Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 63. Begriff und juristische Natur der Staatsverträge. und es ist andererseits ganz unerheblich, wenn der Staatsvertragnachträglich veröffentlicht wird. Staatsrechtlich kömmt es einzig und allein auf die von der Staatsgewalt erlassenen Befehle an 1). Die äußere Trennung des Vertrages, der unter den Staaten 1) Aus der Praxis des Deutschen Reiches lassen sich mehrere Beispiele anführen, daß Gesetze oder Verordnungen auf Grund oder Behufs Erfüllung völkerrechtlicher Vereinbarungen erlassen worden sind, ohne daß die letzteren verkündigt worden sind. So das Gesetz vom 30. März 1874 und die Verord- nung vom 23. Dez. 1875 wegen Einschränkung der Konsulargerichtsbarkeit in Egypten, während die Uebereinkunft mit Egypten nicht veröffentlicht ist; ferner sind die internationalen Telegraphen-Konventionen nicht verkündet, wohl aber auf Grund derselben die Telegraphen-Ordnungen v. 21. Juni 1872 und vom 24. Januar 1876 erlassen worden; ebenso liegt der Bekanntmachung vom 31. Okt. 1873 (R.-G.-Bl. S. 366) betreffend die portopflichtige Korrespondenz mit Oesterreich selbstverständlich ein Uebereinkommen mit der Oesterreichischen Regierung zu Grunde; die Bundesraths-Verordnung v. 8. Juli 1874 zur Er- gänzung der Schiffsvermessungs-Ordnung (Centralbl. 1874 S. 282) ist erlassen "im Anschluß an die von der internationalen Kommission zur Regelung der Abgaben auf dem Suezkanal gefaßten Beschlüsse" u. s. w. 2) In manchen Fällen ist dies aber nicht zu umgehen, alsdann muß
an den Staatsvertrag sich ein Gesetz oder eine Verordnung anschließen. So ist z. B. das Salzsteuergesetz v. 12. Oktober 1867 (G.-Bl. S. 41) seiner eigenen Angabe in den Eingangsworten gemäß erlassen worden "in Folge der zwischen den Staaten des Deutschen Zoll- und Handelsvereins am 8. Mai d. J. abgeschlossenen, hier beigefügten Uebereinkunft" ... Ebenso ist das Gesetz v. 2. Nov. 1871 (R.-G-Bl. S. 375) betreff. die St. Gotthard-Eisenbahn äußerlich getrennt von dem Vertrage v. 28. Okt. 1871, welche bei der Publi- §. 63. Begriff und juriſtiſche Natur der Staatsverträge. und es iſt andererſeits ganz unerheblich, wenn der Staatsvertragnachträglich veröffentlicht wird. Staatsrechtlich kömmt es einzig und allein auf die von der Staatsgewalt erlaſſenen Befehle an 1). Die äußere Trennung des Vertrages, der unter den Staaten 1) Aus der Praxis des Deutſchen Reiches laſſen ſich mehrere Beiſpiele anführen, daß Geſetze oder Verordnungen auf Grund oder Behufs Erfüllung völkerrechtlicher Vereinbarungen erlaſſen worden ſind, ohne daß die letzteren verkündigt worden ſind. So das Geſetz vom 30. März 1874 und die Verord- nung vom 23. Dez. 1875 wegen Einſchränkung der Konſulargerichtsbarkeit in Egypten, während die Uebereinkunft mit Egypten nicht veröffentlicht iſt; ferner ſind die internationalen Telegraphen-Konventionen nicht verkündet, wohl aber auf Grund derſelben die Telegraphen-Ordnungen v. 21. Juni 1872 und vom 24. Januar 1876 erlaſſen worden; ebenſo liegt der Bekanntmachung vom 31. Okt. 1873 (R.-G.-Bl. S. 366) betreffend die portopflichtige Korreſpondenz mit Oeſterreich ſelbſtverſtändlich ein Uebereinkommen mit der Oeſterreichiſchen Regierung zu Grunde; die Bundesraths-Verordnung v. 8. Juli 1874 zur Er- gänzung der Schiffsvermeſſungs-Ordnung (Centralbl. 1874 S. 282) iſt erlaſſen „im Anſchluß an die von der internationalen Kommiſſion zur Regelung der Abgaben auf dem Suezkanal gefaßten Beſchlüſſe“ u. ſ. w. 2) In manchen Fällen iſt dies aber nicht zu umgehen, alsdann muß
an den Staatsvertrag ſich ein Geſetz oder eine Verordnung anſchließen. So iſt z. B. das Salzſteuergeſetz v. 12. Oktober 1867 (G.-Bl. S. 41) ſeiner eigenen Angabe in den Eingangsworten gemäß erlaſſen worden „in Folge der zwiſchen den Staaten des Deutſchen Zoll- und Handelsvereins am 8. Mai d. J. abgeſchloſſenen, hier beigefügten Uebereinkunft“ … Ebenſo iſt das Geſetz v. 2. Nov. 1871 (R.-G-Bl. S. 375) betreff. die St. Gotthard-Eiſenbahn äußerlich getrennt von dem Vertrage v. 28. Okt. 1871, welche bei der Publi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0170" n="156"/><fw place="top" type="header">§. 63. Begriff und juriſtiſche Natur der Staatsverträge.</fw><lb/> und es iſt andererſeits ganz unerheblich, wenn der Staatsvertrag<lb/> nachträglich veröffentlicht wird. Staatsrechtlich kömmt es einzig<lb/> und allein auf die von der Staatsgewalt erlaſſenen Befehle an <note place="foot" n="1)">Aus der Praxis des Deutſchen Reiches laſſen ſich mehrere Beiſpiele<lb/> anführen, daß Geſetze oder Verordnungen auf Grund oder Behufs Erfüllung<lb/> völkerrechtlicher Vereinbarungen erlaſſen worden ſind, ohne daß die letzteren<lb/> verkündigt worden ſind. So das Geſetz vom 30. März 1874 und die Verord-<lb/> nung vom 23. Dez. 1875 wegen Einſchränkung der Konſulargerichtsbarkeit in<lb/> Egypten, während die Uebereinkunft mit Egypten nicht veröffentlicht iſt; ferner<lb/> ſind die internationalen Telegraphen-Konventionen nicht verkündet, wohl aber<lb/> auf Grund derſelben die Telegraphen-Ordnungen v. 21. Juni 1872 und vom<lb/> 24. Januar 1876 erlaſſen worden; ebenſo liegt der Bekanntmachung vom<lb/> 31. Okt. 1873 (R.-G.-Bl. S. 366) betreffend die portopflichtige Korreſpondenz<lb/> mit Oeſterreich ſelbſtverſtändlich ein Uebereinkommen mit der Oeſterreichiſchen<lb/> Regierung zu Grunde; die Bundesraths-Verordnung v. 8. Juli 1874 zur Er-<lb/> gänzung der Schiffsvermeſſungs-Ordnung (Centralbl. 1874 S. 282) iſt erlaſſen<lb/> „im Anſchluß an die von der internationalen Kommiſſion zur Regelung der<lb/> Abgaben auf dem Suezkanal gefaßten Beſchlüſſe“ u. ſ. w.</note>.</p><lb/> <p>Die äußere Trennung des Vertrages, der unter den Staaten<lb/> abgeſchloſſen iſt, und der von den contrahirenden Staaten zur<lb/> Durchführung deſſelben erlaſſenen Befehle iſt aber in vielen Fällen<lb/> unzweckmäßig und mit großen Schwierigkeiten verbunden. Die<lb/> Verträge enthalten regelmäßig <hi rendition="#g">gegenſeitige</hi> Zuſicherungen, die<lb/> nicht aus ihrem Zuſammenhange geriſſen werden können, ſie ent-<lb/> halten ferner Verabredungen, welche theils nur die Verwaltung<lb/> betreffen, theils in die Rechtsordnung eingreifen, und hier handelt<lb/> es ſich wieder theils um die Einführung neuer Verwaltungsvor-<lb/> ſchriften oder neuer Rechtsregeln, theils nur um die Aufrechterhal-<lb/> tung und die Fortdauer der beſtehenden Anordnungen. Es würde<lb/> deshalb eine keineswegs leichte und einfache Aufgabe ſein, wenn<lb/> der Staat im Anſchluß an den Staatsvertrag diejenigen Verfü-<lb/> gungen, Verordnungen und Geſetze formuliren und erlaſſen ſollte,<lb/> welche zur Durchführung des Vertrages erforderlich ſind <note xml:id="seg2pn_17_1" next="#seg2pn_17_2" place="foot" n="2)">In manchen Fällen iſt dies aber nicht zu umgehen, alsdann muß<lb/> an den Staatsvertrag ſich ein Geſetz oder eine Verordnung anſchließen. So<lb/> iſt z. B. das <hi rendition="#g">Salzſteuergeſetz</hi> v. 12. Oktober 1867 (G.-Bl. S. 41) ſeiner<lb/> eigenen Angabe in den Eingangsworten gemäß erlaſſen worden „<hi rendition="#g">in Folge</hi><lb/> der zwiſchen den Staaten des Deutſchen Zoll- und Handelsvereins am 8. Mai<lb/> d. J. abgeſchloſſenen, hier beigefügten Uebereinkunft“ … Ebenſo iſt das<lb/><hi rendition="#g">Geſetz</hi> v. 2. Nov. 1871 (R.-G-Bl. S. 375) betreff. die St. Gotthard-Eiſenbahn<lb/> äußerlich getrennt von dem Vertrage v. 28. Okt. 1871, welche bei der Publi-</note>. Der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0170]
§. 63. Begriff und juriſtiſche Natur der Staatsverträge.
und es iſt andererſeits ganz unerheblich, wenn der Staatsvertrag
nachträglich veröffentlicht wird. Staatsrechtlich kömmt es einzig
und allein auf die von der Staatsgewalt erlaſſenen Befehle an 1).
Die äußere Trennung des Vertrages, der unter den Staaten
abgeſchloſſen iſt, und der von den contrahirenden Staaten zur
Durchführung deſſelben erlaſſenen Befehle iſt aber in vielen Fällen
unzweckmäßig und mit großen Schwierigkeiten verbunden. Die
Verträge enthalten regelmäßig gegenſeitige Zuſicherungen, die
nicht aus ihrem Zuſammenhange geriſſen werden können, ſie ent-
halten ferner Verabredungen, welche theils nur die Verwaltung
betreffen, theils in die Rechtsordnung eingreifen, und hier handelt
es ſich wieder theils um die Einführung neuer Verwaltungsvor-
ſchriften oder neuer Rechtsregeln, theils nur um die Aufrechterhal-
tung und die Fortdauer der beſtehenden Anordnungen. Es würde
deshalb eine keineswegs leichte und einfache Aufgabe ſein, wenn
der Staat im Anſchluß an den Staatsvertrag diejenigen Verfü-
gungen, Verordnungen und Geſetze formuliren und erlaſſen ſollte,
welche zur Durchführung des Vertrages erforderlich ſind 2). Der
1) Aus der Praxis des Deutſchen Reiches laſſen ſich mehrere Beiſpiele
anführen, daß Geſetze oder Verordnungen auf Grund oder Behufs Erfüllung
völkerrechtlicher Vereinbarungen erlaſſen worden ſind, ohne daß die letzteren
verkündigt worden ſind. So das Geſetz vom 30. März 1874 und die Verord-
nung vom 23. Dez. 1875 wegen Einſchränkung der Konſulargerichtsbarkeit in
Egypten, während die Uebereinkunft mit Egypten nicht veröffentlicht iſt; ferner
ſind die internationalen Telegraphen-Konventionen nicht verkündet, wohl aber
auf Grund derſelben die Telegraphen-Ordnungen v. 21. Juni 1872 und vom
24. Januar 1876 erlaſſen worden; ebenſo liegt der Bekanntmachung vom
31. Okt. 1873 (R.-G.-Bl. S. 366) betreffend die portopflichtige Korreſpondenz
mit Oeſterreich ſelbſtverſtändlich ein Uebereinkommen mit der Oeſterreichiſchen
Regierung zu Grunde; die Bundesraths-Verordnung v. 8. Juli 1874 zur Er-
gänzung der Schiffsvermeſſungs-Ordnung (Centralbl. 1874 S. 282) iſt erlaſſen
„im Anſchluß an die von der internationalen Kommiſſion zur Regelung der
Abgaben auf dem Suezkanal gefaßten Beſchlüſſe“ u. ſ. w.
2) In manchen Fällen iſt dies aber nicht zu umgehen, alsdann muß
an den Staatsvertrag ſich ein Geſetz oder eine Verordnung anſchließen. So
iſt z. B. das Salzſteuergeſetz v. 12. Oktober 1867 (G.-Bl. S. 41) ſeiner
eigenen Angabe in den Eingangsworten gemäß erlaſſen worden „in Folge
der zwiſchen den Staaten des Deutſchen Zoll- und Handelsvereins am 8. Mai
d. J. abgeſchloſſenen, hier beigefügten Uebereinkunft“ … Ebenſo iſt das
Geſetz v. 2. Nov. 1871 (R.-G-Bl. S. 375) betreff. die St. Gotthard-Eiſenbahn
äußerlich getrennt von dem Vertrage v. 28. Okt. 1871, welche bei der Publi-
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