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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
der, nicht nur auf Bayern, Anwendung findet; nämlich "in Er-
wägung des Umstandes
, daß an denjenigen Orten, an wel-
chen Bayern eigene Gesandtschaften unterhalten wird, die Ver-
tretung der Bayerischen Angelegenheiten den Bun-
desgesandten nicht obliegt
." Dem Gesandten eines Bun-
desgliedes kann zugleich von einem andern Bundesgliede Voll-
macht ertheilt und ihm die Vertretung auch dieser besonderen
Landes-Interessen übertragen sein, so daß er wie ein gemeinschaft-
licher Gesandter mehrerer Bundesglieder anzusehen ist. Das Reich
hat kein Einspruchsrecht dagegen, wenn die Regierung eines Bun-
desgliedes es vorzieht, die Vertretung ihrer besonderen Interessen
lieber dem Gesandten eines andern Bundesgliedes als dem Reichs-
gesandten zu übertragen.

Zu den besonderen Angelegenheiten gehören die Beziehungen
des Landesherrn und seiner Familie zu den Mitgliedern des aus-
wärtigen souverainen Hauses; ferner die Interessen des Einzel-
staates für alle seiner Kompetenz unterliegenden Gegenstände, ins-
besondere die Förderung von Kunst und Wissenschaft, z. B. die
Anschaffung von Werken für Kunstsammlungen und Bibliotheken
oder die Einrichtung und Unterhaltung von Anstalten im Auslande
für künstlerische oder wissenschaftliche Arbeiten; sodann Ausliefe-
rungs-Anträge 1); endlich die Privat-Angelegenheiten der Angehö-
rigen des Einzelstaates 2).

Dem Reichsgesandten liegt die Wahrnehmung derjenigen In-
teressen ob, welche die Gesammtheit der Bundesglieder, das Reich
als Ganzes, angehen, und die Vertretung der Sonder-Interes-
sen derjenigen Bundesglieder und ihrer Angehörigen, für deren
Vertretung durch eine Landesgesandtschaft nicht Sorge getragen
ist. Alle Angelegenheiten, welche durch die Reichsverfassung oder
durch besondere Gesetze zu gemeinschaftlichen des Reiches erklärt
sind, gehören deshalb ausschließlich zu dem Geschäftskreise der
Reichsgesandten 3). Dahin sind zu zählen: Alle Angelegenheiten

1) Vgl. Protokolle des Bundesraths 1876 §. 146 S. 104.
2) Dahin gehört insbesondere die Ausstellung von Attesten. Vgl. z. B.
die Bekanntmachung v. 6. Januar 1873 betreffend die Zurückstellung der in
Rußland lebenden Deutschen Militairpflichtigen. Centralblatt 1873 S. 16.
3) Die richtigen Gesichtspunkte finden sich bei G. Meyer, Grundzüge
S. 50 fg.

§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
der, nicht nur auf Bayern, Anwendung findet; nämlich „in Er-
wägung des Umſtandes
, daß an denjenigen Orten, an wel-
chen Bayern eigene Geſandtſchaften unterhalten wird, die Ver-
tretung der Bayeriſchen Angelegenheiten den Bun-
desgeſandten nicht obliegt
.“ Dem Geſandten eines Bun-
desgliedes kann zugleich von einem andern Bundesgliede Voll-
macht ertheilt und ihm die Vertretung auch dieſer beſonderen
Landes-Intereſſen übertragen ſein, ſo daß er wie ein gemeinſchaft-
licher Geſandter mehrerer Bundesglieder anzuſehen iſt. Das Reich
hat kein Einſpruchsrecht dagegen, wenn die Regierung eines Bun-
desgliedes es vorzieht, die Vertretung ihrer beſonderen Intereſſen
lieber dem Geſandten eines andern Bundesgliedes als dem Reichs-
geſandten zu übertragen.

Zu den beſonderen Angelegenheiten gehören die Beziehungen
des Landesherrn und ſeiner Familie zu den Mitgliedern des aus-
wärtigen ſouverainen Hauſes; ferner die Intereſſen des Einzel-
ſtaates für alle ſeiner Kompetenz unterliegenden Gegenſtände, ins-
beſondere die Förderung von Kunſt und Wiſſenſchaft, z. B. die
Anſchaffung von Werken für Kunſtſammlungen und Bibliotheken
oder die Einrichtung und Unterhaltung von Anſtalten im Auslande
für künſtleriſche oder wiſſenſchaftliche Arbeiten; ſodann Ausliefe-
rungs-Anträge 1); endlich die Privat-Angelegenheiten der Angehö-
rigen des Einzelſtaates 2).

Dem Reichsgeſandten liegt die Wahrnehmung derjenigen In-
tereſſen ob, welche die Geſammtheit der Bundesglieder, das Reich
als Ganzes, angehen, und die Vertretung der Sonder-Intereſ-
ſen derjenigen Bundesglieder und ihrer Angehörigen, für deren
Vertretung durch eine Landesgeſandtſchaft nicht Sorge getragen
iſt. Alle Angelegenheiten, welche durch die Reichsverfaſſung oder
durch beſondere Geſetze zu gemeinſchaftlichen des Reiches erklärt
ſind, gehören deshalb ausſchließlich zu dem Geſchäftskreiſe der
Reichsgeſandten 3). Dahin ſind zu zählen: Alle Angelegenheiten

1) Vgl. Protokolle des Bundesraths 1876 §. 146 S. 104.
2) Dahin gehört insbeſondere die Ausſtellung von Atteſten. Vgl. z. B.
die Bekanntmachung v. 6. Januar 1873 betreffend die Zurückſtellung der in
Rußland lebenden Deutſchen Militairpflichtigen. Centralblatt 1873 S. 16.
3) Die richtigen Geſichtspunkte finden ſich bei G. Meyer, Grundzüge
S. 50 fg.
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[242/0256] §. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. der, nicht nur auf Bayern, Anwendung findet; nämlich „in Er- wägung des Umſtandes, daß an denjenigen Orten, an wel- chen Bayern eigene Geſandtſchaften unterhalten wird, die Ver- tretung der Bayeriſchen Angelegenheiten den Bun- desgeſandten nicht obliegt.“ Dem Geſandten eines Bun- desgliedes kann zugleich von einem andern Bundesgliede Voll- macht ertheilt und ihm die Vertretung auch dieſer beſonderen Landes-Intereſſen übertragen ſein, ſo daß er wie ein gemeinſchaft- licher Geſandter mehrerer Bundesglieder anzuſehen iſt. Das Reich hat kein Einſpruchsrecht dagegen, wenn die Regierung eines Bun- desgliedes es vorzieht, die Vertretung ihrer beſonderen Intereſſen lieber dem Geſandten eines andern Bundesgliedes als dem Reichs- geſandten zu übertragen. Zu den beſonderen Angelegenheiten gehören die Beziehungen des Landesherrn und ſeiner Familie zu den Mitgliedern des aus- wärtigen ſouverainen Hauſes; ferner die Intereſſen des Einzel- ſtaates für alle ſeiner Kompetenz unterliegenden Gegenſtände, ins- beſondere die Förderung von Kunſt und Wiſſenſchaft, z. B. die Anſchaffung von Werken für Kunſtſammlungen und Bibliotheken oder die Einrichtung und Unterhaltung von Anſtalten im Auslande für künſtleriſche oder wiſſenſchaftliche Arbeiten; ſodann Ausliefe- rungs-Anträge 1); endlich die Privat-Angelegenheiten der Angehö- rigen des Einzelſtaates 2). Dem Reichsgeſandten liegt die Wahrnehmung derjenigen In- tereſſen ob, welche die Geſammtheit der Bundesglieder, das Reich als Ganzes, angehen, und die Vertretung der Sonder-Intereſ- ſen derjenigen Bundesglieder und ihrer Angehörigen, für deren Vertretung durch eine Landesgeſandtſchaft nicht Sorge getragen iſt. Alle Angelegenheiten, welche durch die Reichsverfaſſung oder durch beſondere Geſetze zu gemeinſchaftlichen des Reiches erklärt ſind, gehören deshalb ausſchließlich zu dem Geſchäftskreiſe der Reichsgeſandten 3). Dahin ſind zu zählen: Alle Angelegenheiten 1) Vgl. Protokolle des Bundesraths 1876 §. 146 S. 104. 2) Dahin gehört insbeſondere die Ausſtellung von Atteſten. Vgl. z. B. die Bekanntmachung v. 6. Januar 1873 betreffend die Zurückſtellung der in Rußland lebenden Deutſchen Militairpflichtigen. Centralblatt 1873 S. 16. 3) Die richtigen Geſichtspunkte finden ſich bei G. Meyer, Grundzüge S. 50 fg.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/256>, abgerufen am 20.05.2024.