Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 68. Die Formen der Verwaltung.

III. Bei jeder ausgedehnten und an viele Geschäftsführer
vertheilten Verwaltung sind zur Erhaltung der Einheit und Ord-
nung nicht blos leitende Organe erforderlich, welche die ausfüh-
renden instruiren und ihnen ihre Thätigkeit vorschreiben, sondern
es ist auch eine stetige und wirksame Beaufsichtigung erfor-
derlich. Hieraus ergibt sich eine dritte Art von Verwaltungs-
geschäften, die ebensowohl von der unmittelbaren Geschäftsführung,
wie von der Ertheilung von Anweisungen und Instructionen be-
grifflich verschieden ist, wenngleich sie mit dieser letzteren Art von
Geschäften thatsächlich oft verbunden ist. Die controllirende Thätig-
keit hat die Eigenthümlichkeit, daß sie nach Außen hin nicht wirk-
sam zu werden braucht, ja es in unmittelbarer Weise nicht einmal
werden kann. Die genaueste und sorgfältigste Controlle hat ein
durchaus negatives Ergebniß, wenn die Thätigkeit der controllirten
Behörden eine vollkommen ordnungsmäßige und zufriedenstellende
ist. Nur wenn Fehler der unteren Behörden bemerkt werden, wenn
diese Behörden etwa Rechtssätze oder die ihnen ertheilten Instruk-
tionen verletzen oder unrichtig anwenden, oder wenn ihre Geschäfts-
führung als unzweckmäßig oder nutzlos erscheint, führt die Con-
trole zu einem Einschreiten. Die beaufsichtigende Thätigkeit der
Instanzen hat aber zunächst und unmittelbar nur den Erfolg, daß
die Fehler, Rechtswidrigkeiten oder Mängel constatirt werden.
Möglicherweise hat diese Feststellung gar keine weiteren Folgen.
Sie kann aber Veranlassung geben zu Handlungen sehr verschie-
denen Inhaltes, z. B. zur gerichtlichen Verfolgung des pflicht-
widrigen Beamten oder zur Einleitung einer Disciplinar-Unter-
suchung gegen ihn oder zur Einziehung des Ersatzes für den von
ihm verursachten Schaden; ferner aber zum Erlaß einer Verfügung,
welche dem Beamten eine bestimmte Handlung oder Unterlassung
vorschreibt, oder einer Verwaltungs-Verordnung, durch die das
Verhalten einer Behörde für gewisse Fälle geregelt wird; oder sie
kann endlich zur Vorbereitung eines Gesetzes dienen, durch welches
die Collision zwischen dem für nothwendig erachteten Verhalten der
Verwaltungs-Behörden und dem bestehenden Recht beseitigt wird.

Die Beaufsichtigung der Verwaltung ist an sich kein Rechts-
geschäft, überhaupt kein Willensact, sondern eine geistige Thätig-
keit von lediglich factischer Natur, die an sich nicht nur ohne alle

Laband, Reichsstaatsrecht. II. 15
§. 68. Die Formen der Verwaltung.

III. Bei jeder ausgedehnten und an viele Geſchäftsführer
vertheilten Verwaltung ſind zur Erhaltung der Einheit und Ord-
nung nicht blos leitende Organe erforderlich, welche die ausfüh-
renden inſtruiren und ihnen ihre Thätigkeit vorſchreiben, ſondern
es iſt auch eine ſtetige und wirkſame Beaufſichtigung erfor-
derlich. Hieraus ergibt ſich eine dritte Art von Verwaltungs-
geſchäften, die ebenſowohl von der unmittelbaren Geſchäftsführung,
wie von der Ertheilung von Anweiſungen und Inſtructionen be-
grifflich verſchieden iſt, wenngleich ſie mit dieſer letzteren Art von
Geſchäften thatſächlich oft verbunden iſt. Die controllirende Thätig-
keit hat die Eigenthümlichkeit, daß ſie nach Außen hin nicht wirk-
ſam zu werden braucht, ja es in unmittelbarer Weiſe nicht einmal
werden kann. Die genaueſte und ſorgfältigſte Controlle hat ein
durchaus negatives Ergebniß, wenn die Thätigkeit der controllirten
Behörden eine vollkommen ordnungsmäßige und zufriedenſtellende
iſt. Nur wenn Fehler der unteren Behörden bemerkt werden, wenn
dieſe Behörden etwa Rechtsſätze oder die ihnen ertheilten Inſtruk-
tionen verletzen oder unrichtig anwenden, oder wenn ihre Geſchäfts-
führung als unzweckmäßig oder nutzlos erſcheint, führt die Con-
trole zu einem Einſchreiten. Die beaufſichtigende Thätigkeit der
Inſtanzen hat aber zunächſt und unmittelbar nur den Erfolg, daß
die Fehler, Rechtswidrigkeiten oder Mängel conſtatirt werden.
Möglicherweiſe hat dieſe Feſtſtellung gar keine weiteren Folgen.
Sie kann aber Veranlaſſung geben zu Handlungen ſehr verſchie-
denen Inhaltes, z. B. zur gerichtlichen Verfolgung des pflicht-
widrigen Beamten oder zur Einleitung einer Disciplinar-Unter-
ſuchung gegen ihn oder zur Einziehung des Erſatzes für den von
ihm verurſachten Schaden; ferner aber zum Erlaß einer Verfügung,
welche dem Beamten eine beſtimmte Handlung oder Unterlaſſung
vorſchreibt, oder einer Verwaltungs-Verordnung, durch die das
Verhalten einer Behörde für gewiſſe Fälle geregelt wird; oder ſie
kann endlich zur Vorbereitung eines Geſetzes dienen, durch welches
die Colliſion zwiſchen dem für nothwendig erachteten Verhalten der
Verwaltungs-Behörden und dem beſtehenden Recht beſeitigt wird.

Die Beaufſichtigung der Verwaltung iſt an ſich kein Rechts-
geſchäft, überhaupt kein Willensact, ſondern eine geiſtige Thätig-
keit von lediglich factiſcher Natur, die an ſich nicht nur ohne alle

Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0239" n="225"/>
            <fw place="top" type="header">§. 68. Die Formen der Verwaltung.</fw><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">III.</hi> Bei jeder ausgedehnten und an viele Ge&#x017F;chäftsführer<lb/>
vertheilten Verwaltung &#x017F;ind zur Erhaltung der Einheit und Ord-<lb/>
nung nicht blos leitende Organe erforderlich, welche die ausfüh-<lb/>
renden in&#x017F;truiren und ihnen ihre Thätigkeit vor&#x017F;chreiben, &#x017F;ondern<lb/>
es i&#x017F;t auch eine &#x017F;tetige und wirk&#x017F;ame <hi rendition="#g">Beauf&#x017F;ichtigung</hi> erfor-<lb/>
derlich. Hieraus ergibt &#x017F;ich eine dritte Art von Verwaltungs-<lb/>
ge&#x017F;chäften, die eben&#x017F;owohl von der unmittelbaren Ge&#x017F;chäftsführung,<lb/>
wie von der Ertheilung von Anwei&#x017F;ungen und In&#x017F;tructionen be-<lb/>
grifflich ver&#x017F;chieden i&#x017F;t, wenngleich &#x017F;ie mit die&#x017F;er letzteren Art von<lb/>
Ge&#x017F;chäften that&#x017F;ächlich oft verbunden i&#x017F;t. Die controllirende Thätig-<lb/>
keit hat die Eigenthümlichkeit, daß &#x017F;ie nach Außen hin nicht wirk-<lb/>
&#x017F;am zu werden braucht, ja es in unmittelbarer Wei&#x017F;e nicht einmal<lb/>
werden kann. Die genaue&#x017F;te und &#x017F;orgfältig&#x017F;te Controlle hat ein<lb/>
durchaus negatives Ergebniß, wenn die Thätigkeit der controllirten<lb/>
Behörden eine vollkommen ordnungsmäßige und zufrieden&#x017F;tellende<lb/>
i&#x017F;t. Nur wenn Fehler der unteren Behörden bemerkt werden, wenn<lb/>
die&#x017F;e Behörden etwa Rechts&#x017F;ätze oder die ihnen ertheilten In&#x017F;truk-<lb/>
tionen verletzen oder unrichtig anwenden, oder wenn ihre Ge&#x017F;chäfts-<lb/>
führung als unzweckmäßig oder nutzlos er&#x017F;cheint, führt die Con-<lb/>
trole zu einem Ein&#x017F;chreiten. Die beauf&#x017F;ichtigende Thätigkeit der<lb/>
In&#x017F;tanzen hat aber zunäch&#x017F;t und unmittelbar nur den Erfolg, daß<lb/>
die Fehler, Rechtswidrigkeiten oder Mängel <hi rendition="#g">con&#x017F;tatirt</hi> werden.<lb/>
Möglicherwei&#x017F;e hat die&#x017F;e Fe&#x017F;t&#x017F;tellung gar keine weiteren Folgen.<lb/>
Sie <hi rendition="#g">kann</hi> aber Veranla&#x017F;&#x017F;ung geben zu Handlungen &#x017F;ehr ver&#x017F;chie-<lb/>
denen Inhaltes, z. B. zur gerichtlichen Verfolgung des pflicht-<lb/>
widrigen Beamten oder zur Einleitung einer Disciplinar-Unter-<lb/>
&#x017F;uchung gegen ihn oder zur Einziehung des Er&#x017F;atzes für den von<lb/>
ihm verur&#x017F;achten Schaden; ferner aber zum Erlaß einer Verfügung,<lb/>
welche dem Beamten eine be&#x017F;timmte Handlung oder Unterla&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
vor&#x017F;chreibt, oder einer Verwaltungs-Verordnung, durch die das<lb/>
Verhalten einer Behörde für gewi&#x017F;&#x017F;e Fälle geregelt wird; oder &#x017F;ie<lb/>
kann endlich zur Vorbereitung eines Ge&#x017F;etzes dienen, durch welches<lb/>
die Colli&#x017F;ion zwi&#x017F;chen dem für nothwendig erachteten Verhalten der<lb/>
Verwaltungs-Behörden und dem be&#x017F;tehenden Recht be&#x017F;eitigt wird.</p><lb/>
            <p>Die Beauf&#x017F;ichtigung der Verwaltung i&#x017F;t an &#x017F;ich kein Rechts-<lb/>
ge&#x017F;chäft, überhaupt kein Willensact, &#x017F;ondern eine gei&#x017F;tige Thätig-<lb/>
keit von lediglich facti&#x017F;cher Natur, die an &#x017F;ich nicht nur ohne alle<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Laband</hi>, Reichs&#x017F;taatsrecht. <hi rendition="#aq">II.</hi> 15</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0239] §. 68. Die Formen der Verwaltung. III. Bei jeder ausgedehnten und an viele Geſchäftsführer vertheilten Verwaltung ſind zur Erhaltung der Einheit und Ord- nung nicht blos leitende Organe erforderlich, welche die ausfüh- renden inſtruiren und ihnen ihre Thätigkeit vorſchreiben, ſondern es iſt auch eine ſtetige und wirkſame Beaufſichtigung erfor- derlich. Hieraus ergibt ſich eine dritte Art von Verwaltungs- geſchäften, die ebenſowohl von der unmittelbaren Geſchäftsführung, wie von der Ertheilung von Anweiſungen und Inſtructionen be- grifflich verſchieden iſt, wenngleich ſie mit dieſer letzteren Art von Geſchäften thatſächlich oft verbunden iſt. Die controllirende Thätig- keit hat die Eigenthümlichkeit, daß ſie nach Außen hin nicht wirk- ſam zu werden braucht, ja es in unmittelbarer Weiſe nicht einmal werden kann. Die genaueſte und ſorgfältigſte Controlle hat ein durchaus negatives Ergebniß, wenn die Thätigkeit der controllirten Behörden eine vollkommen ordnungsmäßige und zufriedenſtellende iſt. Nur wenn Fehler der unteren Behörden bemerkt werden, wenn dieſe Behörden etwa Rechtsſätze oder die ihnen ertheilten Inſtruk- tionen verletzen oder unrichtig anwenden, oder wenn ihre Geſchäfts- führung als unzweckmäßig oder nutzlos erſcheint, führt die Con- trole zu einem Einſchreiten. Die beaufſichtigende Thätigkeit der Inſtanzen hat aber zunächſt und unmittelbar nur den Erfolg, daß die Fehler, Rechtswidrigkeiten oder Mängel conſtatirt werden. Möglicherweiſe hat dieſe Feſtſtellung gar keine weiteren Folgen. Sie kann aber Veranlaſſung geben zu Handlungen ſehr verſchie- denen Inhaltes, z. B. zur gerichtlichen Verfolgung des pflicht- widrigen Beamten oder zur Einleitung einer Disciplinar-Unter- ſuchung gegen ihn oder zur Einziehung des Erſatzes für den von ihm verurſachten Schaden; ferner aber zum Erlaß einer Verfügung, welche dem Beamten eine beſtimmte Handlung oder Unterlaſſung vorſchreibt, oder einer Verwaltungs-Verordnung, durch die das Verhalten einer Behörde für gewiſſe Fälle geregelt wird; oder ſie kann endlich zur Vorbereitung eines Geſetzes dienen, durch welches die Colliſion zwiſchen dem für nothwendig erachteten Verhalten der Verwaltungs-Behörden und dem beſtehenden Recht beſeitigt wird. Die Beaufſichtigung der Verwaltung iſt an ſich kein Rechts- geſchäft, überhaupt kein Willensact, ſondern eine geiſtige Thätig- keit von lediglich factiſcher Natur, die an ſich nicht nur ohne alle Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 15

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/239
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/239>, abgerufen am 13.05.2024.