12. Juli 1872 (R.-G.-Bl. S. 170). In Elſaß-Lothringen iſt bis jetzt
nur §. 29 zur Einführung gelangt durch das Geſ. v. 15. Juli 1872
(R.-G.-Bl. S. 350).
Einige Strafbeſtimmungen der Gewerbe-Ordnung ſind abgeändert
worden durch das Geſ. v. 12. Juni 1872 §. 2. (R.-G.-Bl. S. 170);
Titel VIII. (Gewerbliche Hülfskaſſen) iſt abgeändert worden durch das
Geſ. v. 8. April 1876 (R.-G.-Bl. S. 134).
Literatur. Unter den zahlreichen Bearbeitungen der Gewerbe-Ordnung
iſt weit hervorragend das Werk von L. Jacobi, Die Gewerbe-Geſetz-
gebung im Deutſchen Reiche. Berlin 1874. Eine Ausgabe, in welcher
die Geſetzgebungsmaterialien, namentlich die Reichstagsverhandlungen,
bei den einzelnen Paragraphen abgedruckt ſind, iſt von Koller ver-
faßt worden. (2. Aufl. Berlin 1870.) Zu erwähnen ſind ferner noch
die Erläuterungen zur Gew.-Ordn. in Hirth’s Annalen Bd. II. S. 480 ff.
und die Ausgaben des Geſetzes von Schow (Hannover 1870), v. Berne-
witz
(Dresden 1870), Berger (Berlin 1872), Kah (Würzburg 1873)
und von Turban (Karlsruhe 1872). Vrgl. auch Thöl, Handels-
recht (5. Aufl. 1875) Bd. I. S. 145 ff.
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[456/0470] §. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens. §. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens. I. Die Gewerbe-Polizei *). 1. Die gewerbliche Thätigkeit der dem Staate angehörenden oder im Staatsgebiete ſich aufhaltenden Privatperſonen iſt an und für ſich kein Gegenſtand der ſtaatlichen Geſchäftsführung oder Ver- waltung; der Staat iſt vielmehr im Allgemeinen darauf beſchränkt durch Normirung des Strafrechts, Privatrechts und Prozeßrechts die rechtliche Ordnung herzuſtellen, innerhalb deren ſich die Hand- lungsfreiheit der Einzelperſonen in ihrem Gewerbebetriebe entfaltet und verwirklicht. Dem Gedeihen und Blühen der Gewerbe kann der Staat zwar nicht theilnahmlos und gleichgültig gegenüber ſtehen, aber er kann daſſelbe nicht unmittelbar fördern, indem er die Geſchäftsthätigkeit der Einzelperſonen verwaltet d. h. leitet und *) Gewerbe-Ordnung v. 21. Juni 1869. B.-G.-Bl. S. 245. Motive in den Druckſachen des Reichstages 1869 Bd. I. Nro. 13. Verhand- lungen in den Stenogr. Berichten 1869 S. 114 ff. 236 ff. 470 ff. 605 ff. 1054 ff. Eingeführt in Südheſſen durch Art. 80 der vereinbarten Bundes- verf. (B.-G.-Bl. S. 647); in Württemberg und Baden durch Geſetz v. 10. Novemb. 1871 (R.-G.-Bl. S. 392); in Bayern durch Geſ. vom 12. Juli 1872 (R.-G.-Bl. S. 170). In Elſaß-Lothringen iſt bis jetzt nur §. 29 zur Einführung gelangt durch das Geſ. v. 15. Juli 1872 (R.-G.-Bl. S. 350). Einige Strafbeſtimmungen der Gewerbe-Ordnung ſind abgeändert worden durch das Geſ. v. 12. Juni 1872 §. 2. (R.-G.-Bl. S. 170); Titel VIII. (Gewerbliche Hülfskaſſen) iſt abgeändert worden durch das Geſ. v. 8. April 1876 (R.-G.-Bl. S. 134). Literatur. Unter den zahlreichen Bearbeitungen der Gewerbe-Ordnung iſt weit hervorragend das Werk von L. Jacobi, Die Gewerbe-Geſetz- gebung im Deutſchen Reiche. Berlin 1874. Eine Ausgabe, in welcher die Geſetzgebungsmaterialien, namentlich die Reichstagsverhandlungen, bei den einzelnen Paragraphen abgedruckt ſind, iſt von Koller ver- faßt worden. (2. Aufl. Berlin 1870.) Zu erwähnen ſind ferner noch die Erläuterungen zur Gew.-Ordn. in Hirth’s Annalen Bd. II. S. 480 ff. und die Ausgaben des Geſetzes von Schow (Hannover 1870), v. Berne- witz (Dresden 1870), Berger (Berlin 1872), Kah (Würzburg 1873) und von Turban (Karlsruhe 1872). Vrgl. auch Thöl, Handels- recht (5. Aufl. 1875) Bd. I. S. 145 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/470>, abgerufen am 03.12.2024.