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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 72. Die Verwaltung des Eisenbahnwesens.
der durch das H.-G.-B. gestatteten Gränzen der Vertragsfreiheit
normirt, sehr zahlreiche Anordnungen rein polizeilichen Charak-
ters 1), dagegen enthält andererseits das Bahnpolizei-Reglement ein-
gehende Bestimmungen über die Ausrüstung, die Unterhaltung und
Bewachung der Bahn, über Einrichtung und Zustand der Betriebs-
mittel, über die Handhabung des Betriebes, die Signale, u. s. w.,
lauter Gegenstände, welche mit der Bahnpolizei Nichts zu thun
haben, und nur die §§. 53--71 sind in der That ein Polizeiregle-
ment. Das Recht des Staates für den Betrieb der Eisenbahnen
im Interesse der öffentlichen Sicherheit und um die Ordnung und
Pünktlichkeit dieses Betriebes selbst aufrecht zu erhalten, Vorschriften
zu erlassen, d. h. die Ausübung der sogenannten Landespolizei gegen
den Betriebsunternehmer
, wird hier völlig vermengt mit
der Handhabung der Bahnpolizei durch den Betriebsunternehmer
und seine Beamten und mit den für das Publikum ertheilten Vor-
schriften zum Schutz des Eisenbahn-Betriebes. Die erste Kategorie
von Vorschriften enthält Beschränkungen des Betriebs-Unternehmers,
Bedingungen, welche er bei dem Betriebe erfüllen muß; die zweite
Kategorie enthält Begünstigungen des Betriebs-Unternehmers, Be-
schränkungen des Publikums im Interesse des Eisenbahnbetriebes.
Diese Bahnpolizei im eigentlichen Sinne des Wortes ist keine Be-
triebs-Einrichtung 2).

2) Der zweite im Art. 43 enthaltene Satz lautet:
"Das Reich hat dafür Sorge zu tragen, daß die Eisenbahn-
Verwaltungen die Bahnen jederzeit in einem die nöthige Sicher-
heit gewährenden baulichen Zustande erhalten und dieselben
mit Betriebsmaterial so ausrüsten, wie das Verkehrsbe-
dürfniß es erheischt".

Im Gegensatz zu dem vorhergehenden Passus zeichnet sich dieser
durch vollkommene Bestimmtheit sowohl hinsichtlich des Subjekts

1) z. B. Verbote, die Bahn zu betreten, während der Fahrt einzusteigen
oder auszusteigen, sich seitwärts aus dem Wagen zu biegen, gegen die Thür
anzulehnen oder auf die Sitze zu treten, u. drgl. Vorschriften mehr.
2) So gehören z. B. die Anordnungen über die Anlage und den Verschluß
von Barrieren an den Uebergängen zu den Vorschriften über den Betrieb, die
Anordnungen von Strafen dagegen für das Ueberschreiten der Bahn, wenn
die Barriere geschlossen ist, sind keine "Betriebs-Einrichtung", sondern Polizei-
Strafgesetze.

§. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens.
der durch das H.-G.-B. geſtatteten Gränzen der Vertragsfreiheit
normirt, ſehr zahlreiche Anordnungen rein polizeilichen Charak-
ters 1), dagegen enthält andererſeits das Bahnpolizei-Reglement ein-
gehende Beſtimmungen über die Ausrüſtung, die Unterhaltung und
Bewachung der Bahn, über Einrichtung und Zuſtand der Betriebs-
mittel, über die Handhabung des Betriebes, die Signale, u. ſ. w.,
lauter Gegenſtände, welche mit der Bahnpolizei Nichts zu thun
haben, und nur die §§. 53—71 ſind in der That ein Polizeiregle-
ment. Das Recht des Staates für den Betrieb der Eiſenbahnen
im Intereſſe der öffentlichen Sicherheit und um die Ordnung und
Pünktlichkeit dieſes Betriebes ſelbſt aufrecht zu erhalten, Vorſchriften
zu erlaſſen, d. h. die Ausübung der ſogenannten Landespolizei gegen
den Betriebsunternehmer
, wird hier völlig vermengt mit
der Handhabung der Bahnpolizei durch den Betriebsunternehmer
und ſeine Beamten und mit den für das Publikum ertheilten Vor-
ſchriften zum Schutz des Eiſenbahn-Betriebes. Die erſte Kategorie
von Vorſchriften enthält Beſchränkungen des Betriebs-Unternehmers,
Bedingungen, welche er bei dem Betriebe erfüllen muß; die zweite
Kategorie enthält Begünſtigungen des Betriebs-Unternehmers, Be-
ſchränkungen des Publikums im Intereſſe des Eiſenbahnbetriebes.
Dieſe Bahnpolizei im eigentlichen Sinne des Wortes iſt keine Be-
triebs-Einrichtung 2).

2) Der zweite im Art. 43 enthaltene Satz lautet:
„Das Reich hat dafür Sorge zu tragen, daß die Eiſenbahn-
Verwaltungen die Bahnen jederzeit in einem die nöthige Sicher-
heit gewährenden baulichen Zuſtande erhalten und dieſelben
mit Betriebsmaterial ſo ausrüſten, wie das Verkehrsbe-
dürfniß es erheiſcht“.

Im Gegenſatz zu dem vorhergehenden Paſſus zeichnet ſich dieſer
durch vollkommene Beſtimmtheit ſowohl hinſichtlich des Subjekts

1) z. B. Verbote, die Bahn zu betreten, während der Fahrt einzuſteigen
oder auszuſteigen, ſich ſeitwärts aus dem Wagen zu biegen, gegen die Thür
anzulehnen oder auf die Sitze zu treten, u. drgl. Vorſchriften mehr.
2) So gehören z. B. die Anordnungen über die Anlage und den Verſchluß
von Barrièren an den Uebergängen zu den Vorſchriften über den Betrieb, die
Anordnungen von Strafen dagegen für das Ueberſchreiten der Bahn, wenn
die Barrière geſchloſſen iſt, ſind keine „Betriebs-Einrichtung“, ſondern Polizei-
Strafgeſetze.
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[367/0381] §. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens. der durch das H.-G.-B. geſtatteten Gränzen der Vertragsfreiheit normirt, ſehr zahlreiche Anordnungen rein polizeilichen Charak- ters 1), dagegen enthält andererſeits das Bahnpolizei-Reglement ein- gehende Beſtimmungen über die Ausrüſtung, die Unterhaltung und Bewachung der Bahn, über Einrichtung und Zuſtand der Betriebs- mittel, über die Handhabung des Betriebes, die Signale, u. ſ. w., lauter Gegenſtände, welche mit der Bahnpolizei Nichts zu thun haben, und nur die §§. 53—71 ſind in der That ein Polizeiregle- ment. Das Recht des Staates für den Betrieb der Eiſenbahnen im Intereſſe der öffentlichen Sicherheit und um die Ordnung und Pünktlichkeit dieſes Betriebes ſelbſt aufrecht zu erhalten, Vorſchriften zu erlaſſen, d. h. die Ausübung der ſogenannten Landespolizei gegen den Betriebsunternehmer, wird hier völlig vermengt mit der Handhabung der Bahnpolizei durch den Betriebsunternehmer und ſeine Beamten und mit den für das Publikum ertheilten Vor- ſchriften zum Schutz des Eiſenbahn-Betriebes. Die erſte Kategorie von Vorſchriften enthält Beſchränkungen des Betriebs-Unternehmers, Bedingungen, welche er bei dem Betriebe erfüllen muß; die zweite Kategorie enthält Begünſtigungen des Betriebs-Unternehmers, Be- ſchränkungen des Publikums im Intereſſe des Eiſenbahnbetriebes. Dieſe Bahnpolizei im eigentlichen Sinne des Wortes iſt keine Be- triebs-Einrichtung 2). 2) Der zweite im Art. 43 enthaltene Satz lautet: „Das Reich hat dafür Sorge zu tragen, daß die Eiſenbahn- Verwaltungen die Bahnen jederzeit in einem die nöthige Sicher- heit gewährenden baulichen Zuſtande erhalten und dieſelben mit Betriebsmaterial ſo ausrüſten, wie das Verkehrsbe- dürfniß es erheiſcht“. Im Gegenſatz zu dem vorhergehenden Paſſus zeichnet ſich dieſer durch vollkommene Beſtimmtheit ſowohl hinſichtlich des Subjekts 1) z. B. Verbote, die Bahn zu betreten, während der Fahrt einzuſteigen oder auszuſteigen, ſich ſeitwärts aus dem Wagen zu biegen, gegen die Thür anzulehnen oder auf die Sitze zu treten, u. drgl. Vorſchriften mehr. 2) So gehören z. B. die Anordnungen über die Anlage und den Verſchluß von Barrièren an den Uebergängen zu den Vorſchriften über den Betrieb, die Anordnungen von Strafen dagegen für das Ueberſchreiten der Bahn, wenn die Barrière geſchloſſen iſt, ſind keine „Betriebs-Einrichtung“, ſondern Polizei- Strafgeſetze.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/381>, abgerufen am 26.11.2024.