Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 68. Die Formen der Verwaltung. mein vorgezeichnet sein, so daß er in jedem einzelnen Falle ohneAbweichung und deshalb auch ohne besondere oder ausdrückliche Erklärung als vereinbart anzusehen ist. Alsdann wandelt sich das, was seiner Natur nach ursprünglich Vertragsberedung ist, in gesetz- liches Recht um, gerade so wie auf dem Gebiete des Privatrechts aus dem stets wiederkehrenden stereotypen Inhalt unzähliger Ge- schäfte ein Satz des Gewohnheitsrechtes sich bildet. In dem einen Falle ist es der Gesetzesbefehl des Staates, in dem andern die opinio iuris, d. h. das Bewußtsein von der rechtlichen Verbind- lichkeit des Geschäfts-Gebrauches, welches die Umwandlung des Vertragswillens in eine Rechtsregel bewirkt. Dadurch aber fällt der Vertragswille nicht fort. Der Verkäufer haftet für die von ihm zugesicherten Eigenschaften der Waare allerdings kraft Rechts- satzes, gleichviel ob er will oder nicht; andererseits entspricht diese Haftung aber auch seinem vertragsmäßigen Willen, ohne Rücksicht auf das Gesetz, welches ihm dieselbe auferlegt; und so beruhen auch die Ansprüche und Verpflichtungen des Staates aus den im Betriebe der Verwaltung geschlossenen Verträgen nicht blos auf der abstracten Regel des Gesetzes, sondern ebenso auf dem im concreten Falle wirksam gewordenen Willen der Contrahenten; der Inhalt beider ist identisch. 2. Der Befehl. Soweit der Staat Herrschaftsrechte über Die Verfügung ist ein Akt des öffentlichen Rechtes; man kann §. 68. Die Formen der Verwaltung. mein vorgezeichnet ſein, ſo daß er in jedem einzelnen Falle ohneAbweichung und deshalb auch ohne beſondere oder ausdrückliche Erklärung als vereinbart anzuſehen iſt. Alsdann wandelt ſich das, was ſeiner Natur nach urſprünglich Vertragsberedung iſt, in geſetz- liches Recht um, gerade ſo wie auf dem Gebiete des Privatrechts aus dem ſtets wiederkehrenden ſtereotypen Inhalt unzähliger Ge- ſchäfte ein Satz des Gewohnheitsrechtes ſich bildet. In dem einen Falle iſt es der Geſetzesbefehl des Staates, in dem andern die opinio iuris, d. h. das Bewußtſein von der rechtlichen Verbind- lichkeit des Geſchäfts-Gebrauches, welches die Umwandlung des Vertragswillens in eine Rechtsregel bewirkt. Dadurch aber fällt der Vertragswille nicht fort. Der Verkäufer haftet für die von ihm zugeſicherten Eigenſchaften der Waare allerdings kraft Rechts- ſatzes, gleichviel ob er will oder nicht; andererſeits entſpricht dieſe Haftung aber auch ſeinem vertragsmäßigen Willen, ohne Rückſicht auf das Geſetz, welches ihm dieſelbe auferlegt; und ſo beruhen auch die Anſprüche und Verpflichtungen des Staates aus den im Betriebe der Verwaltung geſchloſſenen Verträgen nicht blos auf der abſtracten Regel des Geſetzes, ſondern ebenſo auf dem im concreten Falle wirkſam gewordenen Willen der Contrahenten; der Inhalt beider iſt identiſch. 2. Der Befehl. Soweit der Staat Herrſchaftsrechte über Die Verfügung iſt ein Akt des öffentlichen Rechtes; man kann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0230" n="216"/><fw place="top" type="header">§. 68. 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§. 68. Die Formen der Verwaltung.
mein vorgezeichnet ſein, ſo daß er in jedem einzelnen Falle ohne
Abweichung und deshalb auch ohne beſondere oder ausdrückliche
Erklärung als vereinbart anzuſehen iſt. Alsdann wandelt ſich das,
was ſeiner Natur nach urſprünglich Vertragsberedung iſt, in geſetz-
liches Recht um, gerade ſo wie auf dem Gebiete des Privatrechts
aus dem ſtets wiederkehrenden ſtereotypen Inhalt unzähliger Ge-
ſchäfte ein Satz des Gewohnheitsrechtes ſich bildet. In dem einen
Falle iſt es der Geſetzesbefehl des Staates, in dem andern die
opinio iuris, d. h. das Bewußtſein von der rechtlichen Verbind-
lichkeit des Geſchäfts-Gebrauches, welches die Umwandlung des
Vertragswillens in eine Rechtsregel bewirkt. Dadurch aber fällt
der Vertragswille nicht fort. Der Verkäufer haftet für die von
ihm zugeſicherten Eigenſchaften der Waare allerdings kraft Rechts-
ſatzes, gleichviel ob er will oder nicht; andererſeits entſpricht dieſe
Haftung aber auch ſeinem vertragsmäßigen Willen, ohne Rückſicht
auf das Geſetz, welches ihm dieſelbe auferlegt; und ſo beruhen
auch die Anſprüche und Verpflichtungen des Staates aus den im
Betriebe der Verwaltung geſchloſſenen Verträgen nicht blos auf
der abſtracten Regel des Geſetzes, ſondern ebenſo auf dem im
concreten Falle wirkſam gewordenen Willen der Contrahenten; der
Inhalt beider iſt identiſch.
2. Der Befehl. Soweit der Staat Herrſchaftsrechte über
Land und Leute hat, um durch Anwendung derſelben ſeinen Auf-
gaben gerecht zu werden, iſt der Befehl die Form, in welcher ſich die
Thätigkeit der Verwaltungsbehörden vollzieht. Der Befehl wird
ertheilt durch eine Verfügung der Verwaltungsbehörde, welche
außer dieſem Befehle ſelbſt bisweilen noch andere Beſtandtheile
haben kann, insbeſondere Angabe der Gründe, Androhung von
Strafen, Belehrungen über die Befugniß zu Reclamationen oder
Beſchwerden u. ſ. w. Der ſtaatsrechtlich erhebliche Inhalt der
Verfügung aber, auf welchem die von ihr bezweckten Rechtswir-
kungen beruhen, iſt der Befehl an den der Staatsgewalt Unter-
gebenen, etwas zu leiſten, zu thun oder zu unterlaſſen. Die Ein-
ziehung der Steuern, Zölle und Gebühren, die Einberufung zur
Leiſtung der Militairpflicht, die Anforderungen des Staates an die
Unterthanen zur Handhabung des Rechtsſchutzes, die polizeiliche
Thätigkeit u. ſ. w. bieten zahlloſe Anwendungsfälle.
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