Die Verwaltungsthätigkeit des Staates ist sonach zugleich Handhabung und Erzeugung des öffentlichen Rechts und es findet eine fortwährende Wechselwirkung zwischen Verwaltung und Rechts- bildung statt. Dadurch tritt der Antheil der Volksvertretung in der verwaltenden Thätigkeit des Staates erst in seiner vollen Be- deutung hervor. Er besteht nicht nur darin, daß bei den parla- mentarischen Verhandlungen eine etwaige Verletzung der Gesetze durch die Verwaltungsbehörden oder eine irrige und unzweckmäßige Vollziehung derselben gerügt werden kann; er wird auch nicht dadurch erschöpft, daß durch Feststellung des Staatshaushaltes die finanziellen Mittel für die Verwaltungsthätigkeit der Behörden bewilligt werden; sondern er kommt vorzugsweise dadurch zur Geltung, daß die Gesetzgebung eine Form der staatlichen Willens- erklärung ist, welche nicht blos auf die Sanction von Rechtssätzen sondern auch auf die Anordnung und Regelung der Verwaltungs- thätigkeit anwendbar ist.
§. 68. Die Formen der Verwaltung.
I. Verwaltung ist -- wie in dem vorhergehenden Paragraphen entwickelt wurde -- Thätigkeit, Geschäftsführung. Die staatliche Geschäftsführung vollzieht sich aber, wie jede Geschäftsführung, theils durch Handlungen factischer Natur, theils durch Rechts- geschäfte. Die ersteren sind durch Rechtssätze nicht bestimmt; die unzähligen Arbeiten, welche der Staat auf den verschiedenen Ge- bieten der Verwaltung vornehmen läßt, haben eben so wenig ein juristisches Interesse und einen rechtlichen Inhalt, wie die that- sächlichen Beschäftigungen und Arbeiten der Individuen. Für das Staatsrecht sind nur die Rechtsgeschäfte der Verwaltung von Belang. Diese Rechtsgeschäfte sind ganz ebenso wie auf dem Ge- biete des Privatrechts entweder zweiseitige, d. h. Verträge, oder einseitige, d. h. Befehle.
1. Der Vertrag findet überall Anwendung, wo der Staat mit den ihm zustehenden Herrschaftsrechten die ihm obliegenden Aufgaben nicht zu erfüllen vermag. Die Verwaltung ist genöthigt, Verträge aller Art in großer Zahl unablässig abzuschließen; die Lieferung von Waaren, die Leistung von Arbeiten, die Herstellung von Werken, die Beschaffung von Geldmitteln u. s. w. kann der
§. 68. Die Formen der Verwaltung.
Die Verwaltungsthätigkeit des Staates iſt ſonach zugleich Handhabung und Erzeugung des öffentlichen Rechts und es findet eine fortwährende Wechſelwirkung zwiſchen Verwaltung und Rechts- bildung ſtatt. Dadurch tritt der Antheil der Volksvertretung in der verwaltenden Thätigkeit des Staates erſt in ſeiner vollen Be- deutung hervor. Er beſteht nicht nur darin, daß bei den parla- mentariſchen Verhandlungen eine etwaige Verletzung der Geſetze durch die Verwaltungsbehörden oder eine irrige und unzweckmäßige Vollziehung derſelben gerügt werden kann; er wird auch nicht dadurch erſchöpft, daß durch Feſtſtellung des Staatshaushaltes die finanziellen Mittel für die Verwaltungsthätigkeit der Behörden bewilligt werden; ſondern er kommt vorzugsweiſe dadurch zur Geltung, daß die Geſetzgebung eine Form der ſtaatlichen Willens- erklärung iſt, welche nicht blos auf die Sanction von Rechtsſätzen ſondern auch auf die Anordnung und Regelung der Verwaltungs- thätigkeit anwendbar iſt.
§. 68. Die Formen der Verwaltung.
I. Verwaltung iſt — wie in dem vorhergehenden Paragraphen entwickelt wurde — Thätigkeit, Geſchäftsführung. Die ſtaatliche Geſchäftsführung vollzieht ſich aber, wie jede Geſchäftsführung, theils durch Handlungen factiſcher Natur, theils durch Rechts- geſchäfte. Die erſteren ſind durch Rechtsſätze nicht beſtimmt; die unzähligen Arbeiten, welche der Staat auf den verſchiedenen Ge- bieten der Verwaltung vornehmen läßt, haben eben ſo wenig ein juriſtiſches Intereſſe und einen rechtlichen Inhalt, wie die that- ſächlichen Beſchäftigungen und Arbeiten der Individuen. Für das Staatsrecht ſind nur die Rechtsgeſchäfte der Verwaltung von Belang. Dieſe Rechtsgeſchäfte ſind ganz ebenſo wie auf dem Ge- biete des Privatrechts entweder zweiſeitige, d. h. Verträge, oder einſeitige, d. h. Befehle.
1. Der Vertrag findet überall Anwendung, wo der Staat mit den ihm zuſtehenden Herrſchaftsrechten die ihm obliegenden Aufgaben nicht zu erfüllen vermag. Die Verwaltung iſt genöthigt, Verträge aller Art in großer Zahl unabläſſig abzuſchließen; die Lieferung von Waaren, die Leiſtung von Arbeiten, die Herſtellung von Werken, die Beſchaffung von Geldmitteln u. ſ. w. kann der
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§. 68. Die Formen der Verwaltung.
Die Verwaltungsthätigkeit des Staates iſt ſonach zugleich
Handhabung und Erzeugung des öffentlichen Rechts und es findet
eine fortwährende Wechſelwirkung zwiſchen Verwaltung und Rechts-
bildung ſtatt. Dadurch tritt der Antheil der Volksvertretung in
der verwaltenden Thätigkeit des Staates erſt in ſeiner vollen Be-
deutung hervor. Er beſteht nicht nur darin, daß bei den parla-
mentariſchen Verhandlungen eine etwaige Verletzung der Geſetze
durch die Verwaltungsbehörden oder eine irrige und unzweckmäßige
Vollziehung derſelben gerügt werden kann; er wird auch nicht
dadurch erſchöpft, daß durch Feſtſtellung des Staatshaushaltes die
finanziellen Mittel für die Verwaltungsthätigkeit der Behörden
bewilligt werden; ſondern er kommt vorzugsweiſe dadurch zur
Geltung, daß die Geſetzgebung eine Form der ſtaatlichen Willens-
erklärung iſt, welche nicht blos auf die Sanction von Rechtsſätzen
ſondern auch auf die Anordnung und Regelung der Verwaltungs-
thätigkeit anwendbar iſt.
§. 68. Die Formen der Verwaltung.
I. Verwaltung iſt — wie in dem vorhergehenden Paragraphen
entwickelt wurde — Thätigkeit, Geſchäftsführung. Die ſtaatliche
Geſchäftsführung vollzieht ſich aber, wie jede Geſchäftsführung,
theils durch Handlungen factiſcher Natur, theils durch Rechts-
geſchäfte. Die erſteren ſind durch Rechtsſätze nicht beſtimmt; die
unzähligen Arbeiten, welche der Staat auf den verſchiedenen Ge-
bieten der Verwaltung vornehmen läßt, haben eben ſo wenig ein
juriſtiſches Intereſſe und einen rechtlichen Inhalt, wie die that-
ſächlichen Beſchäftigungen und Arbeiten der Individuen. Für das
Staatsrecht ſind nur die Rechtsgeſchäfte der Verwaltung von
Belang. Dieſe Rechtsgeſchäfte ſind ganz ebenſo wie auf dem Ge-
biete des Privatrechts entweder zweiſeitige, d. h. Verträge, oder
einſeitige, d. h. Befehle.
1. Der Vertrag findet überall Anwendung, wo der Staat
mit den ihm zuſtehenden Herrſchaftsrechten die ihm obliegenden
Aufgaben nicht zu erfüllen vermag. Die Verwaltung iſt genöthigt,
Verträge aller Art in großer Zahl unabläſſig abzuſchließen; die
Lieferung von Waaren, die Leiſtung von Arbeiten, die Herſtellung
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/226>, abgerufen am 23.11.2024.
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