Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. rialen Behörden als auch durch die auswärtigen Konsuln oderGesandten hinsichtlich derselben Personen müßte aber zu den schlimmsten Mißständen führen und namentlich in Hinsicht auf die Eheschließung in dem Falle einen fast unerträglichen Rechtszustand bewirken, wenn die vor dem Deutschen Konsul nach Maßgabe des Gesetzes vom 4. Mai 1870 geschlossene Ehe in dem Ort der Ehe- schließung selbst, also in den meisten Fällen an dem Wohnort der Eheleute, nichtig und unwirksam wäre 1). Auch liegt ein Be- dürfniß für eine Ausnahmestellung der Reichsangehörigen in den- jenigen Gebieten nicht vor, in welchen eine staatliche Form der Eheschließung und eine staatliche Führung der Standesregister ein- gerichtet ist. Endlich wird die Ermächtigung zur Vornahme so wichtiger Akte nur denjenigen Konsuln ertheilt werden können, deren Persönlichkeit dafür eine Bürgschaft bietet, daß die in Be- tracht kommenden Rechtsvorschriften mit richtigem Verständniß und gewissenhaft beobachtet werden. Darauf beruht es, daß das aus- wärtige Amt des Deutschen Reiches zunächst zu prüfen hat, ob in einem gewissen Staate die Ausübung der Funktionen von Per- sonenstands-Beamten durch die diplomatischen Vertreter und Kon- suln des Reiches zulässig und wüuschenswerth ist, und daß deshalb die Ermächtigung zur Ausübung dieser Befugnisse nur denjenigen diplomatischen Vertretern und Konsuln zusteht, denen sie der Reichs- kanzler besonders und ausdrücklich ertheilt hat 2). Diese Ermäch- 1) Der Vertrag mit Salvador Art. VIII. bestimmt, daß die Ehe eines Deutschen in Salvador (und vice versa) für gültig angesehen werden soll, wenn sie gemäß den Gesetzen seines Heimathlandes geschlossen ist. Zu diesen Gesetzen gehört auch das vom 4. Mai 1870. Ausdrücklich ist die Gültig- keit der vor diplomat. oder konsular. Vertretern geschlossenen Ehen stipulirt in dem Vertrage mit Costa Rica Art. IX. und Schluß-Protokoll dazu (R.-G.-Bl. 1877 S. 37). 2) Das Ges. v. 4. Mai 1870 §. 13 hat jedoch den Einzelstaaten die Be-
fugniß zugesprochen, durch Gesetz den diplomatischen Vertretern und Konsuln die Funktionen der Standesbeamten zu übertragen, ohne daß sie beson- ders dazu ermächtigt werden, und hat die darüber bereits ergangenen Landesgesetze in Kraft erhalten. Ein solches Landesgesetz ist nur ergangen in Baden am 21. Dezember 1869 (§. 32). Zu demselben ist vom Badischen Ministerium eine Instruction v. 22. Okt. 1872 erlassen worden, welche der Reichskanzler allen Gesandtschaften und Konsulaten des Reiches zugefertigt hat. Sie ist gedruckt im Badischen Gesetzes- und Verordnungsblatt von 1872 S. 345 ff. Das Preuß. Ges. v. 3. April 1854 (Ges.-Samml. S. 469) und §. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. rialen Behörden als auch durch die auswärtigen Konſuln oderGeſandten hinſichtlich derſelben Perſonen müßte aber zu den ſchlimmſten Mißſtänden führen und namentlich in Hinſicht auf die Eheſchließung in dem Falle einen faſt unerträglichen Rechtszuſtand bewirken, wenn die vor dem Deutſchen Konſul nach Maßgabe des Geſetzes vom 4. Mai 1870 geſchloſſene Ehe in dem Ort der Ehe- ſchließung ſelbſt, alſo in den meiſten Fällen an dem Wohnort der Eheleute, nichtig und unwirkſam wäre 1). Auch liegt ein Be- dürfniß für eine Ausnahmeſtellung der Reichsangehörigen in den- jenigen Gebieten nicht vor, in welchen eine ſtaatliche Form der Eheſchließung und eine ſtaatliche Führung der Standesregiſter ein- gerichtet iſt. Endlich wird die Ermächtigung zur Vornahme ſo wichtiger Akte nur denjenigen Konſuln ertheilt werden können, deren Perſönlichkeit dafür eine Bürgſchaft bietet, daß die in Be- tracht kommenden Rechtsvorſchriften mit richtigem Verſtändniß und gewiſſenhaft beobachtet werden. Darauf beruht es, daß das aus- wärtige Amt des Deutſchen Reiches zunächſt zu prüfen hat, ob in einem gewiſſen Staate die Ausübung der Funktionen von Per- ſonenſtands-Beamten durch die diplomatiſchen Vertreter und Kon- ſuln des Reiches zuläſſig und wüuſchenswerth iſt, und daß deshalb die Ermächtigung zur Ausübung dieſer Befugniſſe nur denjenigen diplomatiſchen Vertretern und Konſuln zuſteht, denen ſie der Reichs- kanzler beſonders und ausdrücklich ertheilt hat 2). Dieſe Ermäch- 1) Der Vertrag mit Salvador Art. VIII. beſtimmt, daß die Ehe eines Deutſchen in Salvador (und vice versa) für gültig angeſehen werden ſoll, wenn ſie gemäß den Geſetzen ſeines Heimathlandes geſchloſſen iſt. Zu dieſen Geſetzen gehört auch das vom 4. Mai 1870. Ausdrücklich iſt die Gültig- keit der vor diplomat. oder konſular. Vertretern geſchloſſenen Ehen ſtipulirt in dem Vertrage mit Coſta Rica Art. IX. und Schluß-Protokoll dazu (R.-G.-Bl. 1877 S. 37). 2) Das Geſ. v. 4. Mai 1870 §. 13 hat jedoch den Einzelſtaaten die Be-
fugniß zugeſprochen, durch Geſetz den diplomatiſchen Vertretern und Konſuln die Funktionen der Standesbeamten zu übertragen, ohne daß ſie beſon- ders dazu ermächtigt werden, und hat die darüber bereits ergangenen Landesgeſetze in Kraft erhalten. Ein ſolches Landesgeſetz iſt nur ergangen in Baden am 21. Dezember 1869 (§. 32). Zu demſelben iſt vom Badiſchen Miniſterium eine Inſtruction v. 22. Okt. 1872 erlaſſen worden, welche der Reichskanzler allen Geſandtſchaften und Konſulaten des Reiches zugefertigt hat. Sie iſt gedruckt im Badiſchen Geſetzes- und Verordnungsblatt von 1872 S. 345 ff. Das Preuß. Geſ. v. 3. April 1854 (Geſ.-Samml. S. 469) und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0270" n="256"/><fw place="top" type="header">§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.</fw><lb/> rialen Behörden als auch durch die auswärtigen Konſuln oder<lb/> Geſandten hinſichtlich derſelben Perſonen müßte aber zu den<lb/> ſchlimmſten Mißſtänden führen und namentlich in Hinſicht auf die<lb/> Eheſchließung in dem Falle einen faſt unerträglichen Rechtszuſtand<lb/> bewirken, wenn die vor dem Deutſchen Konſul nach Maßgabe des<lb/> Geſetzes vom 4. Mai 1870 geſchloſſene Ehe in dem Ort der Ehe-<lb/> ſchließung ſelbſt, alſo in den meiſten Fällen an dem <hi rendition="#g">Wohnort</hi><lb/> der Eheleute, nichtig und unwirkſam wäre <note place="foot" n="1)">Der Vertrag mit <hi rendition="#g">Salvador</hi> Art. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> beſtimmt, daß die Ehe eines<lb/> Deutſchen in Salvador (und <hi rendition="#aq">vice versa</hi>) für gültig angeſehen werden ſoll,<lb/> wenn ſie gemäß den Geſetzen ſeines <hi rendition="#g">Heimathlandes</hi> geſchloſſen iſt. Zu<lb/> dieſen Geſetzen gehört auch das vom 4. Mai 1870. Ausdrücklich iſt die Gültig-<lb/> keit der vor diplomat. oder konſular. Vertretern geſchloſſenen Ehen ſtipulirt in<lb/> dem Vertrage mit <hi rendition="#g">Coſta Rica</hi> Art. <hi rendition="#aq">IX.</hi> und <hi rendition="#g">Schluß-Protokoll</hi> dazu<lb/> (R.-G.-Bl. 1877 S. 37).</note>. Auch liegt ein Be-<lb/> dürfniß für eine Ausnahmeſtellung der Reichsangehörigen in den-<lb/> jenigen Gebieten nicht vor, in welchen eine ſtaatliche Form der<lb/> Eheſchließung und eine ſtaatliche Führung der Standesregiſter ein-<lb/> gerichtet iſt. Endlich wird die Ermächtigung zur Vornahme ſo<lb/> wichtiger Akte nur denjenigen Konſuln ertheilt werden können,<lb/> deren Perſönlichkeit dafür eine Bürgſchaft bietet, daß die in Be-<lb/> tracht kommenden Rechtsvorſchriften mit richtigem Verſtändniß und<lb/> gewiſſenhaft beobachtet werden. Darauf beruht es, daß das aus-<lb/> wärtige Amt des Deutſchen Reiches zunächſt zu prüfen hat, ob in<lb/> einem gewiſſen Staate die Ausübung der Funktionen von Per-<lb/> ſonenſtands-Beamten durch die diplomatiſchen Vertreter und Kon-<lb/> ſuln des Reiches zuläſſig und wüuſchenswerth iſt, und daß deshalb<lb/> die Ermächtigung zur Ausübung dieſer Befugniſſe nur denjenigen<lb/> diplomatiſchen Vertretern und Konſuln zuſteht, denen ſie der Reichs-<lb/> kanzler beſonders und ausdrücklich ertheilt hat <note xml:id="seg2pn_31_1" next="#seg2pn_31_2" place="foot" n="2)">Das Geſ. v. 4. Mai 1870 §. 13 hat jedoch den Einzelſtaaten die Be-<lb/> fugniß zugeſprochen, durch Geſetz den diplomatiſchen Vertretern und Konſuln<lb/> die Funktionen der Standesbeamten zu übertragen, <hi rendition="#g">ohne daß ſie beſon-<lb/> ders dazu ermächtigt</hi> werden, und hat die darüber bereits ergangenen<lb/> Landesgeſetze in Kraft erhalten. Ein ſolches Landesgeſetz iſt nur ergangen in<lb/><hi rendition="#g">Baden</hi> am 21. Dezember 1869 (§. 32). Zu demſelben iſt vom Badiſchen<lb/> Miniſterium eine Inſtruction v. 22. Okt. 1872 erlaſſen worden, welche der<lb/> Reichskanzler allen Geſandtſchaften und Konſulaten des Reiches zugefertigt hat.<lb/> Sie iſt gedruckt im <hi rendition="#g">Badiſchen</hi> Geſetzes- und Verordnungsblatt von 1872<lb/> S. 345 ff. Das <hi rendition="#g">Preuß</hi>. Geſ. v. 3. April 1854 (Geſ.-Samml. S. 469) und</note>. Dieſe Ermäch-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [256/0270]
§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
rialen Behörden als auch durch die auswärtigen Konſuln oder
Geſandten hinſichtlich derſelben Perſonen müßte aber zu den
ſchlimmſten Mißſtänden führen und namentlich in Hinſicht auf die
Eheſchließung in dem Falle einen faſt unerträglichen Rechtszuſtand
bewirken, wenn die vor dem Deutſchen Konſul nach Maßgabe des
Geſetzes vom 4. Mai 1870 geſchloſſene Ehe in dem Ort der Ehe-
ſchließung ſelbſt, alſo in den meiſten Fällen an dem Wohnort
der Eheleute, nichtig und unwirkſam wäre 1). Auch liegt ein Be-
dürfniß für eine Ausnahmeſtellung der Reichsangehörigen in den-
jenigen Gebieten nicht vor, in welchen eine ſtaatliche Form der
Eheſchließung und eine ſtaatliche Führung der Standesregiſter ein-
gerichtet iſt. Endlich wird die Ermächtigung zur Vornahme ſo
wichtiger Akte nur denjenigen Konſuln ertheilt werden können,
deren Perſönlichkeit dafür eine Bürgſchaft bietet, daß die in Be-
tracht kommenden Rechtsvorſchriften mit richtigem Verſtändniß und
gewiſſenhaft beobachtet werden. Darauf beruht es, daß das aus-
wärtige Amt des Deutſchen Reiches zunächſt zu prüfen hat, ob in
einem gewiſſen Staate die Ausübung der Funktionen von Per-
ſonenſtands-Beamten durch die diplomatiſchen Vertreter und Kon-
ſuln des Reiches zuläſſig und wüuſchenswerth iſt, und daß deshalb
die Ermächtigung zur Ausübung dieſer Befugniſſe nur denjenigen
diplomatiſchen Vertretern und Konſuln zuſteht, denen ſie der Reichs-
kanzler beſonders und ausdrücklich ertheilt hat 2). Dieſe Ermäch-
1) Der Vertrag mit Salvador Art. VIII. beſtimmt, daß die Ehe eines
Deutſchen in Salvador (und vice versa) für gültig angeſehen werden ſoll,
wenn ſie gemäß den Geſetzen ſeines Heimathlandes geſchloſſen iſt. Zu
dieſen Geſetzen gehört auch das vom 4. Mai 1870. Ausdrücklich iſt die Gültig-
keit der vor diplomat. oder konſular. Vertretern geſchloſſenen Ehen ſtipulirt in
dem Vertrage mit Coſta Rica Art. IX. und Schluß-Protokoll dazu
(R.-G.-Bl. 1877 S. 37).
2) Das Geſ. v. 4. Mai 1870 §. 13 hat jedoch den Einzelſtaaten die Be-
fugniß zugeſprochen, durch Geſetz den diplomatiſchen Vertretern und Konſuln
die Funktionen der Standesbeamten zu übertragen, ohne daß ſie beſon-
ders dazu ermächtigt werden, und hat die darüber bereits ergangenen
Landesgeſetze in Kraft erhalten. Ein ſolches Landesgeſetz iſt nur ergangen in
Baden am 21. Dezember 1869 (§. 32). Zu demſelben iſt vom Badiſchen
Miniſterium eine Inſtruction v. 22. Okt. 1872 erlaſſen worden, welche der
Reichskanzler allen Geſandtſchaften und Konſulaten des Reiches zugefertigt hat.
Sie iſt gedruckt im Badiſchen Geſetzes- und Verordnungsblatt von 1872
S. 345 ff. Das Preuß. Geſ. v. 3. April 1854 (Geſ.-Samml. S. 469) und
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