lei Verwandtschaft mit der Publikation der Gesetze und Rechts- verordnungen, sondern sie ist analog dem öffentlichen Aufgebot, welches die Gerichte bei Concursen, Subhastationen und in an- deren zahlreichen Fällen erlassen; sie ist ein Surrogat der Behändigung.
II. Aus dem Begriff der Verwaltung als Geschäftsführung ergiebt sich, daß die Thätigkeit der Behörden durch das Gesetz allein nicht bestimmt wird, sondern durch das freie Ermessen der- selben innerhalb der durch das Gesetz bestimmten Schranken. Diese Freiheit kann aber nicht jeder einzelnen Behörde in ihrem Wir- kungskreise zustehen, ohne daß die Einheit und Harmonie der Ge- schäftsführung gefährdet und gestört wird. Unter dem freien Er- messen der Verwaltung ist nicht das subjective Ermessen jedes ein- zelnen Beamten und unter der Handelungsfreiheit nicht das Belieben jeder untergeordneten Behörde zu verstehen. Die einzelnen Be- hörden sind vielmehr in einem gegliederten System verbunden und die Geschäftsführung des Staates ist nicht zerrissen und zerstückelt, sondern unter die Behörden planvoll vertheilt. Die Zerlegung der staatlichen Geschäfte in kleine Geschäftskreise, welche den ein- zelnen Aemtern zugewiesen sind, muß Hand in Hand gehen mit einer Centralisation der Geschäftsleitung. Die unteren Behörden sind demgemäß bei ihrer Geschäftsführung den Anweisungen der vorgesetzten Behörde unterworfen und zur Befolgung der ihnen ertheilten Anordnungen verpflichtet. Den oberen Behörden liegt es ob, die Geschäftsführung der ihnen untergebenen zu leiten und zu beaufsichtigen. Die Verwaltung der Staatsgeschäfte vollzieht sich daher nicht blos durch Befehle an Unterthauen, sondern auch durch Befehle an die eigenen Organe. Die Befolgung der von der vorgesetzten Behörde innerhalb ihrer Kompetenz ertheilten Be- fehle gehört zu der Dienstpflicht des Beamten und die Verletzung derselben ist ein Disciplinarvergehen 1). Der Befehl der vorge- setzten Behörde kann nun aber zweierlei Art sein. Er kann sich auf einen einzelnen, concreten Fall beziehen, die Vornahme einer bestimmten Handlung, den Abschluß eines bestimmten Vertrages, den Erlaß einer bestimmten Verfügung anordnen oder untersagen. Ein solcher Befehl wird ebenfalls als Verfügung bezeichnet
1) Siehe oben Bd. I. §§. 40. 41.
§. 68. Die Formen der Verwaltung.
lei Verwandtſchaft mit der Publikation der Geſetze und Rechts- verordnungen, ſondern ſie iſt analog dem öffentlichen Aufgebot, welches die Gerichte bei Concurſen, Subhaſtationen und in an- deren zahlreichen Fällen erlaſſen; ſie iſt ein Surrogat der Behändigung.
II. Aus dem Begriff der Verwaltung als Geſchäftsführung ergiebt ſich, daß die Thätigkeit der Behörden durch das Geſetz allein nicht beſtimmt wird, ſondern durch das freie Ermeſſen der- ſelben innerhalb der durch das Geſetz beſtimmten Schranken. Dieſe Freiheit kann aber nicht jeder einzelnen Behörde in ihrem Wir- kungskreiſe zuſtehen, ohne daß die Einheit und Harmonie der Ge- ſchäftsführung gefährdet und geſtört wird. Unter dem freien Er- meſſen der Verwaltung iſt nicht das ſubjective Ermeſſen jedes ein- zelnen Beamten und unter der Handelungsfreiheit nicht das Belieben jeder untergeordneten Behörde zu verſtehen. Die einzelnen Be- hörden ſind vielmehr in einem gegliederten Syſtem verbunden und die Geſchäftsführung des Staates iſt nicht zerriſſen und zerſtückelt, ſondern unter die Behörden planvoll vertheilt. Die Zerlegung der ſtaatlichen Geſchäfte in kleine Geſchäftskreiſe, welche den ein- zelnen Aemtern zugewieſen ſind, muß Hand in Hand gehen mit einer Centraliſation der Geſchäftsleitung. Die unteren Behörden ſind demgemäß bei ihrer Geſchäftsführung den Anweiſungen der vorgeſetzten Behörde unterworfen und zur Befolgung der ihnen ertheilten Anordnungen verpflichtet. Den oberen Behörden liegt es ob, die Geſchäftsführung der ihnen untergebenen zu leiten und zu beaufſichtigen. Die Verwaltung der Staatsgeſchäfte vollzieht ſich daher nicht blos durch Befehle an Unterthauen, ſondern auch durch Befehle an die eigenen Organe. Die Befolgung der von der vorgeſetzten Behörde innerhalb ihrer Kompetenz ertheilten Be- fehle gehört zu der Dienſtpflicht des Beamten und die Verletzung derſelben iſt ein Disciplinarvergehen 1). Der Befehl der vorge- ſetzten Behörde kann nun aber zweierlei Art ſein. Er kann ſich auf einen einzelnen, concreten Fall beziehen, die Vornahme einer beſtimmten Handlung, den Abſchluß eines beſtimmten Vertrages, den Erlaß einer beſtimmten Verfügung anordnen oder unterſagen. Ein ſolcher Befehl wird ebenfalls als Verfügung bezeichnet
1) Siehe oben Bd. I. §§. 40. 41.
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§. 68. Die Formen der Verwaltung.
lei Verwandtſchaft mit der Publikation der Geſetze und Rechts-
verordnungen, ſondern ſie iſt analog dem öffentlichen Aufgebot,
welches die Gerichte bei Concurſen, Subhaſtationen und in an-
deren zahlreichen Fällen erlaſſen; ſie iſt ein Surrogat der
Behändigung.
II. Aus dem Begriff der Verwaltung als Geſchäftsführung
ergiebt ſich, daß die Thätigkeit der Behörden durch das Geſetz
allein nicht beſtimmt wird, ſondern durch das freie Ermeſſen der-
ſelben innerhalb der durch das Geſetz beſtimmten Schranken. Dieſe
Freiheit kann aber nicht jeder einzelnen Behörde in ihrem Wir-
kungskreiſe zuſtehen, ohne daß die Einheit und Harmonie der Ge-
ſchäftsführung gefährdet und geſtört wird. Unter dem freien Er-
meſſen der Verwaltung iſt nicht das ſubjective Ermeſſen jedes ein-
zelnen Beamten und unter der Handelungsfreiheit nicht das Belieben
jeder untergeordneten Behörde zu verſtehen. Die einzelnen Be-
hörden ſind vielmehr in einem gegliederten Syſtem verbunden und
die Geſchäftsführung des Staates iſt nicht zerriſſen und zerſtückelt,
ſondern unter die Behörden planvoll vertheilt. Die Zerlegung
der ſtaatlichen Geſchäfte in kleine Geſchäftskreiſe, welche den ein-
zelnen Aemtern zugewieſen ſind, muß Hand in Hand gehen mit
einer Centraliſation der Geſchäftsleitung. Die unteren Behörden
ſind demgemäß bei ihrer Geſchäftsführung den Anweiſungen der
vorgeſetzten Behörde unterworfen und zur Befolgung der ihnen
ertheilten Anordnungen verpflichtet. Den oberen Behörden liegt
es ob, die Geſchäftsführung der ihnen untergebenen zu leiten und
zu beaufſichtigen. Die Verwaltung der Staatsgeſchäfte vollzieht
ſich daher nicht blos durch Befehle an Unterthauen, ſondern auch
durch Befehle an die eigenen Organe. Die Befolgung der von
der vorgeſetzten Behörde innerhalb ihrer Kompetenz ertheilten Be-
fehle gehört zu der Dienſtpflicht des Beamten und die Verletzung
derſelben iſt ein Disciplinarvergehen 1). Der Befehl der vorge-
ſetzten Behörde kann nun aber zweierlei Art ſein. Er kann ſich
auf einen einzelnen, concreten Fall beziehen, die Vornahme einer
beſtimmten Handlung, den Abſchluß eines beſtimmten Vertrages,
den Erlaß einer beſtimmten Verfügung anordnen oder unterſagen.
Ein ſolcher Befehl wird ebenfalls als Verfügung bezeichnet
1) Siehe oben Bd. I. §§. 40. 41.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/236>, abgerufen am 23.11.2024.
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