Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 64. Der Abschluß von Staatsverträgen. rechtlichen Verkehr begründet; Abs. 1 cit. enthält die allge-meine staatsrechtliche Bevollmächtigung des Kaisers, Rechtsgeschäfte im Namen des Reiches mit fremden Staaten abzuschließen. An die allgemeine im Abs. 1 enthaltene Regel schließen sich Wenn man zunächst für einen Augenblick zugiebt, daß sich 1) In dem ursprünglichen Entwurf der Norddeutschen Bundesverf. fehlte
der Satz. Bei den Berathungen der Regierungs-Kommissare über den Preuß. Entw. wurde das Erforderniß der Zustimmung des Bundesrathes hinzugefügt, das Erforderniß der Genehmigung des Reichstags wurde von dem verfassungs- berath. Reichstag auf Grund eines Antrages des Abg. Lette eingeschaltet, ohne daß bei der Debatte über den Art. 11 in der Sitzung vom 26. März 1867 die Bedeutung des Amendements erörtert worden ist. Stenogr. Be- richte S. 374. §. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen. rechtlichen Verkehr begründet; Abſ. 1 cit. enthält die allge-meine ſtaatsrechtliche Bevollmächtigung des Kaiſers, Rechtsgeſchäfte im Namen des Reiches mit fremden Staaten abzuſchließen. An die allgemeine im Abſ. 1 enthaltene Regel ſchließen ſich Wenn man zunächſt für einen Augenblick zugiebt, daß ſich 1) In dem urſprünglichen Entwurf der Norddeutſchen Bundesverf. fehlte
der Satz. Bei den Berathungen der Regierungs-Kommiſſare über den Preuß. Entw. wurde das Erforderniß der Zuſtimmung des Bundesrathes hinzugefügt, das Erforderniß der Genehmigung des Reichstags wurde von dem verfaſſungs- berath. Reichstag auf Grund eines Antrages des Abg. Lette eingeſchaltet, ohne daß bei der Debatte über den Art. 11 in der Sitzung vom 26. März 1867 die Bedeutung des Amendements erörtert worden iſt. Stenogr. Be- richte S. 374. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0178" n="164"/><fw place="top" type="header">§. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen.</fw><lb/> rechtlichen Verkehr begründet; Abſ. 1 <hi rendition="#aq">cit.</hi> <hi rendition="#g">enthält die allge-<lb/> meine ſtaatsrechtliche Bevollmächtigung des Kaiſers,<lb/> Rechtsgeſchäfte im Namen des Reiches mit fremden<lb/> Staaten abzuſchließen</hi>.</p><lb/> <p>An die allgemeine im Abſ. 1 enthaltene Regel ſchließen ſich<lb/> aber zwei weitere Beſtimmungen an. Der zweite Abſatz, welcher<lb/> in der Verf. des Nordd. Bundes fehlte und erſt bei dem Eintritt<lb/> der ſüddeutſchen Staaten in den Bund hinzugefügt wurde, be-<lb/> ſtimmt, daß zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiches<lb/> die Zuſtimmung des Bundesrathes erforderlich iſt, es ſei denn,<lb/> daß ein Angriff auf das Bundesgebiet oder deſſen Küſten erfolgt.<lb/> Der dritte Abſatz fügt die Regel hinzu:<lb/><hi rendition="#et">„Inſoweit die Verträge mit fremden Staaten ſich auf ſolche<lb/> Gegenſtände beziehen, welche nach Art. 4 in den Bereich der<lb/> Reichsgeſetzgebung gehören, iſt <hi rendition="#g">zu ihrem Abſchluß</hi> die Zu-<lb/> ſtimmung des Bundesrathes und <hi rendition="#g">zu ihrer Gültigkeit</hi> die<lb/> Genehmigung des Reichstages erforderlich“ <note place="foot" n="1)">In dem urſprünglichen Entwurf der Norddeutſchen Bundesverf. fehlte<lb/> der Satz. Bei den Berathungen der Regierungs-Kommiſſare über den Preuß.<lb/> Entw. wurde das Erforderniß der Zuſtimmung des Bundesrathes hinzugefügt,<lb/> das Erforderniß der Genehmigung des Reichstags wurde von dem verfaſſungs-<lb/> berath. Reichstag auf Grund eines Antrages des Abg. <hi rendition="#g">Lette</hi> eingeſchaltet,<lb/> ohne daß bei der Debatte über den Art. 11 in der Sitzung vom 26. März<lb/> 1867 die Bedeutung des Amendements erörtert worden iſt. Stenogr. Be-<lb/> richte S. 374.</note>.</hi></p><lb/> <p>Wenn man zunächſt für einen Augenblick zugiebt, daß ſich<lb/> dieſe Beſtimmung überhaupt auf die Legitimation zum Abſchluß<lb/> von Verträgen und auf die <hi rendition="#g">völkerrechtliche</hi> Verbindlichkeit<lb/> der letzteren bezieht, ſo iſt doch der Satz zweifellos und unbeſtreit-<lb/> bar, daß die im erſten Abſatz ertheilte Stellvertretungsbefugniß<lb/> durch Abſ. 3 nicht allgemein d. h. für <hi rendition="#g">alle</hi> Staatsverträge des<lb/> Reiches aufgehoben oder an Bedingungen geknüpft wird, ſondern<lb/> nur für eine gewiſſe Sorte von Staatsverträgen. Man würde daher<lb/> zunächſt folgendes Reſultat <choice><sic>gewinnnen</sic><corr>gewinnen</corr></choice>: Es giebt zwei Klaſſen von<lb/> Staatsverträgen; die einen kann der Kaiſer mit völkerrechtlicher<lb/> Gültigkeit Namens des Reiches abſchließen; dagegen iſt er nicht<lb/> befugt, die anderen abzuſchließen, wofern er nicht die Zuſtimmung<lb/> des Bundesrathes und die Genehmigung des Reichstages hat.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [164/0178]
§. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen.
rechtlichen Verkehr begründet; Abſ. 1 cit. enthält die allge-
meine ſtaatsrechtliche Bevollmächtigung des Kaiſers,
Rechtsgeſchäfte im Namen des Reiches mit fremden
Staaten abzuſchließen.
An die allgemeine im Abſ. 1 enthaltene Regel ſchließen ſich
aber zwei weitere Beſtimmungen an. Der zweite Abſatz, welcher
in der Verf. des Nordd. Bundes fehlte und erſt bei dem Eintritt
der ſüddeutſchen Staaten in den Bund hinzugefügt wurde, be-
ſtimmt, daß zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiches
die Zuſtimmung des Bundesrathes erforderlich iſt, es ſei denn,
daß ein Angriff auf das Bundesgebiet oder deſſen Küſten erfolgt.
Der dritte Abſatz fügt die Regel hinzu:
„Inſoweit die Verträge mit fremden Staaten ſich auf ſolche
Gegenſtände beziehen, welche nach Art. 4 in den Bereich der
Reichsgeſetzgebung gehören, iſt zu ihrem Abſchluß die Zu-
ſtimmung des Bundesrathes und zu ihrer Gültigkeit die
Genehmigung des Reichstages erforderlich“ 1).
Wenn man zunächſt für einen Augenblick zugiebt, daß ſich
dieſe Beſtimmung überhaupt auf die Legitimation zum Abſchluß
von Verträgen und auf die völkerrechtliche Verbindlichkeit
der letzteren bezieht, ſo iſt doch der Satz zweifellos und unbeſtreit-
bar, daß die im erſten Abſatz ertheilte Stellvertretungsbefugniß
durch Abſ. 3 nicht allgemein d. h. für alle Staatsverträge des
Reiches aufgehoben oder an Bedingungen geknüpft wird, ſondern
nur für eine gewiſſe Sorte von Staatsverträgen. Man würde daher
zunächſt folgendes Reſultat gewinnen: Es giebt zwei Klaſſen von
Staatsverträgen; die einen kann der Kaiſer mit völkerrechtlicher
Gültigkeit Namens des Reiches abſchließen; dagegen iſt er nicht
befugt, die anderen abzuſchließen, wofern er nicht die Zuſtimmung
des Bundesrathes und die Genehmigung des Reichstages hat.
1) In dem urſprünglichen Entwurf der Norddeutſchen Bundesverf. fehlte
der Satz. Bei den Berathungen der Regierungs-Kommiſſare über den Preuß.
Entw. wurde das Erforderniß der Zuſtimmung des Bundesrathes hinzugefügt,
das Erforderniß der Genehmigung des Reichstags wurde von dem verfaſſungs-
berath. Reichstag auf Grund eines Antrages des Abg. Lette eingeſchaltet,
ohne daß bei der Debatte über den Art. 11 in der Sitzung vom 26. März
1867 die Bedeutung des Amendements erörtert worden iſt. Stenogr. Be-
richte S. 374.
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